Pedal to the metal – der ultimative Freischein im schwedischen Straßenverkehr

Geschwindigkeitsüberwachungskamera in Schweden (Foto: Riggwelter, CC-BY-SA 2.5)

Der deutsche Autofahrer kann einem schon leid tun. Nicht nur soll man künftig nicht mehr 18 Punkte anhäufen dürfen, sondern nur noch acht. Diese verjähren jetzt sogar noch schneller. Und wenn man mal 20 km/h zu schnell fährt, muss man horrende 35 € (innerorts) / 30 € (außerorts) zahlen. Wie glücklich sind da doch die Schweden: sie bezahlen nur 2400 schwedische Kronen, also schlappe 281 €.

OK, das ist natürlich ironisch. Die schwedischen Behörden scheinen das Konzept zu verfolgen, wenig zu kontrollieren, aber bei einer festgestellten Regelüberschreitung drakonisch zu strafen. Denn kontrolliert wird nur auf zwei Arten:

  1. Die Polizei erwischt einen mit der Laserpistole. Abkassiert wird dann anscheinend sofort. So wahnsinnig oft kommt das aber nicht vor.
  2. Es sind Verkehrsüberwachungskameras (siehe Bild) aufgestellt, die einen Blitzer integriert haben. Das Lustige an diesen Geräten ist, dass sie mit einem Schild (siehe Bild) angekündigt werden müssen.
Informationsschild auf schwedischen Straßen: gleich kommt ein Blitzer.

Es gibt also keine unangekündigten Blitzer, und wer in einem der angekündigten erwischt wird, ist dann irgendwo auch selbst schuld.

Das passiert trotzdem auf einigen Strecken nicht allzu selten: laut einer Liste des schwedischen Fernsehen sind auf der E20 zwischen Hassle und Holmestad in diesem Jahr schon 1637 eilige Zeitgenossen erwischt worden. Stockholm ist in der Top Ten mit Ausnahme von Platz 3, wo zwischen Ladvik und Vaxholm auf Landstraße 274 immerhin 1385 Schnellfahrer geblitzt wurden, bemerkenswert abwesend.

Umgekehrt gibt es aber auch eine Reihe Kameras, wo in den annähernd 200 Tagen dieses Jahres noch kein einziger erwischt wurde.

Die Polizei hat nebenbei in dem Bericht auch ein anderes Detail preisgegeben. Der Knaller ist nämlich folgendes:

[Der stellvertretende Leiter der Verkehrskameraabteilung der Polizei] Urban Widell weist auch darauf hin, dass die Polizei nur in nordischen Ländern registrierte Fahrzeuge weiter ermittelt. „Wir ermitteln keine außernordischen Fahrzeuge; kommt ein Deutscher oder ein Franzose, ermitteln wir nicht gegen sie“ [, sagt er.]

Für die Zukunft hofft man, Zusammenarbeit auch mit anderen ausländischen Polizeibehörden aufzubauen, weil die schwedische Polizei laut Urban Widell derzeit nicht weiß, an wen man sich in den übrigen europäischen Ländern wenden soll.

Unglaublich. Zusammengefasst bedeutet dies also, dass mit einem deutschen (oder anderem nichtnordischen Kennzeichen) einen Freischein hat. Mehr noch: da die Polizei offenkundig auch keinen Schimmer davon hat, wie gültige ausländische Kennzeichen aussehen – erst kürzlich sah ich ein sündhaft teures Auto mit ebenso dreist wie dilettantisch gefälschtem deutschen Kennzeichen – kann man sich hierzulande kosten- und sorgenfrei durch den Straßenverkehr bewegen. Freundlicherweise ist es nämlich auch keine Pflicht, den Fahrzeugschein mitzuführen.

Bravo.

9 Gedanken zu „Pedal to the metal – der ultimative Freischein im schwedischen Straßenverkehr“

  1. Wenn vor einem Blitzer ein Warnschild stehen muss, muss dann dem Warnschild auch wirklich ein Blitzer folgen? In Finnland zumindest gibt es viel mehr Radarwarnschilder als Radar.

    Die finnische Polizei arbeitet auch komplett anders als die österreichische. Wenn die in Ö irgendwo Alk-Planquadrat machen und dich aufhalten, wird immer alles überprüft, Alkohol, Papiere, ErsteHilfeKasten, Warndreieck usw. Dafür muss man aussteigen. In Finnland bin ich schon oft in Alkoholkontrollen gekommen („oft“ dafür, dass ich ziemlich selten mit dem Auto fahre), aber da ist immer nur Fenster runter, reinblasen, Fenster rauf, weiterfahren. Das einzige Mal, dass ich aussteigen musste, war als ich auf einer langen, leicht abschüssigen Gerade statt 100 knapp 110 gefahren bin. Aber das einzige, was sie da wollten, war meine Kreditkarte, um 70 Euro runterzuholen.

    1. In meiner Erfahrung sind nach Kameraschildern auch wirklich Kameras vorzufinden. Aber mir fehlt da die Erfahrung, um repräsentativ zu sein.

