Überprüft

Der schwedische TÜV ist jedes Jahr fällig, und so durfte ich ziemlich genau ein Jahr nach der Ummeldung meines Autos vorfahren.

Das ganze Verfahren ist typisch schwedisch effizient. Man kann einen Termin online buchen, und als mir der geplante Termin dann doch nicht so gut lag, konnte ich bequem umbuchen. Die Suche ist auch auf so etwas abgestimmt und zeigt andere Stationen in der Umgebung gleich mit an. Allerdings wird das wohl nur hier in Stockholm so gut funktionieren, wo zahlreiche Stationen angesiedelt sind. So landete ich also nicht in Nacka, wo ich ursprünglich hin wollte, sondern in Sundbyberg.

Vor dem Eingang steht ein Anmeldungsautomat, wo man mit Hilfe der Nummer des Kennzeichens „einchecken“ kann. Digitalanzeigen weisen dann den Weg, sobald eine Einfahrt frei ist. Großartig.

Der Kontrolleur wollte das Warndreieck sehen. Meines ist zwar wohl älter als das Auto selbst, aber einwandfrei, was ich aber erst in diesem Moment herausfand. Kontrolliert wurden auch die Türen und die Sicherheitsgurte. Bei ersteren war ich ganz froh, dass es nur -1°C hatte, denn andernfalls hätte es gut sein können, dass die Türen nicht zu öffnen gewesen wären, womit ich nicht durchgekommen wäre. Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal vor Wintereinbruch vorfahren, um das Problem zu umgehen.

Zum Abschluss nahm der Kontrolleur den Wagen zum Bremsentest mit.

Ergebnis: alles OK – die Stoßdämpfer sind anscheinend schon etwas abgenutzt, aber noch in Ordnung. Begeisternd auch, dass der Kontrolleur gleich noch das Licht eingestellt hat, das etwas zu hoch.

Beeindruckender Zusatzservice, und das alles für schlappe 300 kr.

Einziger Nachteil der Aktion: um den Termin am früheren Nachmittag wahrzunehmen, den ich ursprünglich hatte, bin ich zum ersten Mal mit dem Auto zur Uni gefahren. Das kostete nicht nur Maut, sondern auch ein Vermögen an Parkgebühren – alles unnötig im Nachhinein.

Es kostete aber auch Zeit. Mit dem Auto brauchte ich genauso lange wie mit öffentlichen Verkehrsmitteln. All diejenigen, die behaupten, die Umgehung für den Großraum Stockholm sei unnötig, sind anscheinend noch nie morgens dort unterwegs gewesen.

Ich bin ganz froh, dass ich mir dieses zweifelhafte Vergnügen nicht öfter geben muss.

Vorbeifahren

Vor einiger Zeit gab es eine Werbekampagne hier in Stockholm. Dort war auf schwarzem Grund groß zu lesen:

Es gibt nur zwei europäische Länder, deren Hauptstadt keine Umgehungsstraße hat.

Und darunter klein:

Albanien ist das eine.

Womit sich jeder denken, welches das andere ist: Schweden.

In der Tat gibt es derzeit genau drei Möglichkeiten, die Region Stockholm zu umfahren – und von denen sind zwei so abwegig, dass sie nie jemand dafür benutzen würde.
De facto gibt es also nur einen Weg, nämlich den Essingeleden, eine Autobahn über Kungsholmen, auf der trotz vierspurigen Ausbaus jeden Morgen Stau ist.

Die Schaffung einer Alternative tut also not. Diese soll die „Förbifart Stockholm“ werden, also die Vorbeifahrt an Stockholm. Eine Autobahn, größtenteils unterirdisch verlegt wird – 17 der 21 km werden Tunnel sein – soll einen Bogen im Westen über die Inseln der Gemeinde Ekerö schlagen und dann im Nordwesten die Anbindung an die großen Straßen E4 und E18 schaffen. Bis 2020 „kann“ der Bau fertig sein, was soviel heißt, dass er bis dahin nicht fertig sein wird.

Kritik wird laut von einigen Seiten. Man fürchtet um den Umwelt- und vor allem den Klimaschutz. Auch die Bewohner der Insel Lovö, unter der ein Teil des Tunnels verlaufen und die auch eine Autobahnabfahrt bekommen soll, sind nicht begeistert.

Die Argumente dieser Gegner sind mir doch einigermaßen schleierhaft. Ein Tunnel schadet ja wohl kaum der Natur. Wenig stichhaltig erscheint mir das Argument, der CO2-Ausstoß werde dadurch erhöht, denn dies beruht auf der Annahme, der Verkehr werde weniger wachsen, wenn man einfach keine Straßen für ihn baut. Diejenigen, die so argumentieren, verweisen auch auf die Stadtmaut, die man dafür benutzen könne, den Verkehr fernzuhalten.

Dabei hat gerade die Trängselskatt gezeigt, dass eine solche Maßnahme bestenfalls lenken kann – fernhalten kann es den Verkehr aber nicht wirklich. Die Straßen Stockholms sind mittlerweile genauso verstopft wie vor Einführung der Maut. Man hat sie seit 2007 nicht mehr angehoben, was einen starken Gewöhnungseffekt erzeugt.

Der Bau der Förbifart ist mehr als überfällig und ich kann sie eigentlich nur unterstützen. Außerdem erscheinen mir Klagen aus Ekerö übertreiben, weil Ekerö eine der Kommunen ist, die die schlechteste Verkehrsanbindung haben – die meisten werden wohl froh darum sein, wenn sie keine Fähre mehr nehmen oder den endlosen Umweg über Bromma fahren müssen.

Der Ablauf der Planung scheint mir aber symptomatisch zu sein für Verkehrsplanung im Raum Stockholm.

Slussen baut man erst um, nachdem es zu einem heruntergekommenen und nach Urin stinkenden Schandfleck geworden ist. Die Citybanan, ein S-Bahn-Tunnel unter Stockholm zur Entlastung des südwärts gerichteten Schienennetzes, wird in Angriff angenommen, nachdem die S-Bahn Pendeltåg schon seit vielen Jahren ein Synonym für Unzuverlässigkeit und Störungsanfälligkeit ist. Die am schnellsten wachsenden Kommunen sind nur durch Busse angebunden und haben nichtmal in Aussicht, Schienenverkehr zu erhalten. Zu der Insel, auf der ich wohne, gibt es nur eine altersschwache und überlastete Brücke, aber eine neue Brücke soll es erst in 15 Jahren geben – von einer Anbindung an den Schienenverkehr wird erst gar nicht gesprochen, obwohl jetzt schon die Busse in kurzen Takten fahren und trotzdem voll sind.

Wenn man von dem zukunftsweisenden Projekt der Tvärbanan absieht, baut man immer erst dann, wenn die Situation eine Zumutung geworden ist. Man repariert einen Schaden erst, wenn er eingetreten ist, aber versucht nicht, ihn vorsorglich zu verhindern.

Insofern kann ich der Förbifart eigentlich nur einen Kritikpunkt entgegen bringen, nämlich den, warum das Projekt nicht gleich durch eine Erweiterung des Nahverkehrs ergänzt hat. Eine direkte S-Bahn von Södertälje nach Akalla und Hjulsta wäre der Region sehr zuträglich.