Personalausweis again

Hier geht zwar derzeit aus einigermaßen nachvollziehbaren Gründen (Reisen, Studium) nicht besonders viel. Dennoch sei schnell auf eine wichtige Entwicklung in Sachen Personalausweis (schwedisch ID-kort) hingewiesen. Kurz zur Erinnerung: in Schweden gibt es die sogenannte „legitimation“, ein Personalausweis, der von Banken und einem Dienst der Post ausgestellt wird, aber generell nicht zu Auslandsreisen genutzt werden kann. Ausländische Personalausweise oder Pässe werden in Schweden des öfteren nicht akzeptiert. Das war bis 2007 kein allzu großes Problem, da Ausländer sich beim Svensk Kassaservice, ein Tochterunternehmen der Post, das u.a. die Auszahlung von Schecks vornimmt, eine solche besorgen konnten. Wegen angeblicher Betrugsversuche ist das seither aber für die allermeisten nicht mehr möglich, da man einen Verwandten oder Ehegatten mitbringen muss, der wiederum selbst schon eine legitimation besitzen muss. Das ist aber bei den wenigsten Ausländern gegeben. Daher können sich viele Ausländer nur über die Banken – und das auch nur mit viel Glück – sowie durch den Umtausch ihres Führerscheins behelfen. Hinzu kommt, dass dies de facto auch eine Diskriminierung von EU-Bürgern darstellt, da nicht einmal EU-Pässe anerkannt werden. Die Krönung ist, dass der Kassaservice Ende 2008 abgeschafft wird und damit dieser Weg dann ohnehin komplett versperrt sein wird.
Die Problematik der Situation hatte ich schon in meinem Auswandererguide beschrieben.

Nun ist aber Hilfe in Sicht. Eine Kommission der Regierung unter Leitung des Richters am höchsten Gerichtshof hat die Situation analysiert und die Vorschläge vorgelegt.
Darin werden einige Einzelfälle präsentiert, die die Problematik der Situation illustrieren. Der Lösungsvorschlag ist simpel und elegant: die Polizei soll es machen. Diese stellt bislang schon Pässe und den nationalen Personalausweis aus, der auch zum Reisen berechtigt, aber eben auch nur Schweden zur Verfügung steht. Letzterer ist aber ein ziemlicher Ladenhüter, weil keinerlei Werbung gemacht wird. In Schweden sind Pässe für Auslandsreisen üblich, so dass auch kein dringender Bedarf für Personalausweise bestand. Bislang wurden gerade mal 100.000 davon ausgegeben. Während pro Monat 6.000 Pässe ausgestellt werden, bringt es die „nationellt id-kort“ nur auf 6.000 Stück im Jahr. Die Infrastruktur, die geschaffen wurde, ist also bei weitem nicht voll ausgelastet. Diese will man nun zur Lösung des Problems mit der Legitimation einsetzen. Es soll eine Form des Personalausweises eingeführt werden, die nicht zum Reisen berechtigt und auch Ausländern offensteht. Bei EU-Bürgern und Bürgern aus anderen Ländern, wo die Sicherheitsstandards bei Pässen hoch sind, sollen dann die Karten ohne großes Verfahren ausgestellt werden. In anderen Fällen behält man sich eine Prüfung vor.

Das alles liegt nun aber erst einmal der Regierung vor und wird geprüft. Es wird dann frühestens ab 2009 auch wirklich so gemacht werden, also gerade rechtzeitig zur Abwicklung des Kassaservice.

Ich finde, dass dies eine recht gute Lösung ist. Zwar finde ich die Aufteilung zwischen landesinterner ID und international gültigem Reisedokument immer noch unglücklich, aber auf diesem Wege kommt man einem System mit reisetüchtigen Personalausweisen schon näher. Ein Nachteil wird aber sein, dass die von der Polizei ausgefertigte ID-Kort zumindest anfangs auf nur mäßige Akzeptanz stoßen wird, da sie künftig vor allem von Ausländern genutzt werden wird. Immerhin kann man davon ausgehen, dass die neue ID-Kort den bisher schon von der Polizei ausgegebenen Ausweisen ähneln wird, denn die angesprochene Infrastruktur lässt sich freilich dann am besten nutzen, wenn man für die neue Karte nicht allzuviele Änderungen vornehmen muss. Aber nur mit der Abschaffung der Bankausweise wäre die neue Lösung eine wirklich runde Sache, denn dann würden sich die reisefähigen Personalausweise auch bei Schweden durchsetzen und damit einen neuen Standard darstellen.

ID-Skandal

Nachdem die englischsprachige Zeitung „The Local“ am Donnerstag auf die Missstände bei der Erlangung einer schwedischen ID-Karte (ähnlich eines Personalausweises hingewiesen hatte, zieht das langsam weitere Kreise.

