Wahlkampfthema: Jugendarbeitslosigkeit in Schweden

Jugendarbeitslosigkeit in der EU, Eurozone, Dänemark, Finnland, Schweden und Deutschland
Jugendarbeitslosigkeit in der EU, Eurozone, Dänemark, Finnland, Schweden und Deutschland

Einige der zentralen Fragen dieser Wahl ist die Jugendarbeitslosigkeit. Ich sehe von ihr im Alltag natürlich nichts, weswegen ich einmal die Zahlen von Eurostat herausgesucht haben – siehe Grafik. Das Bild ist natürlich erschreckend, wenn man den Vergleich mit Dänemark oder Deutschland bemüht. Auch gegenüber der EU als Gesamtes sehen die schwedischen Zahlen wenig erbaulich aus. Hinzu kommt, dass die Jahrgänge erheblich größer sind – die Zahl der 19-jährigen ist seit 2002 um rund 30% gestiegen.

Die bürgerliche Regierung hat in den letzten Jahren verschiedene Programme dazu aufgesetzt, darunter sogenannte Einstiegsjobs für junge Einwanderer, deren Anstellung zu erheblichen Teilen subventioniert wurde. Außerdem gibt es ein Förderprogramm, das vollmundig eine Jobgarantie verspricht. Sonderlich gefruchtet scheint das nicht zu haben, wenn man sich die Zahlen oben anschaut. Die Regierung schlägt deswegen vor, junge Erwachsene, die kein Abitur gemacht haben, also ohne Abschluss von der Schule gingen, eine höhere finanzielle Förderung zur Weiterführung ihrer Ausbildung zukommen zu lassen. Außerdem will sie eine sogenannte Lehrlingsprobeanstellung einführen, bei der junge Erwachsene für ein geringeres Gehalt eine Anstellung bekommen können sollen.

Die Sozialdemokraten und Gewerkschaften gefällt vor allem letzterer Vorschlag nicht. Die rot-grüne Opposition wirft der Regierung hier vor, sie hätte durch Kürzungen im Bereich der Erwachsenenbildung die Situation verschlimmert. Sie schlägt vor, die Jobgarantie mit einem Programm „Jobstart für Junge“ zu ersetzen, bei dem mir aber die Unterschiede im Detail zu liegen scheinen. Für das Ausbildungsproblem will sie ein eigenes Ausbildungsprogramm ins Leben rufen, bei dem die jungen Arbeitslosen, die aktiv an ihrer Weiterbildung haben, mehr Geld erhalten. Auch hier scheinen die Unterschiede eher im Detail zu liegen. Die übrigen Maßnahmen schlagen in die gleiche Kerbe: finanzielle Anreize und Weiterbildungsförderung.

So weit voneinander weg scheint mir das alles nicht zu liegen. Allerdings bin ich nicht so tief in der Materie drin, dass ich das mit endgültiger Gewissheit sagen könnte. Wer hier eine bessere Einsicht hat, kann gerne in den Kommentaren etwas dazu sagen.

Glücklicherweise trommelt sich keine auf die Brust, denn versagt haben anscheinend beide Seiten: die Sozialdemokraten mit dem Unvermögen, den Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit zu bremsen, die Regierung mit den vergeblichen Versuchen, sie nennenswert zu senken.

Einen interessanten Beitrag aus dem frühen Sommer habe ich beim Schweizer Radio gefunden. Hier kann man sich einmal aus einem anderen Blickwinkel einen Überblick verschaffen. Lediglich eine Sache scheint mittlerweile veraltet: leider sind die rechtspopulistischen Schwedendemokraten nicht so chancenlos wie dort dargestellt.

