Irgendwann komme ich nochmal ganz groß raus

Peter Wide – Artificial Human Sensors; der Autor ist ein schwedischer Professor aus Örebro

Meine Bekanntheit als Fotograf ist beschränkt, was vermutlich vor allem dran liegt, dass ich kein übermäßig guter bin. In letzter Zeit bin ich zunehmend unzufrieden. Dass jemand meine Machwerke drucken will, hätte ich aber auch vorher schon nicht erwartet.

Doch es kam anders. Im Februar 2010 meldete sich das Verlagshaus Pan Stanford Publishing bei mir. Man wolle ein Foto von mir verwenden, und zwar dieses:

Mein Platz beim Nobelbankett 2005 – Bild aufgenommen mit einer grottenschlechten Billigkamera und für die Wikipedia bereitgestellt.

Dieses prächtige Bild zeigt das Service, welches sich mir am Nobelbankett 2005 präsentierte. Ich hatte die Lotterie für Studenten gewonnen und durfte teilnehmen. Als Kamera diente eine ND-4020, die ich bei Lidl erworben hatte. Man kann das wohl als Beleg dafür sehen, dass man auch mit einer schlechten Kamera mal etwas Glück haben kann.

Das Foto sollte in dem Buch „Artificial Human Sensors“ von Peter Wide, der an der Universität Örebro lehrt, erscheinen. Die Bedingungen für den Deal waren: Namensnennung und ein Probeexemplar. Mit Geld hätte ich ohnehin nicht gerechnet, und so stimmte ich zu.

Man bedankte sich, und dann geschah erstmal nichts mehr. Gelegentlich schaute ich, ob das Buch denn erschienen war. Das zog sich noch eine ganze Weile hin, nämlich bis in den März dieses Jahres. Von Pan Stanford hörte ich freilich auch danach nichts. 80€ und mehr wollte ich nicht ausgeben, um mein Foto in einem Buch zu bewundern. Also fragte ich beim Verlag nochmal an.

Mit etwas Verzögerung erhielt ich also mein Probeexemplar:

Mein kleiner Beitrag zum Buch: ein Bild vom Nobelbankett 2005

Da ist es also, schwarz-weiß mit dieser etwas allgemein gehaltenen Bildunterschrift versehen. Nicht nur deswegen habe ich auch nicht verstanden, wieso das Bild in dem Buch drin sein soll. Auch die anderen Bilder erscheinen mir eher als Methode zur Vermeidung einer Textwüste, weniger als inhaltlicher Beitrag. Trotzdem diene ich natürlich gerne auf diese Art der Wissenschaft. Bei Gelegenheit werde ich das Buch mal durchschmökern.

Der Witz bei der ganzen Sache ist aber letztendlich: der „Courtesy“, das Bild abdrucken zu dürfen, hätte es gar nicht bedurft. Ich hatte das Foto ka schon in der Wikipedia unter eine Creative-Commons-Lizenz bereitgestellt, die eine Weiterverwendung erlaubt hätte. Man hätte mich also gar nicht nach Erlaubnis fragen müssen. Es hätte genügt, die Lizenz und meinen Namen irgendwo im Impressum zu nennen. Bei einem Verlagshaus müsste man das eigentlich wissen, aber vielleicht wollten sie einfach die ausdrückliche Genehmigung.

Mir soll es recht sein – schließlich wird einem nicht jeden Tag eine solche Ehre zuteil.

Happy Birthday

Da sich die Medien schon Tage im Voraus auf den 10. Geburtstag der Online-Enzyklopädie Wikipedia stürzten, will ich hier keine große Lobeshymnen mehr schreiben. Zumal ich selbst mitarbeite bei diesem Werk, dem feste Daten eigentlich eher fremd sind, denn jede Sekunde wird dort etwas verändert.

Daher verweise ich auch gerne auf dieses tolle Spielzeug, das immer anzeigt, was gerade so geändert wird in der deutschen Wikipedia:

In diesem Sinne: Alles Gute und auf weitere zehn Jahre!

Zur Geburtstagsparty werde ich aber leider nicht kommen – ich weile in einer Stadt, wo es keine solche gibt.

Die Oligarchie und Besserwisserei der Online-Enzyklopädisten

Mit Interesse habe ich diesen Artikel auf Spiegel Online gelesen.

Da ist von der Oligarchie der Wikipedia zu lesen, bei der ein kleiner harter Kern definiert, was relevant ist und was nicht, was Wahrheit ist und was nicht. Von wegen Mitmachenzyklopädie für alle, bei der die Masse in gegenseitigem Wettstreit ein rundes Gesamtprodukt zum Wohle der Menschheit fabrizieren.

