Wer die Öre nicht ehrt, …

Meine Restbestände im Geldbeutel: ab morgen kein Zahlungsmittel mehr

Selbst wenn es ein solches Sprichwort im Schwedischen gäbe: ab Morgen wäre es obsolet.

Ab 1. Oktober 2010 ist die kleinste schwedische Münze im offiziellen Zahlungsverkehr das 1-Kronen-Stück. Ab dann wird es also die Öre nur noch als theoretische Einheit geben, ohne dass es eine reale Münze hierzu gibt. Bei Barzahlungen wird einfach auf ganze Kronen gerundet. Bis Ende März kann man die Münzstücke noch bei der Bank eintauschen. Danach haben die Münzen nur noch Sammler- und Materialwert, und auch davon jeweils nicht viel.

Untersuchungen haben ergeben, dass die meisten Schweden die 50-Öre-Münze kaum noch verwenden. Das kann ich nur bestätigen: man erhält sie ab und zu als Wechselgeld, aber wird sie dann kaum noch los, weil sie zu wenig wert sind und die meisten Automaten sie nicht nehmen. Als Beispiel obige Münzen, die wohl schon seit geraumer Zeit in meiner Tasche herumlungern. Ein guter Grund für eine Abschaffung also.

Diese Runderei hat übrigens schon eine längere Tradition, wie mir scheint. 1-Öre- und 2-Öre-Stücke wurden schon ab 1971 nicht mehr geprägt. 5-Öre-Münzen und 25-Öre-Münzen folgten 1984, während sich die 10-Öre-Münzen noch bis 1991 hielten. Letztere wurden dann 1993 aus dem Verkehr gezogen, und seither wird auf 50 Öre genau gerundet. Mit der Praxis der Rundung ist Schweden allerdings nicht alleine. Finnland und die Niederlande verwenden die 1-Cent- und 2-Cent-Münzen nicht und runden daher auf 5 Cent. Allerdings sind sie per EU-Regelung dazu verpflichtet, die nicht gebräuchlichen Münzen anzunehmen, was dazu führt, dass sie in Finnland nicht selten auf dem Müll landen. Schweden dürfte mit der Ein-Kronen-Rundung (also auf ca. 10 Cent genau) nun aber das gröbste Raster Europas, wenn nicht der Welt einführen. Während so etwas in Deutschland vielleicht den Volkszorn erregen würde, weil man mal wieder befürchtet, übers Ohr gehauen zu werden, nimmt der weitgehend bargeldlose Schwede das gelassen hin. Ich auch.

Interessant finde ich die schwedische Bargeldpolitik allerdings schon. So erlebe ich nun in meinen fünf Jahren hier schon die zweite nennenswerte Umstellung. Als ich hierher kam, gab es nämlich noch silberfarbene 50-Öre-Münzen und 20-Kronen-Scheine, die einen bläulicheren Farbton als die jetzigen hatten und etwas größer waren. Diese wurden 2006 ungültig mitsamt älteren Versionen größerer Scheine, die noch keine neueren Sicherheitsmerkmale hatten.

Man sollte also annehmen, dass die Riksbank sehr konsequent alte Scheine und Münzen aus dem Verkehr zieht. Das ist aber keineswegs so. Die 2-Kronen-Münze, die bis 1971 noch mit dem Konterfei des damaligen Königs Gustav VI. Adolf geprägt wurde, ist bis heute gültig, obwohl sie natürlich seit geraumer Zeit nicht mehr im Alltag anzutreffen ist. Bei der 1-Kronen-Münze ist es gar so, dass sämtliche seit 1875 geprägten Stücke noch gültiges Zahlungsmittel sind. Münzen sind hartnäckig und überleben lange im Zahlungsverkehr. Genauso wie es in Deutschland bis 2002 noch viele 10-Pfennig- und 50-Pfennig-Stücke aus dem Jahr 1949 („Bank Deutscher Länder“) und dem Jahr 1950 gab, sind die 1-Kronen-Stücke in älteren Varianten im Umlauf.

Hier drei der üblichsten:

Übliche 1-Kronen-Münzen. v.l.n.r. Variante aus den Jahren 1968-1973 mit dem Bildnis Gustav VI. Adolfs, Variante aus den Jahren 1976-2000 mit dem Bildnis von Karl XVI. Gustav, neuere Variante seit 2001

Dazu gab es noch im Jahr 2000 eine Milleniumsausgabe in etwas anderem Stil, die mir persönlich aber noch nie untergekommen ist, und letztes Jahr zum zweihundertjährigen Juiläum der Trennung von Schweden und Finnland. Letztere sah sehr ungewöhnlich aus, da die Vorderseite Wellen als Stilisierung des Meeres zeigte und damit zunächst nicht klar als gültiges Zahlungsmittel zu erkennen war.