Die kleine Plakateschau (2): Wahlwerbungspannen

Anzeige der rotgrünen Opposition (Quelle: metro.se)
Anzeige der rotgrünen Opposition (Quelle: metro.se)

Obige Anzeige wurde beim Kopieren ihres Texts beraubt. Das macht aber nichts, denn man hätte ihn sowieso kaum lesen können. Interessant ist vielmehr, dass dies vermutlich die aktualisierte Fassung des Motivs ist. In der Dagens Nyheter wurde nämlich kürzlich kritisiert, dass sich die vier Oppositionsführer – das sind die grafisch stark nachbearbeiteten und seltsam in der Gegend herumschauenden Menschen auf dem Bild (v.l.n.r. Lars Ohly von den Linken, Mona Sahlin von den Sozialdemokraten sowie Peter Eriksson und Maria Wetterstrand von den Grünen) – mit einem X2000, dem schwedischen Pendant des ICE, haben abbilden lassen, um für eine Zukunft mit Hochgeschwindigkeitszügen zu werben. Dumm nur, dass der X2000 schon sei 1990 im Verkehr ist und daher ungefähr so futuristisch daher kommt wie ein Opel Astra der ersten Generation. Nebenbei wurde die Produktion des X2000 schon 1998 eingestellt.

Mit Auslaufmodellen Zukunftswerbung machen geht natürlich nicht, und so sieht man nun in der Anzeige einen Zug, der vor lauter Zukunftsbegeisterung sofort losfahren möchte, und zwar mit mindestens 350 km/h.
Damit das aber auch jeder kapiert, hat man sicherheitshalber noch „High Speed“ in roten Buchstaben auf den Zug geschrieben. Damit sind natürlich jede Zweifel an der Zukunftsträchtigkeit und Geschwindigkeit ausgeräumt.

Aber auch die Opposition Regierung leistet sich Pannen. So hat sie dieses Plakat in Rinkeby aufgehängt, in dem das Ziel dargelegt wird, dass sich Schwedens beste Schule in Danderyd befinden soll. Was der verlinkte Beitrag andeutet, wenn auch nicht ausspricht: das Plakat hängt nicht im Stadtteil Rinkeby des piekfeinen und mit einem exorbitant hohen Einkommensniveau gesegneten Danderyd, sondern im gleichnamigen und weitaus bekannteren Stadtteil Stockholms. Dieser ist jedoch ein sozialer Brennpunkt und relativ arm.

Sollte das stimmen, wäre das natürlich ein peinlicher Fehler, wenn man den ganzen Migranten per Plakat verkündet, dass die beste Schule dort sein soll, wo sie vermutlich nie hinkommen werden. Viel zu verlieren haben die Moderaterna aber nicht: sie blieben 2006 klar unter 10%.

Butler in der U-Bahn

Der Jugendverband der derzeit regierenden bürgerlichen Moderaten MUF hat dieses Video zum neuesten Vorschlag der Stockholmer Sozialdemokraten, eine „Butler“-Dienste in der U-Bahn einzuführen, gedreht. Man muss ihnen ein Kompliment machen: das Ergebnis ist nicht zum fremdschämen, und das kann man bei kreativen Auswüchsen von politischen Jugendverbänden schon als Erfolg betrachten.

Ich weiß nicht so recht, was ich von dem Vorschlag halten soll. Neue Einrichtungen in den U-Bahnen finde ich nicht verkehrt. Mir fällt spontan nur ein Geschäft ein, das sich auf dem Bahnsteig befindet: ein Schlüssel- und Schuhdienst in der Station Karlaplan. Wenn es da ungenutzte Räume gibt, spricht nichts dagegen, diese zu nutzen, sei es nun für Geschäfte oder eben Dienstleister. Den Vorschlag aber als „Butler“-Dienst zu bezeichnen, der Stockholmern helfen soll, ihre Freizeit besser zu nutzen, erscheint mir aber etwas weit hergeholt. Das erinnerte mich an das etwas unnötig erscheinende Bahnsteigspersonal des neuen U-Bahn-Betreibers MTR.

