Eigentlich schade…

…dass ich diesen Tipp nicht an die Zeitung geschickt habe. Heute morgen war nämlich ein großer Bericht über meinen alten Wohncontainer in der Dagens Nyheter. Dieser steht nämlich leer, und das bei massivem Wohnungsmangel für Studenten in Stockholm.

Dort ist zu lesen, dass das Gebäude einer Firma gehört und der Vertrag mit der KTH am 1. Juli 2008 ausgelaufen ist. Daher also der Leerstand, der auch damit begründet wird, dass die Küche nicht für die vielen Studenten ausgereicht habe. Das ist natürlich eine leichte Verzerrung der Wahrheit – näher an dieser wäre gewesen, dass ein Herd pro 10 Personen wohl schon ausgereicht hätte, wenn man die Leute dazu hätte bringen können, die von ihnen benutzten Töpfe abzuspülen.

Vielleicht tun die Verantwortlichen das einzig richtige und bauen den Container so um, dass er weniger Studenten fasst, aber dafür eine erträgliche Lebensqualität bietet. Wenn die Wohnungsnot einmal nachgelassen hat, kann man den ganzen Mist dann ja verschrotten.

Übrigens sind Container im Schwedischen immer Müllcontainer. Wohncontainer heißen „barack“ – irgendwie auch passender.

Vertrag unterzeichnet

Vielen Dank für die Glückwünsche zur ersten eigenen schwedischen Mietwohnung!

Mittlerweile ist der Vertrag unterzeichnet. Die Freude ist groß, denn die Wohnung ist wohl nicht schlecht (habe sie selbst noch nicht gesehen).

Einem Durchschnittsdeutschen mag es als grotesk erscheinen, dass jemand den Erhalt einer Mietwohnung, die er nicht einmal selbst gesehen hat, derart zelebriert.
Wenn man aber eine Weile in Stockholm gelebt hat, wird man das gut verstehen können. Wie ich in meinem Auswandererguide umfänglich beschreibe, soll das hiesige Wohnungssystem für mehr Gerechtigkeit sorgen. Daher werden Mietwohnungen zumeist per Warteschlange (Bostadskö) abgegeben. Wer am längsten wartet, kriegt die Wohnung. Das soll dafür sorgen, dass nicht immer der reichere zum Zuge kommt.
In der Realität begünstigt dies aber diejenigen, die vertragswidrig die Wohnung untervermieten, so dass diese Objekte auf dem Schwarzmarkt durchgereicht werden, anstatt den in der Warteschlange stehenden angeboten zu werden. Dazu verzerren die künstlich niedrige Mieten den Markt bei den Wartezeiten, die man haben muss, um eine Wohnung zu erhalten.

Derzeit ist es sehr schwer, eine Wohnung mit unseren Voraussetzungen zu erhalten. Man kann annehmen, dass die Finanzkrise und die damit einhergehenden härteren Kreditbedingungen den Zulauf zum Mietmarkt noch verstärken werden. Diese Leute haben oft viele Jahre passiv in der Warteschlange gestanden und nun genügend Wartezeit angehäuft, um freie Wahl zu haben.
Wir haben jedoch gerade einmal 2 Jahre Wartezeit, in vielen Warteschlangen sogar noch deutlich weniger. Das reicht derzeit gerade einmal für Listenplätze ab 40 aufwärts – aussichtslos.
Wir hatten uns schon frühzeitig darauf verlegt, nur noch in den Warteschlangen der umliegenden Kommunen zu suchen, denn jede Wohnung, die wir bei der Stockholmer Bostadskö kriegen würden, wäre die Wartezeit nicht wert, die wir dafür hergeben müssten.

In unserem Fall spielte das Glück eine erhebliche Rolle. Ich stand seit knapp 2 Jahren in Värmdö in der Warteschlange. Värmdö ist ein gutes Stück außerhalb, wunderschön auf den Schären gelegen. Drei Faktoren dürften Värmdö aber weniger attraktiv machen für die Wohnungssuchenden:

  1. Es gibt zwar eine Autobahn direkt nach Stockholm, aber der Nahverkehr hat die Schwäche, dass es keinerlei Schienenverkehr in die Kommune gibt. Man ist zwar normalerweise in 30 Minuten in der Stadt, aber wenn einmal Wetter oder Verkehrsverhältnisse nicht mitspielen, steckt man fest. Weiter entfernte Teile der Kommune sind zwar landschaftlich ein Traum und in vielen Fällen geradezu ein Schwedenklischee, aber die Fahrtzeiten in die Stadt steigen enorm an.
  2. Die Bostadskö kostet Geld, was nur in wenigen Kommunen des Län der Fall ist.
  3. Die Einkommenssteuern in Schweden sind vom Wohnort abhängig. Man zahlt in Stockholm rund 30%, in Värmdö sind es aber 33%, und das ist für Groß-Stockholm vergleichsweise viel.

