Schwerverbrecher wider Willen

Hinter Gittern – naja, fast. (Foto: Flickr-User possan, CC-BY 2.0)

Gestern erwartete mich ein Brief von meiner lokalen Tankstelle, als ich nach Hause kam.

Wir schreiben Ihnen aus dem Grund, dass ein Fahrzeug der Marke […] mit dem Kennzeichen […] bei OKQ8 in […] am […]. Juli 2012 um 17:00 Uhr mit 44,88 Litern Oktan 95 Benzin [Anm. also Superbenzin] mit einem Wert von 665,57 kr betankt wurde.
Eine Zahlung ist hierfür nicht geleistet wurden

Hoppla! Habe ich wirklich getankt ohne zu bezahlen? Kann das sein? In der Tat weisen meine Kontoauszüge im betreffenden Zeitraum keine Zahlung bei der Tankstelle aus. Intensives Überlegen ergibt: an dem Tag wollte ich das Auto waschen, und als dort „Außer Funktion“ stand, habe ich getankt und drinnen nachgefragt, ob man denn gar nicht waschen könne. Ich erhielt zur Antwort, dass die Anlage getauscht würde, da die bestehende ein paar Kratzer in Autos gemacht habe. Und bei all dem habe ich doch tatsächlich vergessen (!), zu bezahlen.

Unglaublich und peinlich.

Fast noch mehr konsterniert war ich aber über dieses Schreiben. Es ist auf sehr seltsame Weise höflich. Es fehlt zwar eine Begrüßungsformel, aber ich werde in dem Brief doch tatsächlich gesiezt – eine Form, die es in Schweden fast gar nicht mehr gibt.

Von mir um die Zeche geprellt: OKQ8-Tankstelle – natürlich nicht die gezeigte Filiale. (Bild: Flickr-User Gustav H/hejgustav, CC-BY 2.0)

Noch unglaublicher aber, wie es danach weitergeht:

Wir gehen davon aus, dass der Fahrer durch ein Versehen vergessen hat, für diese Betankung zu bezahlen.

Laut den Angaben im Fahrzeugregister sind Sie Besitzer dieses Fahrzeugs.
Wir sehen der Einzahlung auf Konto […] entgegen. Die Bezahlung kann auch bei OKQ8 […] geleistet werden. […]

Sollten die obenstehenden Angaben fehlerhaft sein oder Sie Kenntnissen von einem Umstand haben, der uns behilflich sein kann, bitten wir Sie freundlich, uns schnellstmöglich zu kontaktieren.

Mit freundlichem Gruß

Das war alles. Keine Drohung, keine Frist. Unglaublich.

Natürlich ist das Fahrzeugregister öffentlich, so dass sie mich ohne Gang zu den Behörden ausfindig machen konnten. In Deutschland und anderswo wäre da größerer Aufwand vonnöten gewesen. Aber der Ton ist doch bemerkenswert. Nicht nur wagt man es nicht einmal, eventuelle böse Absichten meinerseits anzudeuten und ggf. härtere Konsequenzen anzudrohen. Man bittet sozusagen den Ladendieb freundlich (aber immerhin bestimmt) darum, doch bitte die Waren zu bezahlen, um ihn nicht als Kunde zu verlieren.

In Deutschland hingegen dürfte Tankbetrug wohl kurz hinter Kapitalverbrechen rangieren. Man hätte mir vermutlich einen Brief geschrieben, der ungefähr folgendes gesagt hätte: Wir haben dich angezeigt, und wenn du nicht pronto mit saftigem Strafzuschlag bezahlst, ziehen wir dich und deinen gut betankten Hintern vor den Kadi, was dich soviel kosten wird, dass du bis zum St. Nimmerleinstag bei uns das Regal mit den Sexheftchen abstauben darfst.

Und die Strafzahlung wäre in dem Fall dreistellig ausgefallen.

Stattdessen zahle ich keine Öre extra, obwohl die nicht nur Portokosten, sondern sicher auf Arbeitsaufwand hatten, um mich ausfindig zu machen. Netter kann man zu Zechprellern wohl kaum sein.

Ich habe das Geld natürlich sofort überwiesen. Ich entschuldigte mich schonmal im Betreff, und habe heute morgen auch angerufen. Antwort: Kein Problem, kann ja mal passieren.

Wenn es nicht so peinlich wäre, müsste ich fast sagen: kann man nur weiterempfehlen.

2 Gedanken zu „Schwerverbrecher wider Willen“

  1. In Deutschland würde ich einen solchen Ton vermuten, weil der Konkurrenzdruck so groß ist, dass man sich vergraulte Kunden nicht leisten kann.

Schreibe einen Kommentar zu Mark Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.