Nachtrag: Fehmarn 21

Passend zum letzten Thema habe ich gestern dieses Feature des NDR entdeckt: als PDF und MP3.

Leider verliert sich das Feature weitgehend darin, wer dafür ist und wer dagegen. Oder vielmehr: wie vorsichtig die Politik geworden ist nach Stuttgart 21. Dadurch erfährt man relativ wenig über den Tunnel selbst.

Den Zusammenhang mit Stuttgart 21 sehe ich nur mittelbar. Beiden Projekten ist gemein, dass hier zumindest scheinbar eine massive Summe Geld gezahlt wird und nicht vollkommen abzusehen ist, wie groß der Nutzen denn nun endgültig sein wird.

Die Unterschiede sind aber ebenso erheblich. Bei Stuttgart 21 wurde von Gegnern in Zweifel gezogen, dass der ganze Aufwand überhaupt einen erheblichen Nutzen bei den Betroffenen bringen würde. Diese Zweifel wurden durch den Schlichterspruch auch in Teilen bestätigt. Bei der Fehmarnbeltquerung steht hingegen der Nutzen außer Zweifel. Nicht einmal, dass die Fähre oder 160 km eine erhebliche Einschränkung sind, wird von den Gegnern ganz von der Hand zu weisen sein.

Es bleibt einzig und allein das Argument, dass das zuviel kostet für das, was es bringt, denn die Umweltschutzargumente sind mit der Entscheidung für den Tunnel größtenteils obsolet, wie man sogar an den Ausführungen der Gegner sehen kann.

Ein weiterer substanzieller Unterschied ist, dass das ein Bauwerk zwischen zwei Ländern ist, aber der Eindruck entsteht, es ginge eigentlich nur um die Deutschen. Die Dänen wollen die Querung nämlich eindeutig. Im Völkerrecht gilt „pacta servanda sunt“ – Verträge sind einzuhalten, und einen solchen haben die Länder geschlossen. Ein Ausstieg aus der Fehmarnbeltquerung ist daher mindestens genauso unrealistisch wie bei Stuttgart 21.

Zumal es einigermaßen grotesk ist, dass man sich über 1,5 Milliarden Neuinvestitionen beschwert, obwohl die Dänen ja schon den Löwenanteil der Kosten übernommen haben und eine bessere Verkehrsanbindung von Fehmarn auch ohnedies keine schlechte Idee wäre.

Insofern hat das Radiofeature zumindest bei mir nicht zu mehr Verständnis für die Gegner beigetragen.

Ein Tunnel unter dem Belt

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, aber in dem Fall pfeife ich gerne mit: das dänische Parlament hat sich zum Bau der festen Querung des Fehmarnbelts entschlossen. Als letzte Hürde steht dem nur noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung entgegen, an der das Ganze aber wohl kaum noch scheitern wird.

Das heißt de facto, dass man ca. ab 2020 auf direktem Wege und ohne Fähre von Schweden nach Deutschland (und natürlich auch umgekehrt) durchfahren kann, ohne die 160 km Umweg über Flensburg nehmen zu müssen. Ich finde das gut, auch wenn natürlich in den Sternen steht, wo ich in 10 Jahren sein werde und ob ich dann noch etwas davon habe.

Ich sehe ehrlich gesagt auch nicht ganz,was gegen die Querung spricht. Die potenziellen Umweltprobleme, die bei einer Brücke befürchtet werden, sind mit einem Tunnel praktisch alle vom Tisch. Die Argumentation in der Richtung, dass so etwas gar nicht gebraucht würde, halte ich für wenig stichhaltig. Zwar werden hierdurch keine zwei Großräume verbunden, wie das bei der Öresundbrücke der Fall ist, aber es stellt eine signifikante Verbesserung der Verkehrsanbindung ganz Skandinaviens dar – der Einzugsbereich umfasst gut 15 Mio. Menschen, und es erscheint mir kaum denkbar, dass dies keinen Effekt haben würde.

Die meisten Gegner scheinen auf Fehmarn zu leben und fürchten um das Wohlergehen der Insel. Man kann es irgendwo verstehen, denn die bestehende Fährverbindung ist von großer Bedeutung für die dortige Wirtschaft. Die meisten Argumente verfangen bei mir aber kaum.