Inwieweit dies alles eine Rolle spielt, kann ich nicht beurteilen. Ich erhielt jedoch eine Einladung zur Wohnungsbesichtigung, die meine Freundin wahrnahm. Anscheinend waren nur 4 Leute dazu erschienen, und so reduzierte sich das Feld potenzieller Mieter erheblich. Zwar ist ein Erscheinen keine Pflicht, aber in vielen Fällen wirkt sich dies positiv aus.
Ich war freilich auf Platz 4. Wir gingen daher nicht davon aus, zum Zuge kommen zu können. Drei Wochen später war die Wohnung immer noch nicht vermittelt. Auf Nachfrage teilte man mir vor knapp 2 Wochen mit, ich sei nun auf Platz 3.

Dann letzte Woche der Anruf: was ich denn beruflich machen würde, denn meine Einkommenssteuererklärung von letztem Jahr würde ja nicht viel aufweisen. Ich solle möglichst schnell Unterlagen einschicken, denn die Wohnung wäre schon zum 1. Dezember zu beziehen. Genau dies war wohl auch der Grund, wieso die beiden, die in der Liste vor mir standen, abgesagt hatten: das war denen zu kurzfristig.
Uns natürlich auch, denn das heißt, doppelt Miete zu bezahlen und zu einer Zeit umzuziehen, in der wir nicht an Langeweile leiden. Heute geht es für ein Wochenende nach Berlin, und ab 10. Dezember haben wir fast durchgehend Gäste bis Ende des Monats.
Aber es gab keine Alternativen, und wir wären dumm gewesen, nein zu sagen. Schon alleine die Tatsache, dass wir auf Platz 1 vorgerückt waren, ist ein kleines Wunder, und da durfte das keine Rolle spielen.

So ziehen wir nächste Woche mit viel Stress um – es verspricht ein erlebnisreicher Dezember zu werden.

Förstahandskontrakt

Unverhofft kommt oft – in dem Fall aber nicht ganz so oft. Wir bemühen uns derzeit um einen richtigen Förstahandskontrakt. Das ist ein Mietvertrag für eine vollwertige (d.h. nicht untervermietete) Mietwohnung und damit im Großraum Stockholm ein begehrenswertes Gut. Auf unerwartete Weise sind wir vom einstigen Platz irgendwo in den Top 15 auf Platz 1 nach vorne gerutscht. Eigentlich hatten wir nicht mehr damit gerechnet, zumal wir derzeit überall auf vollkommen aussichtslosen Warteplätzen stehen. Nun gilt es, die Mietfirma von unserer Seriösität und insbesondere unserer finanziellen Potenz zu überzeugen. Es sieht eigentlich nicht schlecht aus, aber die Regeln hier sind recht strikt, und so gilt es, Überzeugungsarbeit dafür zu leisten, dass wir uns eine Wohnung leisten können, die genausoviel kostet wie unsere bisherige. Wir geben unser bestes und hoffen…

Gedanken zum Tage

Es ist fast halb 3 Uhr in der Nacht. Ich bin gerade von der Arbeit zurückgekommen und fühle mich gerade noch so in der Lage, ein paar Dinge über die letzten Tage loszuwerden.