Der Artikel hat so recht – und doch so unrecht. Das wirklich interessante an ihm ist, dass er auf Eigenschaften herumreitet, die man gerne mit dem deutschen Kulturkreis verbindet: Besserwisserei, Engstirnigkeit. Dabei fördert er selbst eine Eigenschaft, die man ebenso mit Deutschen verbindet: die Unzufriedenheit.

Wikipedia ist in der Tat eine Oligarchie. Der richtig aktive Kern ist klein, der Neueinstieg für Benutzer ist schon wegen der unkomfortablen Bedienung und wegen des ausladenden Regelwerks eine Herausforderung.

Ist das schlecht? Vielleicht, wenn man es auf den internen Umgang herunterbricht. Wo Menschen zusammentreffen, geht es nicht immer friedlich zu. Es ist für mich die interessanteste Frage hierbei, ob nicht gerade die deutsche Kultur – oder vielmehr ihre Verbissenheit – dafür sorgt, dass die deutschsprachige Wikipedia ein so rigoroses Regelwerk hat. Vielleicht wäre der im Artikel beschriebene Vorfall, bei dem sich die Leute darüber bekriegten, ob ein Turm nun ein Fernsehturm ist oder nicht, in einer anderssprachigen Wikipedia schon deswegen nicht passiert, weil Diskussions- und Streitkultur in anderen Kulturkreisen dies gar nicht zuließen.

Auch das muss nicht schlecht sein, kann es aber. Viel schlimmer ist die Heuchelei, die in der Verurteilung dieser Kultur inne wohnt. Besserwisserei wird als etwas Verachtenswertes empfunden. Ist es nicht grotesk, dass eine Kultur, die Besserwisserei in ihren Zügen trägt, diese so vehement verurteilt? Selbst wenn man nicht über die Vorzüge und Nachteile dieser Eigenschaft sinniert, so bleibt doch einmal festzuhalten, dass einer Enzyklopädie eher ein Mangel an Besserwisserei schaden kann als dessen Übermaß.

Das Problem mit dem Tenor des Artikels – und das lässt sich auf allerlei andere Wikipedia-Kritik übertragen – ist, dass man nicht mit dem zufrieden sein kann, was man hat. Dies ist eine sehr deutsche Eigenschaft, möchte ich behaupten. Diese Haltung zeigt sich daran, dass der Artikel die Schwärmereien über die soziale Revolution anklingen lässt, die Wikipedia hätte sein können: unzählige Menschen aus aller Welt arbeiten zusammen, um einen Wissenspeicher zu schaffen. Alles ist neutral, alles gleicht sich aus, alles wird toll.

Daran gemessen kann die Realität nur scheitern, und sie tut es. Dies führt zu einer paradoxen Situation: Tausende von Menschen arbeiten in ihrer Freizeit für die Errichtung einer kostenlosen und für jedermann verfügbaren Enzyklopädie, die in der deutschen Version über 1 Million Artikel hat. Das wird aber nicht honoriert – im Gegenteil wird umso intensiver nach den Fehlern gesucht. Mir ist es auch schon selbst untergekommen, dass manche sich über die Qualität eines Artikels beschweren als hätten sie dafür gezahlt und müssten nun enttäuscht feststellen, dass die gelieferte Ware schadhaft ist.

Dass man eigentlich eher denen einen Vorwurf machen müsste, die nur konsumieren, geht dabei unter. Die Zeiten scheinen vergessen, als man im Internet zu bestimmten Themen nichts oder nur Fragmente fand, die noch weniger vertrauenswürdig waren.

Der Bogen wird hier noch weiter gespannt, indem nahegelegt wird, die Aktiven der Wikipedia diktierten die Wahrheit. Der Klang des ganzen ist, dass mittlerweile anscheinend die Wikipedia für die Wahrheit gehalten wird und deswegen denjenigen, die sie mit dieser Wahrheit bestücken, Macht ausüben. Das ist aber eher ein Armutszeugnis für die Informationgesellschaft an sich, denn dieser Vorwurf bedeutet letztendlich nichts anderes, als dass Wikipedia nun eine Institution ist, die für sich genommen die Wahrheit repräsentiert.

Man kann einem Projekt, das nie behauptet hat, fehlerfrei zu sein, nicht ankreiden, dass es nicht fehlerfrei ist. Noch weniger kann man ihm vorwerfen, dass sich die falschen Leute für es engagieren – denn offen ist es immer noch für alle.