Bislang verläuft eine sicherlich auch nicht wenig befahrene Bundesstraße über die Insel. Im Sommer stauen sich die Autos über lange Strecken vor der Fähre. Inwiefern hier eine vierspurige Autobahn viel schlechter sein soll, sehe ich nicht so ganz. Die Autos sind in 10 Minuten über die Insel und wieder weg. Wenn das Verkehrsaufkommen gleich bleibt, ist das dann etwa schlimmer als endlose Schlangen?

Handfester ist da schon das Argument, dass Arbeitsplätze verlorengehen könnten. Das ist nicht von der Hand zu weisen, denn auf der Fähre arbeiten eine Menge Menschen. Allerdings hätte man die Einführung von Autos auch mit dem Argument untergraben können, dass die Kutscher hierdurch arbeitslos werden. Man muss den Nutzen schon abwägen. Angesichts der Tatsache, dass die Zurücklegung einer Strecke von 18 Kilometern derzeit über 40 Minuten dauert, sehe ich durchaus einen erheblichen Nutzen.

Ein klassisches Argument in der Sache ist, dass die Fähre die perfekte Gelegenheit zur Pause ist. Das ist sicherlich richtig. Ich will niemandem zu nahe treten, aber Urlauber sind bei der ganzen Sache nicht vorrangig. Bei der Broschüre zur Öresundbrücke widmet man dem Tourismus nur zwei Seiten, und da geht es vorwiegend um regionalen Tourismus zwischen Schweden und Dänemark. Bei der Fehmarnbeltquerung geht es in erster Linie um den Frachtverkehr, denn mit übermäßigem Pendleraufkommen ist nicht zu rechnen. Ich bezweifle etwas, dass die Lkw-Fahrer sonderlich viel von der Pause an Bord haben. Die Pause ist kurz, und es ist keineswegs garantiert, dass sie zu einem günstigen Zeitpunkt kommt. Eine Raststätte ist weitaus flexibler, und die 20 km Streckenersparnis fallen nun wirklich nicht sonderlich ins Gewicht. Zudem existiert auch nach über zehn Jahren Öresundbrücke immer noch die Fährenverbindung Helsingör-Helsingborg. Beide werden mit Erfolg betrieben, und etwas Konkurrenz im Fehmarnbelt kann wirklich nicht schaden. Die Preis beträgt mittlerweile 60 € für eine Strecke. Auf dem Öresund zahlt man für dieselbe Strecke 40 €. Die Fähre kann als Konkurrenz ja bestehen bleiben, und der Rest fügt sich.

Daher sehe ich mit freudiger Erwartung dem Bau entgegen – und nach dessem Abschluss auf „nur“ noch 16,5 Stunden Autofahrt in die alte Heimat.

Eine interessante Beobachtung zu der Sache ist übrigens, dass die Meldung in den schwedischen Nachrichten kaum vorkommt. Nur lokale Nachrichten in Südschweden haben vorab etwas berichtet. Ein schwedischsprachiger Artikel über das Ergebnis ist mir bislang noch nicht untergekommen.

Eine Brücke nach Schweden

Nun ist es absolut schlussendgültig (mit Brief und Siegel sowie einer Tüte Chips dazu) beschlossen: die Brücke über den Fehmarnbelt wird gebaut. Damit soll es ab 2018 möglich sein, mit dem Auto oder Zug ohne Fährfahrt in 2 Stunden von Deutschland bis nach Schweden durchzufahren, und zwar ohne den 160 km langen Umweg über den Storebaelt.

Die Ratifizierung des Staatsvertrags durch das dänische Parlament war hierfür der letzte Schritt. Zuvor hatten schon der deutsche Bundestag und der Bundesrat ihre Zustimmung zu dem im September 2008 unterzeichneten Vertrag gegeben.

Vorausgegangen waren jahrelange Verhandlungen. Deutschland hat sich dabei ziemlich praktisch aus der Affäre gezogen: den Bau der Brücke überlässt man praktisch komplett der dänischen Seite, während man selbst nur die Autobahn nach Fehmarn bauen wird.