  • Letztes Wochenende war OB-Wahl in Rastatt. Positiv ist aus meiner Sicht ist, dass es zu einer Stichwahl kommt und es zumindest einen aussichtsreichen Gegenkandidaten zum Amtsinhaber gibt, der das Rennen noch spannend machen könnte. Allerdings hat Walker gute Chance auf eine neue Amtszeit, da ihn aus dem Stand 46 % gewählt haben. Es ist mir echt ein Rätsel, wie so etwas zustande kommt. Viele Freunde hat Walker sich in den letzten Jahren ja nicht gemacht.
  • Beim Lesen dieses Artikels kam mir dann auch ein, wer eventuell Kanzlerkandidat der SPD im Jahr 2009 werden könnte: Klaus Wowereit. Wenn wir verlieren, hatten wir wenigstens eine gute Party. Wenn wir gewinnen, haben wir den ersten homosexuellen Regierungschef, was auch sehr innovativ wäre.
  • Nochmal Politik: hier in Schweden hatte die Regierung gerade einjähriges Jubiläum. Die meisten Kommentatoren bescheinigen der Regierung eine mittelmäßige Leistung. Eine umfassende Analyse spare ich mir hier, aber grob gesagt ist es eigentlich so, dass die Regierung genau das macht, was sie im Wahlkampf angekündigt hat – und die Schweden merken so langsam, dass ihnen das doch nicht so gefällt. Die Umfragenwerte sind im Keller und im Detail bemerkt man Dissonanzen zwischen den Regierungsparteien – deren Forderungen stehen sich teilweise diametral entgegen. Das wird die Regierung sicher nicht zerbrechen lassen, aber Zeichen des Bröckelns sind ohne Frage medienwirksam. Der Rücktritt des Verteidigungsministers Odenberg und der Verlust der bürgerlichen Mehrheit in dem an Stockholm nördlich angrenzenden Sundbyberg machten sich deutlich bemerkbar.
  • Seit letztem Wochenende hat der Umzug in eine neue Wohnung begonnen. Mittlerweile war ich schon dreimal bei einem namhaften schwedischen Möbelhaus.
  • Köttbullar und Fressalien am Ausgang sind übrigens nicht etwa ein Exportgag von IKEA – das ist in Schweden selbs nicht viel anders.
  • Ich möchte an dieser Stelle auch die schwedische Ehrlichkeit loben. Bei einem IKEA-Besuch habe ich meinen MP3-Player irgendwo verloren. Tags darauf hatte ich ihn wieder zurück. Ich bin begeistert.
  • Übrigens haben wir nicht alle Möbel von IKEA. Zur Unterstützung der deutschen Wirtschaft haben wir unsere Lampen bei Bauhaus gekauft.
  • Einen sehr mondänen Schreibtisch wollte ich bei einer Konkursauktionenwebseite ergattern. Leider wurde mir das dann doch zu teuer und ich stieg aus. Stattdessen habe ich nun ein vergleichbares Modell, das neu ist und nicht viel teurer. Einen Schreibtischstuhl konnte ich aber für rund 50 € erwerben. Ich hatte mich dabei zunächst gar nicht damit auseinandergesetzt, welche Firma denn da abgewickelt wurde. Jetzt bei der Abholung sah ich es umso deutlicher: es war die Kinokette Astoria Cinemas, deren Niedergang ich schon neulich bedauert hatte. Da ich heute der Zerfledderung der Büroräume beiwohnen durfte und an den Kinos Plakate hängen, dass jetzt gerade Sommerpause sei, ist damit das Ende von Astoria definitiv besiegelt – mit einer Rettung durch einen Investor ist da wohl nicht mehr zu rechnen.

Restart

Nach 13 Tagen Ruhe hier wird es Zeit für ein kleines Update:

