Die totale Amerikanisierung Schwedens

Nachdem ich mir ja schon gestern den Spaß gegönnt habe, deutsche Wahlen nach amerikanischem System zu entscheiden, heute das gleiche für Schweden. 391 Wahlmänner gibt es und somit reichen 146 zum Sieg. Hier hätte sich am Ausgang nichts geändert: Reinfeldt hätte 238 gewonnen, während Persson sich mit 153 hätte begnügen müssen. Das ist auch kein Wunder, denn die beiden größten Län sind derart bevölkerungsreich im Vergleich zum gesamten Land, dass diese beiden Län die Wahl fast alleine entscheiden könnten.

Die totale Amerikanisierung Deutschlands

Wahlmännerverteilung bei der Präsidentschaftswahl 2005

Seit gestern lässt mich ein Gedanke nicht mehr los. Was wäre, wenn man in Deutschland das amerikanische Wahlsystem benutzen würden?

Der Bundeskanzler wäre unser Präsident, die Bundesländer wären Staaten, der Bundestag das Repräsentantenhaus und der Bunderat der Senat. Bayern wäre dann wohl ganz klar Texas, und würde immer republikanisch wählen, auch wenn die Partei dort sicher anders hieße (vielleicht Christian Social Republican Party). Der bayerische Gouverneur hätte dann schon zweimal versucht, Präsident zu werden, wäre aber gescheitert. Baden-Württemberg wäre dann wohl am ehesten Georgia: relativ bevölkerungsreich, ähnlich konsequent konservativ. Nordrhein-Westfalen wäre Kalifornien – eine demokratische Hochburg und nur in seltenen Ausnahmefällen zu knacken, wie 2005 bei der Wahl des Ex-Bodybuilders und Action-Schauspielers Jürgen Rüttgers zum Gouverneur.
Das Saarland wäre das New Hampshire Deutschlands: immer etwas eigenwillig. Zu Zeiten des Gouverneurs Lafontaine wählte man stramm demokratisch, dann wechselten die Wähler zu den Republikanern. Im Moment ist es sogar denkbar, dass Lafontaine, derzeit ein Minority Leader im Repräsentantenhaus und Hobbydemagoge, als Kandidat einer Third Party „The Left“ wieder zurückkehrt.
Wer wäre das Ohio Deutschlands? Vielleicht Hessen, wo das republikanische political animal Roland Koch (gesprochen „Rowländ Kotsch“) sich einen Showdown mit der Demokratin Andrea Ypsilanti lieferte? Nicht zu unterschätzen ist aber auch Niedersachsen, wo man ab und an mal zu den Republikanern umschwenkt. Der dortige Gouverneur Wulff hat aber schon deutlich gemacht, dass er nicht gedenkt, für die Präsidentschaft zu kandidieren.

Wie wäre aber die Wahl 2005 ausgegangen, wenn Deutschland nach amerikanischen System wählen würde? Wer würde in dem herrschaftlichen Amtssitz, den man ehrfurchtsvoll „The Washing Machine“ nennt, residieren?

Das Wahlmännerkollegium hätte dann natürlich so viele Mitglieder, wie die jeweiligen Staaten an Vertretern im Kongress haben – also die zwei Senatoren plus alle Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Letzteres hat bekanntermaßen 598 Mitglieder. Die Verteilung lässt sich nach dem Huntington-Hill-Verfahren berechnen (Ergebnis siehe Karte).