Kritisieren kann man vielleicht die Strukturen. Ob der Artikel hier einen wirklichen Einblick gibt, sei aber dahingestellt.

Schrumpfende Wikipedia

Mit Interesse habe ich gerade diesen Artikel auf SPIEGEL Online gelesen.

Der Autor mag da in einigem Recht haben. Jedoch beachtet er zwei Dinge nicht:
1. Die Oberfläche der Wikipedia ist dem Durchschnittsbenutzer so schwer zugänglich, dass mittlerweile nahezu jeder potentielle Mitschreiber, der sich in den Weiten des Internets bewegt, sich schon einmal daran versucht hat. Dass bei vielen Interesse und Zeit Grenzen haben, ist nur allzu verständlich. Daher ist es nur natürlich, dass irgendwann der Zustrom neuer Autor auf einem niedrigen Niveau stagniert. Das Projekt hat seine Jugend hinter sich, und so ist es kein Wunder, dass Ab- und Zustrom ein anderes Gleichgewicht erreichen werden als noch vor einiger Zeit.
2. Ein Artikel ist mit dem Einreichen ja nicht beendet. Er muss auch gepflegt werden. Die liberale Politik der englischen Wikipedia hat zur Folge, dass dort viele Artikel praktisch gar nicht mehr auf Vandalismus überwacht werden, weil eine Wartung von niemandem durchgeführt wird. Es ist ein Wildwuchs, der manchmal interessant ist, oft aber nur nutzlos. Egal, wie man Relevanzkriterien setzt, gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Artikeln, die zugelassen werden können. Die deutsche Wikipedia ist sehr nahe an dieser Wachstumsgrenze. Deswegen muss natürlich die kritische Prüfung von Artikeln dazu führen, dass ein immer größerer Anteil der eingereichten Artikel durchfällt. Ein unendliches Wachstum wurde nie postuliert, und daher sollte man es auch nicht als Ziel nehmen.

Insofern krankt die Wikipedia wohl weniger daran, dass ihr die Autoren massenweise weglaufen, sondern an der Zugänglichkeit für die Autoren. Manches hat sich da geändert, aber es bleibt eine Seite, die schlecht zu bedienen ist. Wenn die Wikipedia eine Herausforderung in der Zukunft da, dann liegt diese eher dort als an einem vermeintlich sinnvollen endlosen Wachstum.

Kurzes zum Tage

  • Mit der Tömilen 2008 endete heute die Stockholmer Laufsaison. Es lief mittelmäßig, aber ich war immerhin knapp 4 Minuten schneller als letztes Jahr. Man merkt, dass ich in der letzten Zeit viel zu wenig trainiert habe. Trotzdem spannend und ohne Frage ein Highlight: meine Freundin hat heute ihren ersten Lauf absolviert.
  • Morgen wird es leider auch nicht mehr zum Training kommen, denn ich muss Bus fahren. Zwar hätte ich gerne abgelehnt, aber ich komme momentan ohnehin kaum auf eine Mindestarbeitszeit, und so riskiere ich, diesen Nebenjob zu verlieren.
  • Es wäre eigentlich „Team Stockholm Marathon“ gewesen. Das ist ein Trainingstreff für diejenigen, die Stockholm Marathon laufen wollen. Und das will ich – die Anmeldung steht, und so wird es nach knapp 5 Jahren endlich zu meinem zweiten Marathon kommen. Daür muss ich aber noch mächtig trainieren.
  • Rechts steht daher ein Countdown zu den nächsten anstehenden Läufen. Unter anderem findet sich dort auch ein Lauf im Nachbarort des Dorfes, aus dem ich komme. Die Strecke geht auch an meinem Heimatort vorbei. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal dort würde einen Lauf machen können, denn früher gab es so etwas nicht. Geplant ist ein Halbmarathon mit meiner Schwester zusammen. Momentan versuche ich auch noch, meinen Bruder zu überreden.
  • Apropos Heimat: Selten war mir ein Wikipedia-Artikel ein so dauerhaftes Ärgernis wie der zum ehemaligen Rastatter Oberbürgermeister Klaus-Eckhard Walker. Noch nie habe ich mich mit einer derartigen Geduld immer wieder beleidigen und diffamieren lassen (siehe hier). Wer mich kennt, der weiß, dass ich nie um eine Antwort verlegen bin, aber in so einem Fall sehe ich einfach keinen Zweck mehr, überhaupt darauf einzugehen. Wenn sich irgendein Rastatter oder ein anderer Kenner der dortigen Lokalpolitik berufen fühlt, sich konstruktiv zu beteiligen, wäre ich darüber ausgesprochen erfreut.