  • Ich habe meine Masterarbeit präsentiert. Es lief ganz gut, fand ich. Ich hatte nur 5 Besucher, aber das war auch zu erwarten. Einer machte sich die ganze Zeit Notizen, und ich erwartete, dass er mich am Schluss in die Pfanne hat. Dem war aber nicht so – es wurde eher ein Nostalgietrip darüber, wie man solche Messungen vor 40 Jahren durchführte.
  • Die Klausuren liefen nicht gut. Same old story.
  • Zwischenzeitlich hatte ich gute Hoffnungen, zusammen mit Anita eine Wohnung zu kriegen. Diese Hoffnung hat sich zerschlagen. Nun beobachten wir etwas den allgemeinen Wohnungsmarkt. Über das irrwitzige schwedische System und Parallelen zwischen Trabis und diesem System in Kürze mehr.
  • Ich habe mittlerweile schon eine Menge Busfahrstunden gehabt. So ein Bus ist schon verdammt lang – 12 Meter, um genau zu sein. Das bedeutet, dass man in Kurven sehr weit ausholen und rechtzeitig gegenlenken muss, damit man nicht gegen die Ecke fährt. Allgemein wirkt die Fahrspur auch sehr klein. Die Regel, dass man in einem Tempo-50-Bereich nach Möglichkeit auch 50 fahren soll, sofern es vertretbar ist, sollte man ignorieren. Tempo 30 in der Stadt geht vollkommen in Ordnung, weil mit Autos am Rand möchte man ungern heizen. Das Ganze läuft mittlerweile ganz gut, aber es müssen nun nur noch wenige Ecken daran glauben, und ich übe nun an dem wohl schwierigsten: Kreisverkehre. Sobald die Sachen einigermaßen im Griff sind, hoffe ich, dass es dann auch bald losgeht.
  • Mittsommer steht vor der Tür. Ab Freitag verbringen die allermeisten Schweden ihre Zeit damit, Schnaps und Milch zu trinken, Erdbeeren zu essen und um eine Art Maibaum herumzutanzen. Ich weiß noch nicht so recht, was ich machen werde. Es ist allerdings gut möglich, dass mir das Wetter die Entscheidung abnimmt. Es ist nämlich Regen angekündigt.
  • Ich habe den längst überfälligen Schritt vollzogen und mich aus Deutschland abgemeldet. Das heißt für mich nun, dass ich meine Erwerbseinkünfte aus Deutschland hier versteuern muss, womit ich sicherlich noch viel Freude haben werde. Der Anlass ist am ehesten, dass in Kürze mein Pass abläuft und ich nicht ewig in zwei Ländern gemeldet bleiben kann – anderen Länderm mag das egal sein, aber das deutsche Melderecht mag das gar nicht.
  • Etwas schade ist nur, dass ich im Herbst bei der Rastatter OB-Wahl nicht mitstimmen kann. Eigentlich betrifft es mich ja nicht mehr direkt, aber nach all den Ausfällen von Klaus-Eckhard Walker in den letzten Jahren hätte ich gerne aktiv abgewählt. Die Rastatter sind auch selbst schuld, wenn sie ihm für all die Geschichten noch einmal das Vertrauen aussprechen würden. Umso schockierter war ich, dass die Parteien anscheinend nicht beabsichtigen, Gegenkandidaten aufzustellen. Der CDU war es letztes Mal immerhin gelungen, mit ihrer recht schwachen Kandidatin Margret Mergen fast den Sieg einzufahre. Dieses Jahr sollte dies mit einem anständigen Kandidaten ein leichtes sein. Zum Glück ist ein Gegenkandidat in Sicht, der Interesse angemeldet hat.
  • Zur anderen Politik: Michael Moores neuer Film „Sicko“ geistert schon herum. Ich habe ihn einmal angeschaut. Es ist natürlich wie immer die gleiche Leier: böse Wirtschaftsbosse in den USA und deren Komplizen aus der Politik sind daran interessiert, ein System am Laufen zu halten, das ihnen selbst am meisten nützt. Das ganze wird gewürzt mit plakativen Einzelbeispielen – eines aus Moores Heimatstadt Flint im Staat Michigan – und etwas Bush-Bashing. Letzteres ist aber erfreulicherweise nur in einer stark abgeschwächten Form vorhanden. Eine Weiterentwicklung im filmischen Bereich ist jedoch kaum zu erkennen. Es wäre schön, wenn Moore auch einmal neue Konzepte ausprobieren würde. Sein Anliegen ist wie jedes Mal nicht abwegig: erhebliche Teile der amerikanischen Bevölkerung haben keine Krankenversicherung. Hinzu kommt, dass die Krankenhäuser auch für kleine Behandlungen Unsummen verlangen und die auf Gewinnmaximierung bedachten Krankenversicherungen gerne jede Leistung zweimal in Frage stellen, bevor sie bezahlt wird. Das muss sich ändern, sagt Moore, aber wie immer legt er keine Alternativkonzepte vor. Immerhin zeigt er Gegenbeispiele – wie in „Bowling for Columbine“ ist das Kanada, wo laut ihm alles besser sein soll. Das zweite Beispiel ist Großbritannien, wo der National Health Service für jeden kostenlos sorgt. Dass die Briten mit der kränkelnden Struktur des NHS massive Probleme haben, erwähnt er freilich nicht. Großbritannien erscheint