Akademische Weihen

Queen's University in Belfast - Die Vorträge waren leider in einem nicht ganz so schicken Nebengebäude (Foto: Fasach Nua, PD)

Heute wird es einmal hochwissenschaftlich. Die Schweigsamkeit an dieser Stelle war nicht nur den tragischen Ereignissen in Norwegen geschuldet. Ich durfte zum ersten (und voraussichtlich einzigen) Mal zu einer großen Fachkonferenz in meinem Bereich mit. Ein sehr interessantes Erlebnis, auch wenn ich gestehen muss, dass das allermeiste der zahlreichen Vorträge, die ich mir angeschaut habe, schon längst wieder vergessen ist. Böse Zungen werden sagen, dass das für viele Wissenschaftler jenseits unseres kleinen Kontinents nur ein willkommener Anlass ist, Urlaub in Übersee zu machen – womit man nicht einmal so falsch liegen dürfte, denn für die Begleitpersonen (sprich Ehegatten) gab es auch Programm. Auch bräuchte es wohl strenggenommen nicht ein Galadinner und zwei Empfänge, um so etwas durchzuführen. Das Flair hat dennoch etwas für sich, denn das Zusammentreffen ist eine spannende Sache und natürlich auch etwas anderes, als wenn man nur online kommunizieren würde. Daher bin ich dankbar, bei so etwas einmal dabei gewesen zu sein. Ganz nebenbei ist nicht zu verachten, dass ich so endlich einmal den Giant’s Causeway zu sehen bekam, der als Poster mein altes Zimmer zierte. Nach weiteren Zwischenstopps bin ich nun wieder zuhause, aber fühle mich bemüßigt, ein kleines Juwel aus dem akademischen Bereich auszupacken.

Neulich erhielt ich eine Mail:

Dear Professor Seitz!

Nein, ich habe keine akademische Blitzkarriere hingelegt. Realistisch betrachtet wird ein „Professor“ auch nie vor meinem Namen stehen, bestenfalls ein „Doktor“. Letzterer ist mittlerweile fast Normalität geworden, denn mit einiger Regelmäßigkeit werde ich in Mails als solcher angesprochen. Freilich bin ich das (noch) nicht, und auch wenn mir in Schweden wohl keine strafrechtlichen Konsequenzen drohen würde, fiele es mir nicht im Traum ein, mich mit solchen fremden Federn zu schmücken. Meist handelt es sich ohnehin um Werbung. Es gibt aber bemerkenswerte Ausnahmen. So wurde angefragt, ob ein von mir geschossenes Bild in einem Buch verwendet werden darf, das anscheinend diesen Herbst erscheint. Ich habe zugestimmt, die Sache mit dem Doktor korrigiert und bin schon gespannt auf das Probbeexemplar.

Als Professor wurde ich aber nur neulich bei einer Fachzeitschrift versehentlich tituliert. Und bei einer ganz besonderen Form des Spam, der einem wohl nur blüht, wenn man im akademischen Betrieb arbeitet. Ich erhalte z.B. regelmäßig Mails von aufstrebenden Fachzeitschriften, die (wahrheitswidrig) behaupten, ich würde in ihrem Bereich arbeiten und solle doch Artikel einsenden. Die Seriösität darf bezweifelt werden.

Relativitätsleugner

Hartnäckig ist auch ein Ungar, der unter dem Betreff „The theories are all wrong“ immer mal wieder darauf hinweist, dass die Relativitätstheorie Nonsens sei und er eine Theorie gebastelt habe, die alles erklärt ohne Relativität. Abgesehen davon, dass das ein mehr als gewagtes Versprechen ist: der Mann hat nicht verstanden, was Naturwissenschaft ist. Theorien werden nicht bewiesen, sondern immer wieder überprüft anhand dem, was sie vorhersagen. Sobald eine Vorhersage den experimentellen Befunden wiederspricht, ist die Theorie hinfällig. Solange also die Relativitätstheorie nicht auf diesem Wege widerlegt wird, ist sie nicht widerlegt. Leider gibt es eine nicht ganz unbeträchtliche Untergrundströmung in der Physik, die sich auf die Scharlatanerie einlässt – leider nicht der einzige Bereich der Wissenschaft, wo das so ist.