Das alles macht auf mich den Eindruck, die Sozialdemokraten verfolgen als Wahlkampstrategier, jede Woche eine neue Sau durchs Dorf (bzw. die Stadt) zu treiben. Vielleicht haben sie Angst, dass ambitionierte Nahverkehrspläne nicht ausreichen, und glauben, man müsse nun mit plakativen Forderungen eins draufsetzen. Erst kürzlich versprachen sie, Kinder bis 12 gratis fahren zu lassen und die Fahrkartenpreise zu senken. Außerdem soll der nach der letzten Wahl abgeschaffte Einheitstarif für alle Fahrten in der Region wieder kommen.

Das Problem ist nur, dass das alles Geld kostet. Der Einheitstarif wurde nämlich nach nur einem Jahr abgeschafft, weil er SL Verluste bescherte. Mit der Freigabe der U-Bahn-Stationen für externe Anbieter kann man vielleicht etwas einnehmen, aber das kann die ganzen anderen Pläne kaum finanzieren. Die Frage ist: hat die Region Stockholm denn so viel Geld?

Noch 100 Tage bis zur Wahl

In exakt 100 Tagen öffnen die Wahllokale zur Reichstagswahl in Schweden. Und nicht nur das: die Parlamente der Provinzen und Kommunen, die auch von Ausländern (EU und einige andere) mitgewählt werden dürfen, stehen gleichzeitig zur Wahl. Dies macht den Tag zum Höhepunkt des politischen Lebens in diesem Lande, denn bis 2014 steht dann keine einzige Wahl mehr an.

Richtig los geht es freilich erst im Sommer, wenn überall die Hütten (sogenannte valstugor) an zentralen Punkten der Orte stehen, um den Wähler nahezukommen.

Debattiert wird aber jetzt schon im Fernsehen, und die Demoskopen sind auch fleißig. Letztere haben Zahlen erhoben, die vor allem dies sagen: es wird eng und es wird spannend. Die Blöcke sind in den Umfragen der letzten Zeit teilweise gleichauf, und das praktisch zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode. Die „Allianz“, eine Koalition aus 4 bürgerlich-konservativen Parteien, hat nämlich gehalten und funktionierte so geräuscharm wie es sich Angela Merkel derzeit in ihren Träumen ausmalen dürfte. Daher stehen auch die Blöcke geschlossen gegeneinander: die Allianz auf der einen Seite, die „Rotgrünen“ mit den Sozialdemokraten, den Grünen und der Linkspartei auf der anderen Seite. Daran wird sich wohl nichts mehr ändern.

Eine Minderheitsregierung scheint ausgeschlossen, denn die Sozialdemokraten haben sich nach ihrem Wahldebakel 2006t nie ganz gefangen und suchten den Schulterschluss mit den anderen beiden linken Parteien. Es ging zwar aufwärts, aber die Zeiten, als sie wie gottgegeben jede andere Partei mit großem Abstand abhängten, scheinen vorbei: nach aktuellen Umfragen ist nicht einmal gesichert, dass sie stärkste Partei werden.

Hoffnung kann man sich aber machen, denn die gestern veröffentlichten Daten der schwedischen Statistikbehörde, die in der Vergangenheit immer richtig lag, sieht Rotgrün vorne.

Wie ich mich selbst entscheiden werde, muss ich noch mit mir ausmachen. Zum Reichstag bin ich ohnehin nicht wahlberechtigt. Egal kann es mir aber natürlich nicht sein. Aber auch wenn ich wählen dürfte, wäre nicht klar, wen. Zwar bin ich nach wie vor Sozi, aber ich sehe trotzdem nicht so ganz, was sie so viel besser machen würden als die bestehende Regierung. Das Angebot, das über das reine Zurückdrehen der Reformen der letzten Jahre hinausgeht, sehe ich (noch) nicht ganz. Vielleicht liegt es aber auch an der Spitzenkandidatin Mona Sahlin, mit der ich einfach nie richtig warm geworden bin. Zudem muss ich sagen, dass ich zwar nicht mit allem in den letzten Jahren einverstanden war, aber die aktuelle Regierung hat ihren Job ganz passabel gemacht.