      Mit Österreich und Finnland ist es in Sachen Alkoholkontrolle ähnlich wie mit Deutschland und Schweden. In Deutschland müssen alle Papiere gezeigt werden, und es wird etwas Smalltalk gemacht. Je nach Sachlage wird noch allerlei anderes kontrolliert, und besteht ein Anfangsverdacht, kommt die Frage „darf ich ihnen einen Alkomattest anbieten?“. Sagt man ja, pustet man und hat vielleicht Glück. Sagt man nein, darf man die Probe im Krankenhaus abgeben 🙂

      In Schweden hingegen immer die gleiche Prozedur: Führerschein und Alkomattest, und natürlich auch sitzenbleiben. Außerdem schauen sie, ob das Auto gestohlen ist. Das war es dann auch. Der Alkomattest ist dabei vollkommen verdachtsunabhängig. Weil die pro Jahr eine bestimmte Anzahl solcher Tests machen müssen, kontrollieren sie gerne zu Zeiten, an denen sie garantiert keinen erwischen. Damit kommt man schneller auf die Planzahlen 🙂

      1. Hatte mal eine Alkokontrolle am Mittsommerwochenende 2008. Helsinki wird da ja zur Geisterstadt und am Sonntag Nachmittag, als die Leute schön langsam wieder zurück in die Stadt mussten, hat die Polizei die Stadteinfahrten dicht gemacht. Wer zB von Espoo über Lautasaari nach Helsinki wollte, musste durch die Kontrolle. Die standen so, dass man nicht über Schleichpfade ausweichen konnte. Und da die Prozedur keine 5 Sekunden dauerte (Führerschein war nicht gefragt, außer wohl man wurde auf den Parkplatz weitergeleitet), entstand noch nicht mal ein Stau, der einen hätte warnen können. Ich möchte ja gar nicht wissen, wieviele Leute mit Restalkohol die da erwischt haben.

        1. Die Finnen sind schon, wie mir scheint, ein gewitztes Folk. Mir ist erst kürzlich aufgefallen, dass sie zusammen mit Deutschland und den Niederlanden die stärksten Euro-Ländern sind. Quasi die Kernmannschaft. Aber das ist nun off-topic…

  2. Wie geil, dann darf ich mit einem deutschen Kennzeichen rumrasen wie ich will, zumal mir die nordischen Geschwindigkeiten eh einschläfernd langweilig sind. Aber mal im Ernst: ist das eine Null-Bock-Mentalität der Polizisten da oben, mehr zu machen als vorgeschrieben? Wann krümmen die mehr als einen Gedanken?

    1. Mir erscheint es schlicht als unglaublicher Dilettantismus. Das kommt so daher, als wäre Schweden nach wie vor nur per Fähre von Mitteleuropa aus zu erreichen und fremde Kennzeichen ein seltener Anblick.

      Es gibt Europol und derlei Behörden. Keiner erwartet ja, dass sie Autofahrer bis Malta verfolgen. Es wäre ja auch ok, wenn sie nur schwerere Verstöße (z.B. erst ab 30 km/h drüber) verfolgen würden, um den Aufwand in Grenzen zu halten. Aber pauschal gar nichts zu tun ist nicht im Dienst der schwedischen Verkehrssicherheit, die angeblich ja so hoch gehalten wird.

      Deutsche und polnische Kennzeichen dürften zu den häufigsten nichtnordischen auf schwedischen Straßen gehören. Da ist es wohl nicht zuviel verlangt, zumindest mit den Polizeibehörden der Ostseenachbarn Kontakt aufzunehmen.

      1. Nur mal ein Gegenbeispiel, dass mit dem richtigen Willen alles geht: ein Mann aus England ist zu Besuch bei einer Bekannten in Deutschland. Diese wird vor seinen Augen vom Ehemann stark misshandelt. Der Mann ruft den Notruf von seinem Handy aus an – und kommt in London raus. Die Londoner Polizei nimmt Kontakt auf zur örtlichen deutschen Polizei und der Frau wird nach wenigen Stunden geholfen.

        Ankommen werden die Schweden in Europa mental wohl erst sehr viel später. Nicht, dass England kein Inselfolk wäre, aber die scheinen ja keine ruhige Kugel zu schieben.

          1. Mag sein. Bei der Zahl alkoholbegeisterter Schweden, die in bestimmten Teilen von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern einfallen, würde es mich aber nicht überraschen, wenn die eine Kooperation wie die zwischen Baden-Württemberg und dem Elsass haben.

            Es soll ja nicht darum gehen, jede Bagatelle zu verfolgen, aber pauschal einfach alles sofort zu den Akten zu legen, während man das Mitführen der Fahrzeugscheine nicht verlangt und gefälschte Kennzeichen nicht erkennt, ist fahrlässig. Hierzulande hat man sich das Ziel gesetzt, auf null Verkehrstote zu kommen. Auf der einen Seite treibt man das in absurde Extreme, auf der anderen Seite lässt man solche Scheunentore offen.

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