Ich verkneife mir einen längeren Kommentar zu den Vorgängen in Rostock. Aber wenn ich lese, was Dagens Nyheter heute schreibt, geht mir der Hut hoch.
Der Deutschlandkorrespondet Jan Lewenhagen berichtet da über den 27-jährigen Schweden Jonas, der in Rostock festgenommen wurde. Jener meint nämlich:
Das war das reinste Guantanamo
und sagt von sich selbst, dass er nicht besonders politisch interessiert sei. Einige Perlen der Weisheit hat er auch zu bieten:
Die G8 diktiert die Situation im Rest der Welt
Aber er sei halt trotzdem nach Rostock mitgenommen, weil da ja was los sei, und das sei toll.
Daran, dass er zufälligerweise genauso gekleidet war wie die Leute, die mit den Steinen warfen, ist aus seiner Sicht wohl nichts ungewöhnliches. Er trug nämlich schwarz, obwohl:
Da schmilzt man ja drin!
Außerdem war er maskiert – und er habe nicht gewusst, dass das in Deutschland verboten sei. Dass er wie die ganzen Steinewerfer aussah und auch noch am gleichen Ort war, ist also reiner Zufall. Auch sonst ist er natürlich ein unschuldiges Opfer der Justiz, denn er habe keinen einzigen Stein geworfen. Das halte er für falsch.
Dann habe man ihn einfach so mal verhaftet und eine Lagerhalle gesteckt. Das sei da fürchterlich laut gewesen und wegen des Neonlichts konnte man auf den dünnen Unterlagen, die man ihnen gegeben hatte, nicht schlafen. Ansonsten sei die Polizei aber sehr „seriös“ gewesen.
Heute morgen um 6 sei er dann wieder auf freien Fuß gesetzt worden, mit der Visitenkarte eines Anwalts im Gepäck, der ihn noch in Haft aufgesucht habe.
Seinen Namen wolle er aber nicht nennen:
Sonst macht sich die Mama Sorgen!
Mal im Ernst: Wer soll denn die Geschichte glauben?
Ein angeblich unpolitischer Schwede, der sich rein zufällig genauso kleidet wie gewalttätige Autonome, treibt sich ebenso zufällig bei Krawallen in Rostock herum und wird von der Polizei verhaftet.
Die 10 Stunden in Gewahrsam, in denen sich die Polizisten „seriös“ verhalten haben sollen und man ihm einen Anwalt sowie einen Schlafplatz gab, sollen wie Guantanamo gewesen sein? Wie stellt der sich denn deutsche Gefängnisse vor? Federbetten mit reichlich Bier und Wurst im Kühlschrank???
Und vor allem: wie stellt der sich Guantanamo vor? Er kann sich ja bei Gelegenheit mal mit Murat Kurnaz unterhalten.
Ganz nebenbei, lieber Jonas: wenn man sich vermummt, ist das auch in Deutschland vollkommen legal, sofern man nicht gerade mit einer Waffe in eine Bank läuft oder dabei ist, Polizisten niederzuknüppeln.
Nachtrag: da irrte ich mich selbst – es gibt ein Vermummungsverbot. Im neuen Layout wird die Streichung des einen Zitats oben leider nicht korrekt angezeigt (korrigiert).
Teile deine Ansicht über diesen peinlichen Krawalltouristen und den nicht minder eigenartigen dazugehörigen Zeitungsartikel.
„Da schmilzt man ja drin!“ ist übrigens eine falsche und auch absurde Übersetzung. Mit „Då smälter man ju in“ will Jonas sagen, dass er mit seiner schwarzen Kleidung als einer von vielen mit schwarzer Kleidung in der Menge unter- bzw. aufgeht, also gut getarnt ist.
Danke für den Hinweis – mir war die Redewendung nicht bekannt. Ich hatte das in Richtung sommerliche Temperaturen interpretiert.
Ich werde das ändern.
Richtig!
Als ich den Artikel gelesen habe bin aus allen Wolken gefallen.
Das so ein Artikel in der DN steht, der wohl wichtigsten Zeitung Schwedens, ist ein Skandal. Wiedersprüche vom ersten bis letzten Satz.
Das ist ganz schlechter Journalismus und bietet zudem noch eine Platform für diese Idioten.
Also: schwedische Gefängnisse sind schon sehr komfortabel: Fernsehen, Internet und andere Bequemlichkeiten einschl. Sofa. kein Wunder, daß alle schwedischen Verbrecher, die außerhalb Schwedens geschnappt werden, eiligst eine Überführung nach Schweden beantragen. Auch Saddam wollte im Falle einer Gefängnisstrafe diese in Schweden absitzen. Er wird gewusst haben warum!
Zu den weiteren Bequemlichkeiten des schwedischen Strafvollzuges gehören frei Tage („Permission“) auch für Schwerverbrecher. Sie lassen sich sehr gut dafür nutzen, das Verbrecherleben ausserhalb der Anstalt weiterzuführen, wie die Malexander-Mörder es vorgemacht haben.
Im Vergleich zu schwedischen Gefängnissen nimmt sich jedes andere wie die Hölle aus, vielleicht auch wie Guantanamo.
>Als ich den Artikel gelesen habe bin aus allen Wolken gefallen…..
>….
>Das ist ganz schlechter Journalismus und bietet zudem noch eine
>Platform für diese Idioten.
DN ist eigentlich eine seriöse Zeitung, durchaus kritisch. Aber leider ist in Schweden der unkritische Journalismus auf dem Vormarsch und macht nicht einmal vor den DN halt.
Achja – unschuldige schwarz gekleidete Menschen, die niieemaals auf die Idee kommen würden, mit Steinen zu werfen. Auf faz.net gibt es heute einen Artikel dazu: Die Mustermänner vom Schwarzen Blog
Es ist sehr einfach, schwarz gekleideten Menschen böse Absichten zu unterstellen. Auch wenn es in einigen (vielen?) Fällen stimmen mag, halte ich es für eine gefährlich Tendenz, Menschen anhand ihrer Kleidung zu beurteilen. Handlungen zählen. Beweise zählen. Das ist unbequem für den Rechtsstaat und bedeutet mehr Arbeit und weniger „vorbeugende Sicherheit“. Trotzdem ist es notwendig.
Gruß, Thomas
Meine Absicht war nicht, zu sagen, dass jeder, der maskiert ist, verhaftet werden soll. Wenn allerdings bei einer Krawalle 400 Polizisten verletzt werden und sich zwischen Steine werfenden, schwarz gekleideten und vermummten Autonomen ein nach eigenem Bekunden unschuldiger Schwede herumtreibt, dann ist es nur verständlich, dass die Polizei auch ihn in Gewahrsam nimmt. Bei Vermummten ist es verdammt schwer, zu sagen, wer jetzt gerade den Stein geworfen hat.
In so einem Ausnahmezustand ist eine vorübergehende Festnahme schon berechtigt – man kann bei 200 Randalierern ja schlecht einzeln die Spurensicherung anrücken lassen. Das Verhalten der Polizei war ja insgesamt korrekt. Man hat ihn freigelassen, als klar war, dass er zumindest in nichts verwickelt war, was eine U-Haft berechtigt.
Was mich rechtsstaatlich eher beschäftigt: gestern wurde einer der Randalierer zu 10 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Kann es wirklich sein, dass ein formaljuristisch korrektes Verfahren innerhalb so kurzer Zeit abgewickelt wird, obwohl nahezu alle relevanten Zeugen (Polizisten) selbst alle Hände voll zu tun haben?