Ähnlich zwiespältig ist es bei den Parlamenten, die ich wählen darf. Auf Provinzebene, wo es in erster Linie um Nahverkehrsfragen und das Gesundheitswesen geht, bin ich mit der Verkehrspolitik beider Blöcke nicht so ganz glücklich. Die Umgehungsstraße Förbifart wird von linker Seite in Zweifel gezogen und soll einer seltsam konstruierten Volksabstimmung unterzogen werden. Ich halte sie für zwingend nötig und frage mich, welche Alternative es da geben soll. Auf rechter Seite ist man jedoch ziemlich lethargisch, was den Ausbau des Nahverkehrs auf Schienen angeht. Ein paar Straßenbahnprojekte hier und da, aber die U-Bahn ist für die fertig. Ich tendiere klar zu meiner Partei in diesem Fall, aber ich werde mich eingehend mit den Programmen auseinandersetzen. Ein ähnliches Dilemma habe ich in meiner Kommune. Das einzige Thema, bei dem meine Genossen bisher hier in Erscheinung getreten sind, ist der Protest gegen die gewählte Lösung zum Neubau einer Brücke von der Insel herunter. Die konservative Mehrheit will eine neue Brücke schnell bauen und sie über eine Maut refinanzieren. Meine Partei ist dagegen, soweit ich das mitbekommen habe. Dumm nur, dass ich ausgerechnet dabei stark zur Mautlösung tendiere, denn die bestehende Brücke ist jetzt schon jeden Werktag überlastet. Allerdings könnte ich aber auch sagen, dass sie meine Unterstützung gut gebrauchen können, denn Värmdö ist ohnehin sehr konservativ.

Es steht also noch einiges bevor. Den ersten Wahl-O-Mat-Test habe ich schon einmal beim Svenska Dagbladet gemacht. Das Ergebnis finde ich allerdings wenig erbaulich:

Ausriss: svd.se

Brief von der Kandidatin

Marita Ulvskog, Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten in der Europawahl, hat mir eine Mail geschrieben. Im Betreff heißt es

Noch 5 Tage: umgehe die Warteschlangen!

Da frage ich mich natürlich, welche Warteschlangen gemeint sein sollen – vielleicht die im Gesundheitssystem. Sehr gerne, aber um die scheint es sich nicht zu handeln. Auch im Mailtext ist kein Hinweis darauf zu finden. Aber es geht um das Wählen, denn das kann man in Schweden schon seit dem 20. Mai tun – zahlreiche Wahllokale haben täglich geöffnet, damit möglichst viele Leute ihre Stimme abgeben können. Das ist eine gute Einrichtung, die ich mir auch für Deutschland wünschen würde.

Doch zurück zur Grundfrage: die Warteschlangen, die man umgehen soll, sind wohl die vor den Wahllokalen am Sonntag. Da stellt sich aber die Frage, ob die Frau Ulvskog wirklich glaubt, dass es bei einer Europawahl Warteschlangen gibt? Und wenn ja, glaubt sie dann etwa auch an den Osterhasen?

Schock

Der Wahl-O-Mat ist mittlerweile auch in Schweden angekommen. Zwar ist dieses Instrument der Wahlentscheidungsfindung noch nicht so nachhaltig etabliert wie in Deutschland, aber zumindest die Dagens Nyheter hat ein solches System eingerichtet.

Ich mache solche Testes gerne, denn ich möchte auch wissen, ob meine Ansichten einigermaßen mit meiner generellen Parteipräferenz übereinstimmen.

25 Fragen sind es also. Einige Themen sind darunter, die zwar Europa betreffen, aber im Grund gar nicht vom Europaparlament beeinflusst werden können wie beispielsweise die Einführung des Euro in Schweden und die Mitgliedschaft Schwedens in der EU.