Trotz der mittelfristig zwangsläufigen Euro-Einführung wird man bei der Riksbank aber nicht müde, das bisherige Geld weiterzuentwickeln. So wurde mittlerweile der Beschluss gefasst, ein neues Zwei-Kronen-Stück und einen 200-Kronen-Schein einzuführen. Wann das passieren wird und wie diese aussehen sollen, ist aber noch nicht klar. Man kann sogar Vorschläge einreichen.

Während ich diese Umwälzungen abwarte, sortiere ich schonmal meine 50-Öre-Stücke aus. Da ich früher mal Münzsammler war, behalte ich gerne die paar, die mir geblieben sind.

Bargeld ade?

Der SPIEGEL hat heute einen interessanten Bericht über die vermeintliche Abschaffung von Bargeld in Schweden. Einen aktuellen Bezug scheint es nicht zu geben. Für mich als Einwohner des Landes erscheint der Artikel aber schon einigermaßen seltsam.

Ironischerweise stand nämlich heute morgen in der Zeitung, welche Beschlüsse der Reichstag in Sachen Scheine und Münzen gefällt hat. Diese sind:

  • Der 20-Kronen-Schein mit Selma Lagerlöf (weswegen er oft auch einfach „Selma“ genannt wird) bleibt trotz der Empfehlung der Reichsbank im Verkehr.
  • Eine Zwei-Kronen-Münze wird eingeführt.
  • Außerdem wird ein 200-Kronen-Schein eingeführt.

Von wegen Schluss mit Bargeld.

Der SPIEGEL-Bericht scheint in erster Linie die Ansichten bestimmter (kleiner) Interessengruppen darzustellen, verzichtet aber fast vollständig darauf, darüber zu schreiben, wie sich schon jetzt der Bargeldalltag in Schweden darstellt. Dieser sieht nämlich so aus, dass der größte Schein, der 1000-Kronen-Schein (ca. 100 €), im normalen Zahlungsverkehr praktisch nichtexistent ist. Der 500-Kronen-Schein ist also der größte wirklich im Umlauf befindliche Schein.

Ich selbst laufe oft mit annähernd null Bargeld herum. Hier eine kurze Erhebung meines aktuellen Barbestandes:

  • Zwei 20-Kronen-Scheine
  • Eine 10-Kronen-Münze
  • Drei 5-Kronen-Münzen
  • Sechs 1-Kronen-Münzen
  • Zwei 50-Öre-Münzen (die ab November aus dem Zahlungsverkehr genommen werden)
  • Ein 2-Euro-Stück, das sich irgendwie da hinein verirrt hat.

Macht als 2*20 + 10 + 3*5 + 6*1 + 2*0,50 = 72 Kronen Bargeld, was nach aktuellem Stand 7,56 € sind. Das ist übrigens seit gut einer Woche so. An meinen letzten Geldautomatenbesuch kann ich mich jedenfalls nicht mehr erinnern. Ich denke, so untypisch bin ich damit nicht.

Und das Ganze wohlgemerkt trotz der Tatsache, dass Bargeld in diesem Land erheblich leichter verfügbar ist als in Deutschland. Es gibt Geldautomaten zuhauf, und im Gegensatz zu Deutschland zahlt man keine Gebühren, weil es ein standardisiertes System der Banken gibt. Außerdem ist es vollkommen normal in vielen Geschäften, bei der Zahlung einer Ware einfach eine bestimmte Summe draufzulegen und sich diesen Überschuss dann in bar auszahlen zu lassen.

Warum ist das so? Weil man in diesem Land alles mit Karte bezahlen kann. In Supermärkten wird die Karte sogar bei Kleinstbeträgen akzeptiert. Sobald der Betrag 5 € übersteigt, wird die Karte anstandslos angenommen, und auch darunter ist Kartenzahlung häufig möglich, wenn auch oft gegen eine kleine Gebühr.

Schweden ist also der Abschaffung des Bargeldes weit näher als Deutschland, wo man in Restaurants und Kneipen immer noch zu hören bekommt, dass nur Bargeld genommen wird.

Insofern erscheint mir der Bericht eher wie eine Parade von kleineren Lobbygruppen, die Probleme beheben wollen, die ohnehin nur in vergleichsweise geringem Umfang vorhanden sind. Gegen die Abschaffung der 1000-Kronen-Scheine hätte ich nichts einzuwenden, aber in einem annähernd bargeldlosen Land zum Kampf gegen die Scheine und Münzen zu blasen ist irgendwo schon grotesk.