Åland Halbmarathon 2010

Es ist zu einer Tradition geworden: jedes Jahr Ende Oktober geht es pünktlich zur Zeitumstellung nach Åland, um den wahrscheinlich langweiligsten Halbmarathon Skandinaviens zu bestreiten.
Was es mit diesen Inseln auf sich hat und warum der Lauf im Grunde so uninteressant ist, gibt es schon in meinen Berichten aus den Jahren 2007, 2008 und 2009 zu lesen.

Weltgeschichtliche Kuriosität, Exotik und (relativ) billiges Bier – da habe ich auch dieses Jahr nicht nein gesagt, wie auch meine Mitstreiter. Es waren dieses Jahr drei, wobei einer wie ich den Halbmarathon lief, einer den „Fun Run“ über 10 km, und einer als Unterstützer dabei war.

Also kehrten wir bei Akilles Taverna ein, dem mit Abstand besten griechischen Restaurant von ganz Grisslehamn. Nach 2 Stunden Fährfahrt, 40 km Autofahrt, dem obligatorischen Pastadinner ruhten wir im Hotell Adlon – wie der Name schon sagt, eine vorzügliche Adresse mit angeschlossener Pizzeria und Sportsbar.

Den Versuch, einen Vorsprung auf meine Wunschzeit herauszulaufen, um dann nachher davon zehren zu können, habe ich in den letzten Jahren mehrfach vergeblich unternommen. Am Schluss macht ein Krampf schnell mal jede Zeitplanung zunichte. Stattdessen habe ich beschlossen, etwas unter dem Limit zu laufen, um länger durchzuhalten.

Bis Kilometer 18 ging das auch ganz gut. Dann wurden die Beine sehr schwer und ich ging ein Stück. Als ich wieder laufen wollte, tat das Sprunggelenk mächtig weh, so dass ich nur noch kurze Abschnitte schaffte. Am Krampf bin ich zwar mehrfach vorbeigeschrammt, aber ich musste nie stehenbleiben. Immerhin.

Die Zeit war dennoch nicht berauschend: fast 2:30 Stunden und damit mein zweitschlechtester Halbmarathon überhaupt.

Dennoch bin ich nicht niedergeschlagen. Das Sprunggelenk wollte mir nämlich sagen, dass ich zuviel wiege, und damit hat es verdammt recht. Bei meiner aktuellen Fitness und Körperfülle kann ich froh sein, überhaupt durchgehalten zu haben. Ich hoffe nur, dass ich den Winter so trainierend überstehe, dass ich vielleicht doch noch einen Marathon im kommenden Jahr machen kann.

Mein Halbmarathonmitstreiter musste schon früh abbrechen, weswegen ich groteskerweise mit meiner Leistung unsere Fahne hochgehalten habe. Der 10-km-Lauf ging aber gut.

Nach einer umfänglichen Åland-Rundfahrt – mittlerweile habe ich sämtliche 4 Nationalstraßen durch – ging es mit der Fähre zurück. Auf der waren allem Anschein nach nicht viele Läufer, was auch die Verhältnisse beim Åland-Marathon widerspiegelt: zwar behauptet die Homepage steif und fest

Evenemanget har vuxit rejält de senaste åren.

also

Die Veranstaltung ist in den letzten Jahren unheimlich gewachsen.

Worin dieses Wachstum aber bestehen soll, ist fraglich. In den letzten 5 Jahren war die Veranstaltung mindestens genauso groß, wenn nicht sogar größer: jeweils 200 Läufer bei Marathon und Halbmarathon, zuzüglich ca. 40 Läufer beim Fun Run.

Andreas vom Läuferblog „Spring, för faaan!“ begeisterte es jedenfalls so sehr, dass er in Anlehnung an Kennedy schreibt: „Ich bin ein Mariehamner“. Das Gefühl habe ich mittlerweile auch, denn nach 4 Teilnahmen bei dem Lauf kenne ich die Innenstadt Mariehamns hinreichend, und es beschleicht mich leider die Ahnung, dass es auf der Hauptinsel Ålands nicht viel mehr zu sehen gibt – zumindest nicht zu dieser Jahreszeit. Nächstes Jahr wird es wohl eine Kirchentour werden, um Fotos der schönen Åländer Kirchen zu schießen.

Ein paar Fotos hat Andreas auch online gestellt.
Apropos Fotos: Danke an die Unterstützer für Bilder und Streckenrandmotivation!

Gegen den Wind

Da sage nochmal einer, es wäre etwas für Weicheier, die Brustwarzen abzukleben.

Wie schnell kann man sich steigern? Dieser Sommer ist definitiv vorbei, und von über 100 kg Kampfgewicht bin ich auf unter 90 kg gekommen. Jetzt stehen die letzten Läufe an, und nachdem ich mich schon beim Lidingöloppet bemerkenswert geschlagen hatte, war nun doch fraglich, was bei einem Halbmarathon auf flacher Strecke drin sein würde.