Das Ergebnis:
versuch1

Ich war schockiert – sollte ich etwa mit meinen Ansichten am nähesten an einer Partei liegen, die für mich eigentlich eher ein Anachronismus der schwedischen Politik ist.

Also versuchte ich es noch einmal:
versuch1

Noch schlimmer, aber immerhin mehr als 50% Zustimmung zu den Sozialdemokraten. Anscheinend ist es aber so, dass Tendenzen nicht berücksichtig wird. Wenn also eine Partei teilweise einer Aussage zustimmt, man selbst aber voll dafür ist, dann wird das anscheinend trotzdem als nicht übereinstimmend gerechnet.

Es geht aber erheblich detaillierter: der EU Profiler stellt 30 Fragen, die man abgestuft beantworten und auch gewichten kann. Der Unterschied in den Fragen ist, dass sie zu guten Teilen recht allgemein gehalten sind. Das Ziel des Testes ist also nicht nur, herauszufinden, ob man in aktuellen Sachfragen mit einer Partei übereinstimmt, sondern ob man auch deren Wertekanon teilt. Das mag zwar etwas unnötig wirken, ist aber irgendwo sinnvoll, weil ein EU-Parlamentarier schließlich auf vielerlei politische Fragen eine Antwort haben muss.

Das ist das Ergebnis:

2tertest

Ich bin also entweder ein ziemlich linker Zentrist (konservativ, grün) bzw. Folkpartist (liberal), oder eben ein sehr EU-freundlicher Sozialdemokrat. Ein Kristdemokrat bin ich da aber mal gar nicht, und auch die Moderaterna liegen mir nicht viel näher. Damit kann ich schon eher leben.

Bei einem prozentualen Matching gefällt mir das Ergebnis auch recht gut:

euprofiler2

Einen weiteren Test habe ich auch noch gefunden, nämlich den auf makthavare.se.

Dort war das Ergebnis so mittelprächtig:
3tertest

Hier bin ich also am ehesten ein Liberaler.

Das Problem ist im Grunde, dass in Sachen EU keine perfekt passende Partei für mich geben kann. Ich bin für schwedische Verhältnisse extrem pro-EU, innerhalb der Sozialdemokraten eher rechts, im Gesamtspektrum aber leicht links, und eine liberale Komponente gibt es da auch noch.

So ist es wie für jeden anderen Wähler auch – man muss den besten Kompromiss, die größte Schnittmenge finden. Letzten Endes bedeutet das in meinem Fall, zu schauen, ob es Positionen der Sozialdemokraten gibt, mit denen ich nicht leben kann.

Es gibt bislang so einiges, was mir nicht übermäßig behagt. An der von der Piratenpartei aufgeworfenen Frage der Informationsfreiheit und Urheberrecht ist die Partei nicht sonderlich interessiert – gerade hier könnte man sich künftig ein Profil schaffen. Die etwas zögerliche Position zum Euro würde ich auch gerne anders sehen.

Ob solche Dinge genügen, mich zu einer anderen Partei zu ziehen, wird sich aber noch entscheiden. Ich habe ja noch Zeit, zu überlegen.

Halvtid – Halbzeit

Letzte Woche war es überall in den schwedischen Medien: die Regierung Reinfeldt hat die Hälfte ihrer ersten Legislaturperiode hinter sich.
Wenn man den Umfragen trauen will, sieht es nicht gut aus für sie – momentan würden die Sozialdemokraten eine Wahl locker gewinnen. In Stockholm, wo die Sozialdemokraten vor zwei Jahren ebenfalls durch eine bürgerliche Koalition abgelöst wurden, steht man nicht ganz so schlecht da, aber da in Schweden alle Wahlen gemeinsam stattfinden, könnte eine Abwahl der nationalen Regierung auch einen Regierungswechsel im Stockholmer Stadshus bedeuten.