Hier also das hochoffizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahl:

Kandidat / Vize Partei Wahlmännerstimmen
Gerhard Schröder / Joschka Fischer German Social Democratic Congress, Green Party 384
Angela Merkel / Guido Westerwelle Christian Republican Union (alle außer Bayern), Christian Social Republican Party (Bayern), Tax Reduction and Free Market Party 246
Oskar Lafontaine / Lothar Bisky The Left, Concrete Communist Party 0

2005 war also ein klarer Sieg für die Demokraten. Neben den traditionellen Hochburgen Bayern und Baden-Württemberg konnten sich die Republikaner nur Sachsen, das Saarland und Rheinland-Pfalz sichern. Letzteres war dabei eine Überraschung, den der Staat des beliebten Gouverneurs Curt Back war nicht zu den Swing States gezählt worden.
Leider hatte man bei den Demokraten übersehen, dass Schröder gar kein drittes Mal kandidieren darf, was gegen die Verfassung ist. Daher wurde trotzdem Merkel gewählt, die sich mittlerweile großer Beliebtheit erfreut.
Ein solcher Fehler soll den Demokraten nicht noch einmal unterlaufen. Daher hat man schon vor den Vorwahlen den hoffnungsvollen Kandidaten Frank-Walter Stonemeyer lanciert.

Bleibt nur abzuwarten, was die Wähler dazu sagen werden.

Heute morgen, 5 Uhr

Ich erwache auf der Couch vom lauten Jubel, der aus dem Fernseher dringt. CNN hat gerade verkündet, dass ein gewisser Barack Obama zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde.

Große Freude überkommt mich, dass dieses lange und spannende Wahljahr mit diesem Ergebnis zu Ende geht. Nach 8 dunklen Jahren unter einem unfähigen Präsidenten, der sein Land von Krise zu Krise und in einen unsinnigen Krieg geführt hat, besteht nun zumindest die Hoffnung, dass bessere Zeiten anbrechen.

Großen Respekt habe ich auch vor John McCain. Er beendete eine teils unwürdige Kampagne mit einer sehr würdigen Rede.

Für amerikanische Verhältnisse ist es ein Erdrutschsieg, aber eines gibt mir zu denken. McCain hatte eine untragbare Vize-Kandidatin, einen extrem unbeliebten Präsidenten in der eigenen Partei und einen sprunghaften Wahlkampf. Für Obama stellten sich Menschenmassen an den Wahllokalen an, und trotzdem reichte es am Schluss zu nicht mehr als einem Ergebnis von 52% zu 47%. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass die jungen Amerikaner diese Wahl entschieden haben.

Barack Obama wird die nächsten vier Jahre dafür einsetzen müssen, auch die älteren für sich zu gewinnen.

Change

Letzte Woche flatterte eine Benachrichtigung über ein Einschreiben ins Haus. Diese muss man in Schweden nämlich wie die meisten Pakete auch bei der Postagentur abholen.

Es war wie erwartet mein Zeugnis. Nun bin ich also auch offiziell ein „Master of Science“, mit einem „major in physics“, wer es genau wissen möchte. Es ist damit mein Lebenstraum erfüllt: endlich kann ich bei den ganzen unnötigen Meinungsumfragen, an denen ich teilnehme, „abgeschlossenes Hochschulstudium“ als Ausbildung ankreuzen. Kann es ein größeres Glück geben?

Der Titel des Posts lautet aber „Change“ nicht nur wegen meines geänderten Akademikerstatus, sondern wegen der Dinge, die sich auf der anderen Seite des Atlantiks heute abspielen. Ich werde heute nacht mitfiebern. Weil ich begeistert bin, was ein schwarzer Senator mit einer cleveren Taktik und großen Visionen in zwei Jahren geschafft hat und in den kommenden vier Jahren noch schaffen kann. Weil ich mir wünsche, auch in Europa würde man wieder an eine bessere Zukunft glauben und mit ähnlichem Enthusiasmus dafür einstehen. Und, ganz nebenbei, weil ich dann nicht nach Hessen schauen muss.

Clarification

Wer das Video von neulich in seiner Informationsfülle nicht erfassen konnte: hier eine weitere Botschaft.

Jetzt dürfte aber alles klar sein.

PS: Mein anderer Lieblingskandidat, Alan Keyes, wurde doch nicht Überraschungskandidat der Constitution Party. Jetzt darf er erstmal wieder gegen Honorar reden halten, um seine Kriegskasse für 2012 zu füllen.