Nach dem spaßigen Wochenende im Vorjahr wollte ich auch dieses Jahr den Åland-Halbmarathon nicht verpassen. Das Event glänzt nach wie vor mit einer extrem langweiligen Laufstrecke, die nicht für den Straßenverkehr gesperrt wird. Überrascht war ich dennoch darüber, dass die Teilnehmerzahl niedriger war als im Vorjahr, denn das Marathonpaket von Eckerölinjen war schon ausgebucht, so dass wir mit einem anderen Hotel ohne Pastadinner vorlieb nehmen mussten.

Andreas und Arne konnten dieses Jahr nicht, aber dafür Marcus. Das Hotel war schlicht, aber vollkommen in Ordnung, und das Abendessen auf extrem niedrigen Preisniveau – Essen mit Getränk gerade einmal 11,50 €.

Der von mir angekündigte Inga-Lindström-Abend auf SVT2 entpuppte sich als eine ganze deutsch-schwedische Breitseite. Neben zwei Lindström-Filmen die angesprochene Schären-Dokumentation und abschließend „Brottsplats: Kiel“.

Der Lindström-Film, den wir anschauten, war nicht ganz so zum Fremdschämen wie befürchtet. Die Dialoge waren bis auf die letzten 20 Minuten nicht so dick aufgetragen, so dass es sich in Grenzen hielt. Jedoch hätte ich gerne live mitgebloggt, den offenkundige „Fehler“ – Dinge, die es in Schweden einfach nicht gibt – fanden sich im Minutentakt. Da gab es allein praktizierende Ärzte, die nicht nach der Personnummer fragen, und eine florierende Bäckerei. Der dazugehörige Bäcker ist nicht nur Bürgermeister – ein in Schweden in der gezeigten Form nicht mehr existentes Amt – sondern auch offenkundig der reichste Vertreter seiner Zunft auf der Nordhalbkugel. Er hat zwei Boote, fährt einen Mercedes, und hat ein traumhaftes Haus mit Bootssteg. Die Aufzählung ließe sich noch fortsetzen.

Die folgende Dokumentation war nicht schlecht, aber die Macher hatten sich vorwiegend auf Utö herumgetrieben, das nur noch im weiteren Sinne vor Stockholm liegt. Zwar ist die Insel durchaus touristisch erschlossen, aber mit den Massen, die nach Grinda, Finnhamn und v.a. nach Vaxholm fahren, ist das aber wohl kaum ein Vergleich.

Der Knüller war allerdings „Brottsplats“, was nichts anderes als „Tatort“ heißt. Die Tatort-Reihe wird auch ansonsten in Schweden ausgestrahlt, wenn auch nicht als feste Institution am Sonntagabend. Zu dieser Gelegenheit haben die SVT-Oberen eine besondere Folge ausgewählt. In dieser geht Axel Milberg als Kieler Kommisar dem seltsamen Verschwinden des Kapitäns der Fähre nach Göteborg nach. Der Film hat alles, was Inga Lindström eben nicht hat: echte Schweden, die mit echten schwedischen Akzenten sprechen. Großartig.

So wurde es doch spät abends, bis wir zur Ruhe kamen. Glücklicherweise findet der Åland-Marathon immer am Wochenende der Zeitumstellung statt, was einem eine Stunde extra gibt.

Wettermäßig mussten wir mit dem schlimmsten rechnen. Regen, 10 °C. Das Positive: der Regen blieb weitgehend aus. Das Negative: dafür gab es Böen mit annähernd Orkanstärke. Das lag mir gar nicht, wie ich bald feststellen musste – dann doch lieber Hügel wie beim Lidingöloppet. Meinen ursprünglichen Plan, auf meine Wunschzeit von 2 Stunden einen Vorsprung herauszulaufen, von dem ich dann in der zweiten Hälfte zehren kann, musste ich bald aufgeben. Beim Wendepunkt war ich gerade mal schnell genug wie der gewünschte Schnitt. Natürlich fiel ich ab da immer weiter zurück. Letztendlich ging ich nach 2:06:23 übers Ziel, und damit gerade noch rechtzeitig vor den 2:06:36, die einen Schnitt von 6 Minuten pro Kilometer repräsentieren.
Nicht perfekt also, aber unter den Gegebenheiten vollkommen akzeptabel – und ganz nebenbei wieder einmal mein zweitbester Halbmarathon.

Schmerzhaft wurde es im Nachhinein – auf dem Weg zum Hotel wies mich Marcus darauf hin, dass ich blute. Das war mir echt noch nie passiert, obwohl ich die Startnummer immer mit Sicherheitsnadeln anbringe. Mir war es nicht einmal aufgefallen bis auf ein leichtes Ziehen, was aber bei solchen langen Läufen echt nicht ungewöhnlich ist. Nächstes Mal passe ich sicher mehr auf, denn das Duschen danach war echt kein Spaß.

Nach der Rückkehr ging es direkt ins Bett, und Montagmorgen dann nach Frankreich – aber davon ein anderes Mal.