Kritik an dem Projekt gibt es durchaus. Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern stimmte als einzige im Bundesrat dagegen – offiziell, weil sie Subventionen unfair verteilt sah. Weniger offiziell allerdings mehr deswegen, weil sie lieber eine Brücke von Rostock nach Gedser gehabt hätte und damit die wirtschaftlich wichtige Strecke durch ihr Bundesland gelaufen wäre.
Umweltschützer warnen vor ökologischen Risiken. Neben dem NABU ist auch Greenpeace sehr kritisch, u.a. weil die dort lebenden Schweinswale bedroht seien.

Die deutsche Politik maß dem offenbar wenig Bedeutung zu. Selbst den Grünen scheint das Geld näher gewesen zu sein als die ökologischen Folgen. Mittlerweile hat die Bundesregierung den Vertrag als Gesetzesentwurf vorgelegt, so dass er bald auch als Teil der Bundesgesetzgebung verabschiedet werden kann.
Auch in der dänischen Politik griffen die Argumente der Gegner anscheinend wenig: es gab 104 Stimmen dafür, aber nur drei dagegen.

Das spiegelt ungefähr auch mein Meinungsbild wider. Vielleicht bin ich da einfach etwas zu wenig naturverbunden veranlagt, aber die ökologischen Bedenken gehen mir kaum nahe.
Umso begeisterter bin ich jedoch von den Aussichten auf eine Brücke. Gerne wird vorgebracht, dass es doch so schön sei, wenn man im Urlaub einen Zwischenstopp hätte und etwas Schiff fahren darf. Auf manche Urlauber mag das zutreffen, aber weder Dänemark noch Schweden oder Norwegen leben vom Tourismus. Er macht gerade einmal 3% der schwedischen Wirtschaft aus, und das ist viel zu wenig, als dass die Überfahrt alleine der schönen Urlaubsreise wegen erhaltenswert wäre.

Zudem kann ich gerne darauf verzichten, wenn ich sehe, wie praktisch die Öresund-Brücke ist. Dort stoppt man im Idealfall für weniger als eine Minute, und schon ist man wieder unterwegs. Bei der Fähre Puttgarden-Rödby steht man, wenn man Pech hat, ewig lang in der Schlange, bis man aufs Schiff darf, und selbst wenn man sofort hinein darf, so ist mit Be- und Entladen letztendlich doch eine ganze Stunde weg.

Abgesehen von den offensichtlichen Vorteilen für den Güterverkehr (und damit die skandinavische Wirtschaft) ist die Sache aber auch aus Sicht des Personenverkehrs in der Bahn interessant. Der schnellste ICE von Hamburg nach Kopenhagen braucht derzeit 4:43 Stunden, wovon alleine 55 Minuten für die Strecke Puttgarden-Rödby veranschlagt sind. 40 Minuten Einsparpotenzial sind da problemlos drin.
Ich erhoffe mir ja immer noch einen direkten Nachtzug nach Deutschland – allerdings muss ich da wohl annehmen, dass dies weniger an einer Brücke sondern mehr an der Unfähigkeit (oder auch Unwilligkeit) der Bahn besteht, mit dem Flugzeug zu konkurrieren.

Fehmarnbeltbrücke

Mehr am Rande der Nachrichten stand ein Staatsvertrag, der indirekt auch für Schweden Bedeutung haben wird: die Fehmarnbeltbrücke zwischen der Inseln Fehmarn und Rödby in Dänemark wird gebaut, und zwar bis 2018.

Die Sache ist natürlich mal wieder ein Beispiel für Deutschlands Zaghaftigkeit in Sachen Verkehr. Man konnte sich nicht durchringen, sich wirklich an der Brücke zu beteiligen. Der Deal sieht jetzt ungefähr so aus, dass Deutschland die Zufahrt nach Puttgarden ausbaut und Dänemark den Brückenbau übernimmt, dafür aber auch alle Mautgebühren bekommt.

Gesetzt dem Fall, bis dahin nimmt der Mut der Bahnplaner etwas zu, gibt es dann vielleicht sogar mal einen Zug von z.B. Hamburg direkt nach Stockholm. Aber das wird ja sowieso erst frühestens in 10 Jahren aktuell…