Parteinähenteststest

Ich darf den Reichstag nicht mitwählen. Eine aktive Teilhabe an dieser Gesellschaft beinhaltet für mich aber trotzdem, mich mit den Parteien und ihren Zielen auseinanderzusetzen. Zudem darf ich schließlich in Kommune und Län mitentscheiden.

Es wird also Zeit, sich die Themen dieser Wahl anzuschauen und Position zu beziehen. Die Allzweckkeule hierfür ist natürlich der Wahl-O-Mat. Den gibt es in Schweden nicht zentral von einer Stelle, sondern von verschiedenen Anbietern. Was dazu anregt, alle einmal durchzumachen und zu vergleichen.

Mein Ergebnis beim Test von Dagens Nyheter (Ausriss: dn.se)

Der Test von Dagens Nyheter ist recht schlicht. Man hat zu jeder der 28 Thesen zwei ablehnende und zwei zustimmende Optionen. Außerdem kann man wählen, dass man keine Ansicht hierzu hat.

Hier bin ich also Sozialdemokrat, was mich fast etwas überrascht. Vor einiger Zeit habe ich diesen Test schonmal gemacht, und da stand ich bei der Linkspartei hoch im Kurs.

Mein Ergebnis bei Aftonbladet (Ausriss: aftonbladet.se)

Aftonbladet hat bei seinem Test offenbar den Anbieter des EUProfilers gewinnen können.

Er versucht viel mehr ins Detail zu gehen und erlaubt genauere Analysen. Bei jeder der 30 Thesen gibt es zwei zustimmende, zwei ablehnende und eine neutrale Stufe sowie die Möglichkeit, sich nicht zu äußern. Zum Schluss soll man die Parteichefs auf Skalen von 0 bis 10 bewerten – diese Erhebung wird aber getrennt ausgewertet.

Das Ergebnis wird, wie oben dargestellt, auf zwei Achsen gezeigt, so dass man die eigene politische Heimat etwas genauer verorten können sollte.

Wie man sieht, habe ich eine solche nicht. Für die Linken bin ich zu unsozial, für die Rechten zu progressiv. Aber auch hier stehe ich den Sozialdemokraten relativ nahe, wenn man einmal von den Piraten absieht.

Zusätzlich zu dieser Grafik kann man nach Themengebieten getrennt analysieren, welchen Parteien man am nähesten steht. Sogar weitere biographische Angaben kann man machen – darauf habe ich dann aber verzichtet.

Mein Testergebnis von Makthavare.se (Ausriss: makthavare.se)

Auch das unabhängige Politikportal makthavare.se hat wieder einen Test, der gleich prominent auf der Startseite platziert ist. Hier gibt es 26 Thesen, denen man entweder in zwei Stufen zustimmen kann oder sie genauso abgestuft ablehnen kann. Dazwischen gibt es die Option „Weiß nicht“. Nach jedem Thesenklick kann man angeben, wie wichtig einem dieses Thema ist. Auch hier 5 Optionen: zwei Stufen für wichtig, zwei für unwichtig und eine „Weiß nicht“.

Am Ende steht ein Prozentsatz. Laut dem stehe ich also den Grünen nahe, aber auch den Sozialdemokraten und der Feministischen Initiative. Letztere Partei ist für mich immer noch einigermaßen unergründlich. Ursprünglich war das ja eine Abspaltung der Linkspartei. Sie ist notorisch erfolglos, aber erhält nach wie vor nicht unerhebliche mediale Aufmerksamkeit. Weder die ganz linke noch die feministische Ecke ist mein angestammter Platz – trotzdem wurde mir die Partei schon mehrfach bei solchen Tests als zu mir passend ausgespuckt.

Mein Testergebnis beim Wahlportal des Schwedischen Rundfunks (Ausriss: valpejl.se)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich auch nicht lumpen lassen und wartet mit dem Portal Valpejl.se (Wahlpeilung) auf. Neben vielen Details zu allen Kandidaten – u.a. wird aufgelistet, welcher Kandidat am besten verdient – bei dieser Wahl findet sich auch ein Test namens „kompassen“ (Übersetzung nicht notwendig).

