Unköniglich

Ein mittelschwerer Skandal schwappt durch Schweden: Geliebte und Besuche in illegalen Bordellen sind nicht gerade das, was man mit Schwedens sonst sehr braven, wenn auch gelegentlich medial etwas ungeschickten König verbindet. Ein gerade erschienenes Buch „Carl XVI Gustav – den motvillige monarken“ („Carl XVI Gustav – der widerwillige Monarch“) tut aber genau dies und geht noch weiter. Der Sicherheitsdienst soll Wohnungen durchsucht und unschmeichelhafte bzw. kompromittierende Fotos beschlagnahmt haben.

Starker Tobak also, das Ganze. Eine an dem Buch beteiligte Journalistin des schwedischen öffentlichen-rechtlichen Rundfunk wurde auch gleich beurlaubt. Das Buch verkauft sich blendend. Die erste Auflage ist fast vergriffen und eine zweite wird vorbereitet.

Und was macht der König selbst? Er äußerte sich bei einer improvisierten Pressekonferenz zu allem möglichen, aber nur teilweise zum Buch.

Hier die relevanten Passagen aus seinem Statement:

[…] und es gibt ja ein großes Interesse […] für ein Buche, das sozusagen zu meinen Ehren erschienen ist. Das kommt darauf an, wie man es sieht. Und ich habe, nur damit ihr das versteht, es bislang nicht geschafft, das Buch zu lesen. Wir erhielten es sehr spät gestern Nachmittag, und ich war den ganzen oder zumindest den halben Tag gestern bei einem anderen Auftrag. Ich habe leider nicht den ganzen Tag Zeit, mich hinzusetzen und Bücher zu lesen, wie ihr es vielleicht macht, sondern ich war in der Sankt-Klara-Kirche in Stockholm, was ein sehr interessanter Besuch war.
[…] ich kann kein Buch rezensieren, das ich nicht gelesen habe. Ich habe mittlerweile wegen einer ganzen Reihe Schlagzeilen mitbekommen, um was dieses Buch handeln kann […] Es ist klar, dass es nicht so lustig ist, ein Buch zu rezensieren, wo man, ja, verschiedene Schlagzeilen bekommt, die man vielleicht nicht so nett anzuschauen findet. Und mit dem Gedanken an diese Schlagzeilen habe ich natürlich mit der Familie und der Königin gesprochen. Und wir blättern jetzt um, ungefähr wie ihr es in euren Zeitungen macht, und schauen stattdessen nach vorne. Weil das etwas ist, das, wie ich es verstanden habe, laut dem Buch und meinen Informationen eine sehr lange Zeit her ist. Wir schauen nach vorne und es soll schön und interessant für uns werden, zu arbeiten.
Aber um arbeiten zu können müssen wir eine Möglichkeit haben – und nun wende ich mich an euch – zur Ruhe zu kommen. Wir haben gewisse Verpflichtungen zu erfüllen und wir haben fast jeden Tag zu arbeiten.

Sprach’s und schritt zur Elchjagd.

Nun ist es mir seit jeher schleierhaft, warum der europäische Hochadel als selbsterklärte Elite und moralische Instanz praktisch durchweg dem fragwürdigen Hobby nachgeht, irgendwelche Tiere über den Haufen zu schießen. Dass man auf sein Hobby verzichten sollte, wenn man sich in der Öffentlichkeit ungeheuerlichen Vorwürfen ausgesetzt sieht, versteht sich aber eigentlich von selbst.

Er hätte sich das Buch in der Zwischenzeit ja durchaus mal durchlesen können. Ich konnte zwar nicht herausfinden, wieviele Seiten es hat, aber zum Durchschmökern sollte es auf alle Fälle reichen. Vielleicht hat er es auch getan. Jedenfalls wurde von ihm selbst anscheinend beschlossen, keine rechtlichen Schritte gegen die Verfasser einzuleiten. Man werde nichts weiter dazu sagen.

Das Ganze liest sich wie die Blaupause eines PR-Debakels. Dass es sich vielleicht für einen König nicht ziemt, bei einer Klage gegen ein Schmutzgeschichtenbuch vor Gericht auszusagen, mag ja noch nachvollziehbar sein. Aber nicht einmal ein Dementi?

Durch seine Wortwahl sagt er eigentlich nur: das ist lange her, lasst uns in Ruhe, ich will nicht darüber reden. Damit lässt er die Tür für Spekulationen weit offen und setzt sich dem Verdacht aus, dass etwas dran sein könnte. Man sollte sich an der Stelle auch vor Augen führen, dass Prostitution in Schweden illegal ist und die besagten Nachtclubs damals in der Hand von Kriminellen waren. Damit geht es nicht nur um Seitensprünge, sondern möglicherweise sogar um Rechtsverletzungen.
Man hätte zumindest etwas Haltung bewahren können, wenn man gesagt hätte, dass man sich nichts zu Schulden kommen lassen hat und haltlose Stellungen nicht kommentieren wird. So wirkt das aber nur wie ein Ausweichmanöver, um die Sache auszusitzen, weil man glaubt, so fest im Sattel zu sitzen, dass das schon irgendwie vorbeigehen wird. Moralische Überlegenheit und vorbildhaftes Verhalten sieht anders aus.