Laut dem Sprecher der Europäischen Kommission in Stockholm, Eric Degerbeck, könnte das sogar ein Verstoß gegen EU-Recht sein, weil dies die Freizügigkeit behindere. Gut möglich, dass Kassaservice bald zurückrudern wird müssen.

Identifikation und Legitimation

Der Durchschnittsschwede erhält von seinem Staat drei Insignien, ohne die die Existenz in diesem Land vollkommen sinnlos erscheinen würde:

  • Einen Pass, damit er reisen darf
  • Eine sogenannte Personnummer, damit er überall leicht zu registrieren ist und seine Steuern bezahlen kann
  • Eine ID-kort (also ID-Karte), die zwar kein vollwertiger Personalausweis ist, aber in allen Lebenslagen vorgezeigt werden muss

Letzteres ist eine Groteske des schwedischen Systems. Offiziell braucht niemand eine ID, aber bei einer Bank, im Krankenhaus, manchmal aber auch bei H&M heisst es ohne oft „nichts geht mehr“. Überredungskünste sind gefragt, aber oft hilft auch das nicht. Die ID selbst hingegen taugt sonst zu wenig. Man kann mit ihr nicht reisen, und als Online-Identifikation ist sie nur in bestimmten Fällen zu gebrauchen. Entscheidend ist nur, dass die ID nachweisen kann, dass man Inhaber einer bestimmten Personnummer ist.

Erschwerend kommt hinzu, dass nur wenige Stellen eine brauchbare ID ausgeben. Dies sind der Kassaservice (eine Art Postbank) und einige normale Banken. Seit Anfang 2005 gibt auch die Polizei richtige Personalausweise aus – allerdings mit mässigem Erfolg, denn die Bevölkerung nimmt sie nur wenig an, auch wenn mit ihr sogar reisen könnte. Hin und wieder hält auch der schwedische Führerschein als Ausweis.

Ebenfalls seit 2005 haben sich die Banken aus dem ID-Geschäft etwas zurückgezogen. Für Ausländer wie mich bleibt daher nur der Kassaservice, der sehr talentiert darin ist, Gründe zu finden, warum keine ID bekommen sollte.
Bis Ende letzten Jahres brauchte man nämlich

  • Ein Passfoto nach schwedischen Standards (frontal aufgenommen und mit weissem Hintergrund)
  • Seinen eigenen Pass
  • Einen Personbevis (Datenausdruck der Steuerbehörde)
  • Einen Referenzschweden, d.h. jemanden, der in Schweden gemeldet ist und zur Antragstellung mitkam, um zu bezeugen, dass man auch wirklich der ist, der man vorgibt zu sein. Dieser wiederum muss auch eine gültige ID haben und einen Personbevis mitbringen.

Es ist leicht zu sehen, dass man bei diesen strengen Regeln schon erhebliche Schwierigkeiten bekommt – man stelle sich vor, man ist neu in der Stadt und kennt noch niemanden. Ich habe jedenfalls drei Versuche gebraucht, mir eine ID ausstellen zu lassen, bis es dann endlich klappte.

Anscheinend hat es aber trotzdem jemand geschafft, sich darüber illegal eine ID zu beschaffen – derjenige muss ein Naturtalent sein.
Seit 1. Januar 2007 gibt es daher eine verschärfte Regelung: der Referenzschwede muss entweder Ehepartner oder Verwandter sein. Seither ist es de Facto unmöglich für Ausländer, sich eine ID zu besorgen. Einziges Schlupfloch ist allenfalls, sich eine Arbeit zu suchen (sofern man keine hat), mit dem Arbeitsvertrag zu einer Bank zu gehen, die noch IDs ausstellt, und dort ein Konto zu eröffnen, um Anspruch auf eine ID zu bekommen. Oder eben einen Schweden zu heiraten.

Andernfalls heisst es für den ID-losen: Stress im Krankenhaus, Stress bei Einkäufen, Stress bei der Bank.

Alleine in meinem Bekanntenkreis kenne ich zwei Leute, denen der Weg zu einer ID versperrt ist.

Erfreulich ist daher, dass „The Local„, eine englischsprachige Online-Zeitung aus Schweden, dieses Thema aufgegriffen und schon drei Artikel hierzu veröffentlicht hat. Zuerst einen Blogeintrag mit Erfahrungen aus erster Hand, dann eine Reaktion eines Abgeordneten der liberalen Volkspartei und schliesslichen einen kleinen Featureartikel mit direkten Anfragen an den Kassaservice.

Das wäre eine nette Aufgabe für die neue Regierung: etwas aufzuräumen in diesem unnötigen Durcheinander.