Klare Botschaften

Ich bin ja schon so gespannt – in 5 Stunden schließen die Wahllokale in Pennsylvania, und ich hoffe natürlich auf Barack’n’Roll.

Trotzdem sollte man natürlich auch den Kandidaten etwas Platz einräumen, die weniger bekannt sind, aber klare Botschaften vertreten.

Heute: Mike Gravel

Das musste ja auch mal gesagt werden.

Fotos

Nachdem ich mich gestern über Fotos aufgeregt habe und Thomas heute berechtigte Kritik an Fotowettbewerben übt, kommt mir mein Lieblingsfoto aus dem bisherigen amerikanischen Wahlkampf ein, nämlich dieses. Es zeigt Alan Keyes – und wie es um dessen Wahlkampf steht, sieht man von selbst. Keyes könnte auf alle Fälle neue PR-Leute gebrauchen, denn wie die Satireseite Indecision 2008 bemerkt:

Wussten Sie, dass Alan Keyes ein sehr großzügiger Arbeitgeber und bereit ist, unausgebildete, unerfahrene Internetredakteure in seine PR-Mannschaft aufzunehmen?

Das ist sehr treffend – anders ist es kaum zu erklären, dass das Foto lange Zeit auf der Startseite war.

Absolut Vodka in den Schlagzeilen

Gestern bei einem kurzen Blick auf CNN bekam ich zufällig einen Disput um Absolut Vodka mit, der in deutschen Medien gar nicht und in schwedischen Medien wenig reflektiert wird.

Absolut hatte eine Anzeige in Mexiko geschaltet, in der die Karte Mittel- und Nordamerikas etwas anders als gewohnt aussah: Dort war ganz Kalifornien und weitere Teile der westlichen USA als Teil Mexikos eingezeichnet. Geziert wurde das Ganze von dem Slogan „In an Absolut World“.

Das sollte freilich amüsant sein, und irgendwie ist es das ja auch. Die Anzeige war natürlich an Mexikaner gerichtet, aber die Zeiten, wo eine Werbung auf ein Land beschränkt war, sind schon seit der inflationären Einführung von Sendungen, die lustige Werbespots aus aller Welt zeigen, vorbei. Amerikaner verstehen offenkundig wenig Spaß, wenn es um ihre Grenzen geht.

US-amerikanische Medien griffen das Thema schnell auf, und nach einigen Protesten wurde die Kampagne eingestellt. Damit aber nicht genug – eine Organisation namens „National Illegal Immigration Boycott Coalition“ bzw. „Americans for Legal Immigration PAC“, die angibt, 100 andere Organisationen zu vertreten, hat mittlerweile sogar eine Boykott-Webseite erstellt. Die Botschaft ist aber etwas verwirrend: Absolut Vodka solle boykottiert werden, weil man jegliche separatistischen Bestrebungen in den USA bekämpfe. Umgekehrt vertritt die Organisation aber all diejenigen, die Immigration von Mexikanern in die USA legalisieren wollen.
Es scheint ein bisschen so, als wäre jedes Mittel recht, auf einer PR-Welle mitzuschwimmen, denn ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass die Ziele dieses Boykotts unmittelbar nachvollziehbar sind oder dass er gar einen nennenswerten Effekt erzielt.

Sehr treffend ist jedoch die Satire auf die Kampagne: Dort wurde die Reklame so abgeändert, dass ein Grenzzaun die USA von Mexiko trennt.

Der Wodkahersteller hat sich mittlerweile entschuldigt. Letztendlich hat die Geschichte wohl mehr Wellen gemacht als die Meldung, dass die vorher staatliche Firma Vin&Sprit, die Absolut Vodka herstellt, nun nach Frankreich verkauft wird.

Ich frage mich, ob die Schweden genausowenig Spaß verstehen würden, wenn man in einer Werbung Skåne wieder Dänemark einverleiben würde. Bis nach Deutschland will ich das Gedankenspiel nicht weitertreiben, denn da wären in jedem Falle die Reaktionen beidseitig der Grenze äußerst heftig.