Die Unterstützung für das Königshaus ist seit 15 Jahren am Sinken und liegt weit unter dem Niveau anderer Monarchien in Europa. Wenn der König nun nicht nur durch unglückliche Statements auffällt, sondern auch durch Eskapaden, dann wird das den Trend nur noch verstärken. Schweden wird jetzt zwar nicht gleich republikanisch werden, aber ein Ruhmesblatt ist die ganze Aktion nun wirklich nicht.

4 Gedanken zu „Unköniglich“

  1. Meine Interpretation seines Statements ist: „Ich hab es gemacht. Na und? Ist lange her und damit schon längst abgehakt. Also lasst uns in Ruhe.“

    Wurde dem König also irgendwann zwischendurch mal langweilig…er ist ja auch nur ein Mensch.

  2. Ich verstehe das ganze Hickhack nicht. Jeder Mensch der irgendwie im Rampenlicht steht muss sich früher oder später mit wahren und/oder unwahren Geschichten die über ihn geschrieben werden leben. Wenn man sich jedes mal intensiv damit auseinandersetzen würde, dann hätte manch ein „VIP“ ganz schön viel zu tun.

    Der liebe Nachbar darf im Bordell eine Runde knattern gehen, der König nicht? (wenn denn an diesem ganzen Schreib etwas dran ist) Wieso? Manchmal verstehe ich die Schweden nicht, da sind doch alle so gleich, oder was will uns das Gesetz sagen?

    Außerdem hat jeder Mensch eine Leiche im Keller, das macht den Menschen zum Menschen….

    1. Naja, da sollte man einige Punkte berücksichtigen:
      1. Das Buch verkauft sich, als wäre es ein achter Harry Potter. Das ist nicht nur ein kleines Klatschgeschichtchen.
      2. Es ist das erste Mal seit einigen Jahren, dass der König als Person so ins Gerede kommt.
      3. Meines Wissens klagt das schwedische Königshaus bei Falschbehauptungen sofort. Dass der König den Humbug, den die ausländische Klatschpresse verzapft, mit allen juristischen Mitteln verfolgen lässt, aber bei dieser einheimischen höchst brisanten Geschichte weder darüber reden noch etwas deswegen unternehmen will, ist schon sehr erstaunlich.
      4. In Schweden darf der Nachbar eben nicht ins Bordell. In Schweden ist das Verbot der Prostitution nicht wie früher in Deutschland durch selektives Weggucken der Behörden durchlöchert. Es ist wirklich verboten, und zwar richtig. Es gibt keinen Straßenstrich und keine ominösen Wohnmobile. Es ist auch kein Kavaliersdelikt. Prostitution ist in Schweden ähnlich akzeptiert wie Heroinkonsum: gar nicht. Daher ist es nicht so, dass man dem König nicht nachsehen würde, was man dem Durchschnittsbürger nachsieht.

      Gerade die Gleichheit ist das Problem. Schon alleine die Existenz eines Königshauses verstößt gegen dieses Ideal. Neulich, als es um den Freiflug der Frischvermählten in einem Privatjet eines Freundes der Familie ging, kam nach einer Prüfung heraus, dass das Bestechungsgesetz gar nicht auf das Königshaus angewendet werden kann, weswegen das Königshaus qua Gesetz nicht bestechlich ist. Bei der aktuellen Geschichte wurde kritisiert, dass das Königshaus keine Rechtsperson sei und damit auch außerhalb des Rechtsstaates stehe. Konkret wurde bemängelt, dass die Archive des Königs nicht dem Öffentlichkeitsprinzip unterliegen und es auch keine juristische Instanz gebe, bei der man Einsicht einklagen könne. Dass es im schwedischen Staat Institutionen gibt, die sich dessen Grundsätzen entziehen können, sieht natürlich auch nicht gut aus.

      Abgesehen davon wird gemeinhin von einem Staatsoberhaupt, das die 9 Mio. Landeseinwohner in der Welt vertritt, eine hohe Integrität erwartet. Gemeinsam mit zwielichtigen Gestalten bezahlten Damenbesuch zu empfangen ist nicht gerade das, was dem entspricht. Die Besonderheit ist wohl auch, dass die königliche Familie in Schweden nicht unantastbar ist. Was der König da ge dass er sich über die Sache stellt – nach dem Motto „Ich bin der König, mir kann keiner was“. Ich denke, dass das im Schweden des Jahres 2010 einfach nicht merade versucht, ist,hr so geht.

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