als das Paradies der Sozialgesetzgebung, was für europäische Standards nur sehr bedingt zutrifft – ich erinnere nur an Rentner, die in ihren Häusern erfrieren, weil sie kein Geld für die Heizung haben. Das dritte Beispiel ist Frankreich, was auch eine volle Salve Lob abbekommt. Auch hier gibt es schöne Sozialparadiesaufnahmen, auf die ghettoartige Bilder aus den USA folgen. Ein paar Bilder aus den Banlieus hätte das Bild durchaus abgerundet. Mit dem vierten und letzten Beispiel hat sich Moore meiner Meinung aber zu weit aus dem Fenster gelehnt: Kuba. Michale Moore hat dafür zwar einen wunderschönen Aufhänger gefunden, aber der Rest des Teils macht ihn zunichte. Er hat nämlich herausgefunden, dass die US-Basis auf Guantanamo Bay – für alle, die es nicht wissen: das liegt auf Kuba und ist von den USA durch einen exzellenten Knebelvertrag bis in alle Ewigkeit gemietet – kostenlose medizinische Versorgung für alle Gefangenen auf hohem Niveau hat. Also charterte er ein Boot und wollte von Florida aus mit Kranken, die sich keinen Arztbesuch leisten können, dorthin fahren. Was daraus wird, ist nicht zu sehen, da es, wie es im Film heißt, durch Vorschriften im Heimatschutzgesetz der USA nicht erlaubt, dies zu zeigen. Man kann es sich denken: die Küstenwache fängt ihn ein, bevor er in kubanische Gewässer fährt. Stattdessen fliegt er wohl mit einigen Kranken nach Kuba und chartert dort wiederum ein Boot. Wenig überraschend erhält er keine Antwort. Und weil er da ja schon einmal in Kuba war, kann man gleich dort schauen, wie es um die Gesundheitsversorgung steht. Eigentlich eine nette Überleitung. Meines Wissens ist das kubanische Gesundheitssystem tatsächlich richtig gut. Mit einer „Es ist ja nicht alles schlecht“-Attitüde kann man aber auch die DDR nachträglich zum Paradies auf Erden machen, was sie erwiesenermaßen nunmal nicht war. Also zeigt er keine Bilder von ärmlichen Verhältnissen, gleichgeschalteter Presse und polizeilicher Repression. Stattdessen fährt er in ein Krankenhaus, wo man die Kranken – schätzungsweise nach kurzer Rücksprache mit dem entsprechenden Ministerium – kostenlos und herzerweichend freundlich behandelt.So täuschen die Computertomographie-Geräte schön darüber hinweg, dass nicht alles in Kuba toll ist. Ausgerechnet den US-Erzfeind Kuba zum netten Diktatürchen zu verniedlichen und die dortige Gesundheitsversorgung anzupreisen, wird sogar die eher liberalen Zuschauer in den USA vergrätzen. Das zeigt leider zu deutlich, was Moores Botschaft ist: wir machen es schlecht, und nahezu alle anderen machen es besser. Kuba als Gegenbeispiel darzustellen zeigt nur zu deutlich, wie oberflächlich Moore in der Sache ist. Hätte er besser mit den Briten abgeschlossen – die stehen den USA in vielen Dingen nahe und könnten ein schönes Gegenmodell abgeben. Dennoch muss ich sagen, dass der Film bei mir besser wegkommt als „Fahrenheit 9/11“. Weniger Pathos, weniger herumheulende Leute, obwohl das Thema und die dahinter liegenden Geschichten nicht sehr erbaulich sind. Moore sollte sich nach diesem Film aber einmal etwas Neues überlegen, denn mit dieser Art Film wird er nicht auf ewig volle Kinosäle haben.
  • Zweiter Film des Tages: „Befreiung“, ein Fünfteiler aus der Sowjetunion, der die zweite Hälfte des Zweiten Weltkriegs darstellt. Neben exzellenten Darstellern für Stalin, Hitler, Churchill und Roosevelt hat er auch eine detailgetreue und dennoch propagandistisch hingebogene Version der Ereignisse zu bieten. So ist Graf von Stauffenberg laut dem Film zwar kein Kommunist, aber hält diese für den Wiederaufbau von Deutschland für notwendig – die in den Mund gelegte Aussage kann natürlich nie widerlegt werden. Die „Anglo-Amerikaner“, wie sie nach offizieller DDR-Sprache hießen, haben ohnehin nur Probleme, während Stalin als schlauer Fuchs genau weiß, was abläuft, und den Krieg praktisch alleine gewinnt. Die Franzosen werden als Weiberhelden dargestellt, die die hübschen Sekretärinnen der Sowjets angraben. Rotarmisten, die nicht heldenmütig sind, finden sich nur vereinzelt und werden zur Strafe entweder erschossen oder degradiert. Als sie dann nach Berlin einmarschieren, versuchen sie auch sogleich, die deutsche Bevölkerung mit Wodka und netten Phrasen aus dem Wörterbuch für sich zu gewinnen. Immerhin wurde die Reaktion der Deutschen als skeptisch zurückhaltend dargestellt, damit die Tatsachen nicht vollkommen verzerrt sind. Alles in allem sehr sehenswert und mit gewaltigem Aufwand gemacht.