Vor kurzem wurde mir bewusst: Ich werde nie in meinem Leben einen Space-Shuttle-Start sehen. Zwar hatte ich es nie zu meinem Lebensziel gemacht, solche Starts zu sehen, aber es ist doch ein gewisses wehmütiges Gefühl dabei. Es wird auf einige Zeit der letzte Start in Florida gewesen sein. Man braucht sich nichts vorzumachen: damit geht die vorerst letzte große Ära des Weltraumflugs zu Ende.
Seit fast 40 Jahren war man nicht mehr auf dem Mond, und das Shuttle war die wirklich letzte große Neuerung in diesem Bereich. Die Russen fliegen letzten Endes ja auch nur mit einem System, das sie seit den 1960er Jahren nur im Detail verbessert haben.
Nun wird das letzte Space Shuttle eingemottet, und man kann nur Danke sagen für dieses einzigartige Transportmittel und seine überragende Leistung.
Was danach kommt, weiß man nicht. Es fällt schwer, irgendwelche optimistischen Visionen einer Rückkehr zum Mond als realistisch zu erachten. Weltraumflug im 21. Jahrhundert wird so sein wie ein Paketdienst: man kommt zum Ziel, aber Postschiffe waren spannender.
Als die Challenger vor 25 Jahren explodierte, war der Musiker Stephen Kay genauso betroffen wie der Rest Amerikas. Er schrieb einen Song, wie man ihn wohl nur in den 80ern schreiben konnte. Leider konnte er ihn damals aber nicht publizieren, auch weil das Internet im heutigen Sinne noch nicht existierte. Nun holt er das zum 25. Jahrestag, der heute ansteht, nach.
Für die meisten ist der Name Challenger vermutlich nur diffus mit einem explodierten Space Shuttle verbunden. Da ist aber noch mehr, nicht nur für Raumfahrtinteressierte.
Politische Verstrickungen und Fehlentscheidungen in der letzten Minute verweben sich hier mit einer menschlichen Tragödie.
Die menschliche Tragödie ist der Tod von sieben Astronauten. Soviele Raumfahrer waren zu dem Zeitpunkt noch nie umgekommen, auch nicht bei einem Unfall auf der Erde. Im Nachhinein sticht aber ein Name besonders hervor: Christa McAuliffe, eine Lehrerin, die im Rahmen des „Teacher in Space“-Projekts ins Weltall fliegen sollte.
Die Politik kommt hier ins Spiel. Die Shuttle-Flüge waren zu der Zeit so aufregend wie eine Busreise, und die NASA war sehr daran interessiert, das öffentliche Interesse anzuregen, damit auch künftig die Geldströme nicht versiegen würden. Eine Lehrerin als Sympathieträgerin aus einer allgemein respektierten Profession in das Weltall zu schicken war dazu perfekt. Das sah auch Präsident Reagan und wies NASA an, genau dies zu tun. Christa McAuliffe setzte sich gegen viele Mitbewerber durch und sollte heute genau vor 25 Jahren die Reise antreten.
Es war der 25. Flug eines Space-Shuttles und zudem stand die Rede zur Lage der Nation von Präsident Reagan unmittelbar bevor. Hier kamen also eine Menge prestigeträchtiger Faktoren zusammen, und die NASA wollte diese Vorlage zum PR-Hattrick nicht verstreichen lassen.
Dementsprechend musste gestartet werden, auch wenn man noch an so einem kalten Tag gestartet war und Probleme mit Dichtungsringen bei niedrigen Temperaturen bekannt waren. Die Ingenieure des zuständigen Unternehmens, die sich dieses Problems bewusst waren, versuchten auch noch, den Start zu verhindern.
Das Management entschied sich aber unter dem Druck anders. Das ist auch der eigentliche Unterschied zum Columbia-Unglück im Jahr 2003, denn da war man sich der Gefahr nicht so bewusst.
Der Rest ist bekannt: die Raumfähre explodierte nach 73 Sekunden, alle Astronauten kamen um. Amerika war schockiert und Christa McAuliffe als tragische Heldin berühmt. Die Bilder ihrer Mutter, die den Tod ihrer Tochter in Cape Canaveral und live vor aller Welt erlebte, gehen auch heute noch unter die Haut.
Für die Geschichte der Raumfahrt ist es ein Bruchpunkt. Die Illusion, man könne mit dem Space-Shuttle billig, schnell, sicher und regelmäßig ins Weltall fliegen, war endgültig dahin. Man drang nicht nur mehr weiter in den Weltraum vor. Auch der vermeintlich reguläre Betrieb im Orbit war kein Routinegeschäft, wie man es zu haben glaubte.
Die Rede der Lage zur Nation wurde um eine Woche verschoben. Stattdessen gab es die obige Ansprache im Fernsehen, die, soweit ich das beurteilen kann, die Amerikaner tief bewegte. Vermutlich braucht es einen großen Präsidenten wie Reagan für einen solchen Moment, der die richtigen Töne fand und in der späteren nur kurz zu Beginn auf die Katastrophe hinwies. Natürlich war aber er letzten Endes derjenige, der am besten durch dieses Debakel hindurchgekommen ist. Obwohl er das „Teacher in Space“-Programm ins Leben gerufen und der Flug sicherlich nicht zufällig so terminiert war, konnte er schließlich derjenige sein, der der Nation Halt gab und Trost spendete.
Die Schuldigen waren in dem Fall auch eindeutig: das Management der NASA wollte den Start um jeden Preis, auch dem von toten Astronauten.
Ein Kapitel der Nachlese ist für mich als Physiker aber von besonderer Bedeutung. Zur Untersuchung des Unglücks berief man nämlich externe Gutachter in ein Komitee, darunter den theoretischen Physiker Richard Feynman, der 1965 den Nobelpreis erhielt. Zwar sind Nobellaureaten immer etwas Besonderes in meiner Branche, aber Feynman ist einer der wenigen, der nahezu überall großen Respekt genießt. Nicht nur, weil er zu den brillantesten Köpfen seines Fachs gehörte, sondern weil er auch in der Lage war, diese Gedanken verständlich herüberzubringen. Seine Vorlesungen sind mittlerweile ein Klassiker.
In der Untersuchungskommission bestach er deswegen auch mit brillanten Vor- und Ausführungen, v.a. diejenige, in der mit etwas Eiswasser die mangelnde Elastizität der Dichtungsringe demonstrierte. Er muss aber auch für seine Kollegen ein schwieriger Mensch gewesen sein.
Er war mit dem Untersuchungsbericht nicht ganz einverstanden und bestand darauf, dass seine Ansicht als Anhang mitpubliziert würde. Diese Ausführungen kulminieren in einem Satz:
For a successful technology, reality must take precedence over public relations, for nature cannot be fooled.
Man kann nur hoffen, dass dies nicht nur in der Raumfahrt beachtet wird.