Es gibt 50 Thesen zu begutachten. Zu jeder These kann man sagen, ob das ein guter Vorschlag oder ein schlechter Vorschlag ist – mit je 2 Stufen. Weiterhin kann man angeben, dass man nicht antworten möchte. Als Zusatz kann man bestimmte Fragen als Herzensfrage markieren, wenn einem dieses Thema besonders wichtig ist.

Wenn man fertig ist, sieht man ein Resultat wie das obige. Ich finde es betrüblich, dass ich soviel Übereinstimmung mit den Schwedendemokraten habe. Auch hier sind die Sozialdemokraten, Grünen und die Feministinnen gut im Rennen.

Der Clou an diesem Portal ist, dass alle Kandidaten dazu aufgerufen werden, sich auch zu äußern, so dass man individuell die Übereinstimmung überprüfen kann. Hier ist das Bild eindeutig:

Die Kandidaten, die mit mir am meisten übereinstimmen. (Ausriss: valpejl.se)

So stark entfremdet kann ich also von meiner Partei nicht sein.

Offen gestanden erstaunen mich diese ganzen Ergebnisse ein bisschen – dass ich trotz einiger Abweichungen am Ende doch so einmütig den Sozialdemokraten am nähesten stehe, hätte ich nicht gedacht.

Die Frage bleibt wie bei jedem Wahl-O-Mat, ob das wirklich als Wahlhilfe taugt. Schließlich sollte man sich als Wähler mit den Inhalten auseinandersetzen.

Dementsprechend ist der Ansatz des Aftonbladet-Tests sehr löblich, dass er politische Meinung nicht nur als Prozentzahl ausdrücken will. So kann man immerhin einigermaßen ersehen, in welchen Bereichen man welchen Parteien nahe steht. Er zeigt als einziger, dass ich in vielen Dingen zwischen den Blöcken stehe. Bei den anderen Tests besteht hingegen die Gefahr, dass man blind die größte Übereinstimmung nimmt, obwohl eigentlich mit keiner der Parteien etwas gemein hat – das wäre aber natürlich auch der worst case.

Noch 100 Tage bis zur Wahl

In exakt 100 Tagen öffnen die Wahllokale zur Reichstagswahl in Schweden. Und nicht nur das: die Parlamente der Provinzen und Kommunen, die auch von Ausländern (EU und einige andere) mitgewählt werden dürfen, stehen gleichzeitig zur Wahl. Dies macht den Tag zum Höhepunkt des politischen Lebens in diesem Lande, denn bis 2014 steht dann keine einzige Wahl mehr an.

Richtig los geht es freilich erst im Sommer, wenn überall die Hütten (sogenannte valstugor) an zentralen Punkten der Orte stehen, um den Wähler nahezukommen.

Debattiert wird aber jetzt schon im Fernsehen, und die Demoskopen sind auch fleißig. Letztere haben Zahlen erhoben, die vor allem dies sagen: es wird eng und es wird spannend. Die Blöcke sind in den Umfragen der letzten Zeit teilweise gleichauf, und das praktisch zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode. Die „Allianz“, eine Koalition aus 4 bürgerlich-konservativen Parteien, hat nämlich gehalten und funktionierte so geräuscharm wie es sich Angela Merkel derzeit in ihren Träumen ausmalen dürfte. Daher stehen auch die Blöcke geschlossen gegeneinander: die Allianz auf der einen Seite, die „Rotgrünen“ mit den Sozialdemokraten, den Grünen und der Linkspartei auf der anderen Seite. Daran wird sich wohl nichts mehr ändern.

Eine Minderheitsregierung scheint ausgeschlossen, denn die Sozialdemokraten haben sich nach ihrem Wahldebakel 2006t nie ganz gefangen und suchten den Schulterschluss mit den anderen beiden linken Parteien. Es ging zwar aufwärts, aber die Zeiten, als sie wie gottgegeben jede andere Partei mit großem Abstand abhängten, scheinen vorbei: nach aktuellen Umfragen ist nicht einmal gesichert, dass sie stärkste Partei werden.

Hoffnung kann man sich aber machen, denn die gestern veröffentlichten Daten der schwedischen Statistikbehörde, die in der Vergangenheit immer richtig lag, sieht Rotgrün vorne.

