Stockholm ist nicht gerade bekannt für seine Straßenkunst. Abgesehen von den europaweit umherziehenden Inka-Flötern gibt es praktisch nur noch einen durchgeknallten Obdachlosen, der auf dem Sergels Torg ein auf volle Lautstärke gestelltes Radio an sein Ohr hält und dazu manisch in eine Mundharmonika bläst. Das wilde Herumgetanze dazu ändert nichts daran, dass es sich um eine talentfreie Veranstaltung handelt.
Die Guerilla-Straßenkunst ist allerdings vielfach vertreten. Angemalte Straßenschilder und kuriose Botschaften finden sich überall, wenn man hinschaut. Einer sticht aber heraus: Ernesto Guerra.
Unzählige Zettel, die nur mit diesem Namen bedruckt sind, hängen in der Stadt. Erst vermutete ich eine subversive Werbung für eine Lesung eines bolivischen Schriftstellers. Nachdem aber immer neue auftauchten, war dies wohl auszuschließen, und so konnte ich nur mutmaßen, dass es vielleicht ein politischer Gefangener in Nicaragua ist.
In der Tat ist Guerra nicht so leicht ausfindig zu machen, denn viele Internetseiten gibt es nicht zu ihm. Daher nimmt sich das Ganze sehr mysteriös aus.
Die Wahrheit ist aber banal. Es handelt sich schlicht um Eigenwerbung des Künstlers Ernesto Guerra, der 1988 aus Kolumbien nach Stockholm kam und seit rund 15 Jahren die Stadt mit seinen Zetteln verziert. Dafür hat er auch schon mehrfach Strafen kassiert. Mittlerweile zahlt er 1000 kr, wenn er erwischt wird.
Aber auch sonst findet seine Kunst nicht nur Freunde. So schrieb schon 2006 der Blogger Kris:
Noch jemand außer mir, der findet, dass es höchste Zeit ist, dass Ernesto Guerra aufhört?
[…] Ernesto will nur seinen eigenen Namen wiederholen, immer und immer wieder, und gerne auf Kosten anderer.
In der Tat kommt es mir auch so vor, als würde Guerra nichts anderes machen, als überall seinen Namen zu plakatieren. Vereinzelt finden sich aber auch größere Botschaften:
Quelle: anna_t auf Flickr
Hier berichtet er über seine Prostatabeschwerden. Auch sonst hat er anscheinend allerlei gesundheitliche Probleme – unter anderem leidet er an Schizophrenie.
Es liegt natürlich im Wesen der Kunst, dass sie nicht allen gefällt. Für meinen Geschmack ist es etwas zu eintönig, wenn ein Künstler die meiste Zeit damit verbringt, seinen eigenen Namen zu plakatieren und über seine Krankheiten zu erzählen. Auf der anderen Seite wäre es schade, wenn solche Leute wie er verschwinden würden – das würde das Straßenbild irgendwo auch ärmer machen.