Daher läuft derzeit eine Kampagne, um die Stimmung zu drehen. Letztes Wochenende hing das oben abgebildete Heftchen an meinem Auto. Darin enthalten sind Stockholmer Themen, die nahezu textfrei präsentiert werden. Mehr Polizisten soll es wohl geben, und angeblich auch eine bessere Krankenversorgung. Letzteres kann ich aus persönlicher Erfahrung jedenfalls nicht bestätigen.

Die Kampagne ist aber wohl nur ein Teil eines größeren Plans, wenn ich mir die Entwicklung der letzten zwei Jahre ansehe. Sicherlich sind auch einige Pannen in der Regierung passiert, aber es ist wenig verwunderlich, dass man die Reichen begünstigende Maßnahmen wie die Reduktion der Steuer auf Immobilien und die Erhöhung der Abgaben für die Arbeitslosenversicherung ganz am Anfang vornahm. Zuletzt war es das FRA-Gesetz, das die Gemüter bewegte und noch bewegt. Den Schweden wurde mit der Zeit bewusst, dass die Regierung tatsächlich das macht, was sie vor der Wahl angekündigt hatte. Die meisten hatten aber wohl vor allem deswegen anders gewählt, weil sie genug von Göran Persson hatten.

Nun zur Halbzeit will die Regierung anscheinend eine Charmeoffensive starten und gibt den Wählern viele hübsche Bonbons, damit man in 2 Jahren auch wiedergewählt wird. Ab nächstem Jahr werden die Steuern etwas gesenkt, und schon vor einiger Zeit versuchte sich der Finanzminister – vermutlich der einzige weltweit, der einen Pferdeschwanz trägt – als Schuldensanierer und kündigte an, die Schulden bis 2011 um ca. ein Drittel reduzieren zu wollen. Es bleibt abzuwarten, was noch so kommen wird. Die Schweden lassen sich aber selten durch Steuersenkungen beeindrucken, da sie im Allgemeinen hinter dem Wohlfahrtsstaat stehen.

Wenn ich ehrlich bin: so schlecht hat es die Regierung bislang nicht gemacht, auch wenn das FRA-Gesetz, das einem Abhörfreibrief für den militärischen Nachrichtendienst gleichkommt, eigentlich nicht tragbar ist. Allerdings kann mich auch nicht viel schrecken, denn wenn man aus Baden-Württemberg kommt, dann erscheint einem die bürgerliche Politik Schwedens geradezu als sozialistisch.
Bemerkenswert ist auf alle Fälle die Geschlossenheit der vier Regierungsparteien – es hat zwar in manchen Details etwas geknirscht, aber bislang reißen sich fast alle zusammen, so dass bislang nichtmal versucht worden ist, ein Ende der Koalition herbeizureden.

Es bleibt abzuwarten, ob die Stimmung gegen die Regierung anhalten wird. Meine Genossen mögen schon triumphieren, aber der Wahlsieg ist noch lange nicht in der Tasche. Eine Lichtgestalt ist Mona Sahlin gerade nicht, und bei einer Flaute in der Wirtschaft wird sich noch zeigen, wer dann die besseren Karten hat.

Panoramen (19): Mälaren vom Stadshuset aus

Im Sommer 2006 hatte ich das Vergnügen, unter der damals noch im Amt befindlichen sozialdemokratischen Regierung ein Praktikum im Stadshuset, dem politischen Rathaus der Stadt Stockholm zu machen. Dieses mäßig gelungene Panorama deutet an, welche herrliche Aussicht ich von meinem Arbeitsplatz aus hatte.

Panoramen (16): Zentrale der schwedischen Sozialdemokratie

Panorama: Socialdemokraterna Sveavägen 68

Ich habe zwar vergessen, um welchen Kongress es sich handelte, aber hier ein Panorama vom Versammlungssaal in der Zentrale der schwedischen Sozialdemokraten. Die liegt zwar im Stadtzentrum am Sveavägen, kommt aber ziemlich unscheinbar daher – dafür gibt es freilich noch u.a. ein parteieigenes Kongresszentrum.