Post vom größten Komponisten unserer Zeit

Obige zitierte Anrede stammt aber von jemand ganz anderem, nämlich dem größten Komponisten unserer Zeit: Peter Hübner. Wer ihn nicht kennt, ist ein Banause – man denke nur an sein 144 CDs umfassendes Werk, das er in aller Bescheidenheit im Jahr 1997 veröffentlichte.

Ich habe es mir nicht angehört, aber habe keinen Zweifel daran, dass es pure Brillanz ist. Und daher verwundert mich es auch gar nicht, dass dieser Mann noch genügend Energie hat, um die akademische Welt zu revolutionieren:

It is beyond question: Whoever is seriously interested in the project of the integration of sciences and arts – and especially: who wants to participate or get personally involved in the realization of this supreme known goal of all times in the fields of science and art, for him the personal acquaintance with the higher states of consciousness and especially with intuition is an essential step.
[…]
Also we must take seriously Albert Einstein, when he notes by own experience and tells us:

„Intuition is everything.“
Albert Einstein

Ich verzichte auf das weitere Zitieren dieses Geschwurbels. Bezeichnend ist freilich, dass man mit einem Einstein-Zitat deutlich machen will, dass es sich hierbei um ganz schlaues Zeugs handelt – als ob alles, was ein intelligenter Mensch jemals von sich gegeben hat, pure Weisheit wäre. Sei’s drum: ich habe mir die tolle Webseite einmal angeschaut. Ich halte ja viel von Vielseitigkeit, auch wenn nach besagter Mail nicht wirklich viel zu erwarten war.

Wer klickt, kommt zu einem Studienprogramm. Ich dachte zunächst, man wolle mir irgendwelchen halbseidenen Mist andrehen, aber auch nach einigen Klicks fand ich nur eines: Text, Text und noch mehr Text, gewandet in einem etwas eigenwilligen Design, das massiv auf den Farbbereich blau-gelb-rot setzt, weswegen das alles irgendwie lila daherkommt. Das ist wiederum passend, denn genauso fühlt man sich beim Lesen auch.

Migräne geheilt per Musik-CD – für schlappe 19,90 €

Scharlatanerie gibt es freilich trotzdem, denn hinter dem ganzen Gedöns findet sich die von Hübner eigenhändig erfundene Musiktherapie, die es als CDs zu kaufen gibt. Die Musik soll z.B. gegen Migräne helfen. Der Preis von knapp 20 € pro CD ist zwar nicht ohne, aber gemessen daran, dass man zum gleichen Preis auch ein zwei Fläschchen Wasser oder ein paar Dutzend Zuckerkügelchen kaufen kann (a.k.a. homoöpathische Arzneimittel), die ähnlich wirkungsvoll sind, kann man beruhigt sagen: in der Welt des medizinischen Hokuspokus ist das ein sehr günstiger Preis.

Angeblich finden das eine Menge honorige Wissenschaftler gut. An der Authentizität dieser Testimonials habe ich so meine Zweifel.

Wer komponiert und heilt, der kann auch Politik

Hängengeblieben bin ich eigentlich nur, weil von einer „German Cultural Foundation“ die Rede war, die das Ganze angeblich zusammen mit der „International Philharmony Foundation“, der „German Academy of Sciences“ und „German Academy of Sciences & Arts“ durchführt. Bei soviel German auf einem Haufen kann man sich schonmal fragen, ob das nicht alles ein bisschen rechtslastig ist.

Denn die Deutsche Kulturstiftung, wie sich die German Cultural Foundation auch mal nennt, ist auch politisch aktiv. Direkt angeschlossen ist nämlich „Die Goldene Partei Deutschlands“, die natürlich die wahre Vertreterin des Volkes ist. Es wird die antidemokratische Praxis in Deutschland angeprangert, aber irgendetwas Stichhaltiges wäre mir nicht aufgefallen.

Stattdessen gibt es ohne Ende Texte mit Briefen an irgendjemanden. Die politische Brisanz erreicht ihren Höhepunkt bei der „Post-Affäre“, in der beschrieben wird, welche Schwierigkeiten die Deutsche Kulturstiftung hatte, im Jahr 1983 ihren Telefonanschluss um einen Telexanschluss zu erweitern. Wahrhaft skandalös.

Ich kann jedem, der solchen realsatirischen Nonsens erhalten möchte, nur raten: werden sie Wissenschaftler.