Wie ich mich selbst entscheiden werde, muss ich noch mit mir ausmachen. Zum Reichstag bin ich ohnehin nicht wahlberechtigt. Egal kann es mir aber natürlich nicht sein. Aber auch wenn ich wählen dürfte, wäre nicht klar, wen. Zwar bin ich nach wie vor Sozi, aber ich sehe trotzdem nicht so ganz, was sie so viel besser machen würden als die bestehende Regierung. Das Angebot, das über das reine Zurückdrehen der Reformen der letzten Jahre hinausgeht, sehe ich (noch) nicht ganz. Vielleicht liegt es aber auch an der Spitzenkandidatin Mona Sahlin, mit der ich einfach nie richtig warm geworden bin. Zudem muss ich sagen, dass ich zwar nicht mit allem in den letzten Jahren einverstanden war, aber die aktuelle Regierung hat ihren Job ganz passabel gemacht.

Ähnlich zwiespältig ist es bei den Parlamenten, die ich wählen darf. Auf Provinzebene, wo es in erster Linie um Nahverkehrsfragen und das Gesundheitswesen geht, bin ich mit der Verkehrspolitik beider Blöcke nicht so ganz glücklich. Die Umgehungsstraße Förbifart wird von linker Seite in Zweifel gezogen und soll einer seltsam konstruierten Volksabstimmung unterzogen werden. Ich halte sie für zwingend nötig und frage mich, welche Alternative es da geben soll. Auf rechter Seite ist man jedoch ziemlich lethargisch, was den Ausbau des Nahverkehrs auf Schienen angeht. Ein paar Straßenbahnprojekte hier und da, aber die U-Bahn ist für die fertig. Ich tendiere klar zu meiner Partei in diesem Fall, aber ich werde mich eingehend mit den Programmen auseinandersetzen. Ein ähnliches Dilemma habe ich in meiner Kommune. Das einzige Thema, bei dem meine Genossen bisher hier in Erscheinung getreten sind, ist der Protest gegen die gewählte Lösung zum Neubau einer Brücke von der Insel herunter. Die konservative Mehrheit will eine neue Brücke schnell bauen und sie über eine Maut refinanzieren. Meine Partei ist dagegen, soweit ich das mitbekommen habe. Dumm nur, dass ich ausgerechnet dabei stark zur Mautlösung tendiere, denn die bestehende Brücke ist jetzt schon jeden Werktag überlastet. Allerdings könnte ich aber auch sagen, dass sie meine Unterstützung gut gebrauchen können, denn Värmdö ist ohnehin sehr konservativ.

Es steht also noch einiges bevor. Den ersten Wahl-O-Mat-Test habe ich schon einmal beim Svenska Dagbladet gemacht. Das Ergebnis finde ich allerdings wenig erbaulich:

Ausriss: svd.se

Satz mit X

Die Flaggen hängen auf Halbmast, im Radio läuft getragene Musik, die Kronprinzessin lässt ihr Brautkleid in schwarz umfärben. Der nationale Super-GAU ist eingetreten. Zum ersten Mal seit 1958 hat Schweden es nicht in das Finale des Eurovision Song Contest geschafft. Da hat auch der tolle Gitarrenverschwindetrick mitten im Lied nichts geholfen.

Auch die Nachbarn im Westen sind in Trauer mit den Schweden vereint.

Norwegische Zeitung Aftenposten: Wir verstehen nicht, was passiert ist. (Ausriss: aftenposten.no)

Ich übertreibe natürlich ein wenig, aber das ist in der Tat ein schwerer Schlag für ein in konstanter Eurovisionsmanie befindliches Land wie Schweden. Es wird von einem Fiasko gesprochen. Ganz hart wird Expressen:

Überarbeitet den nationalen Vorentscheid oder boykottiert den Scheiß!

Boykottieren wird man die Veranstaltung natürlich niemals. Aber man ist wohl ein bisschen zu erfolgsverwöhnt und hat generell sehr hohe Erwartungen. Man wird sich wohl einige Gedanken machen und vielleicht auch etwas bescheidener werden müssen.