Wie allgemein bekannt, verstehen wir uns gut mit unseren Nachbarn aus den Niederlanden. Das heißt, rein sprachlich gesehen verstehen sie eher eher uns, und wir stellen ihnen im Gegenzug gerne unsere Autobahnen zur Verfügung, damit sie mit ihren Wohnwägen in Urlaub fahren können. Auch Rudi Carrell, Harry Wijnvoord, Linda und John de Mol durften dürfen unsere Fernsehkultur, sofern es so etwas überhaupt gibt, bereichern. Käse und Tulpen genießen in Deutschland ein gewisses Ansehen. All dies ändert sich schlagartig, wenn ein Spiel ansteht, bei dem die deutsche Nationalmannschaft auf ihre niederländischen Kollegen trifft. Die Brisanz potenziert sich, sobald für die betreffende Sportart ein Ball benötigt wird. Der Gipfel ist bekanntermaßen, wenn es sich um Fußball handelt: orangene Autos erhalten Fahrverbot, Wohnwägen werden routinemäßig nach Cannabiserzeugnissen durchsucht, und die Frau an der Käsetheke will von Gouda noch nie etwas gehört haben.
So oder so ähnlich – ich war ja nicht da – muss es sich am Mittwoch zugetragen hatte, als Jürgen Klinsmann mit seinen Jungs nach Rotterdam fuhr, um ein paar Tore zu schießen und eventuell sogar mal wieder gegen eine Spitzenmannschaft zu gewinnen.
Es ist nicht leicht einzugestehen, aber ich vermisse doch etwas das Fernsehen. Der Knackpunkt kam am Mittwoch, als sich das jedes Mal aufs neue historische Duell zwischen Deutschland und den Niederlanden zutrug und ich nur das Radio zur Verfügung hatte.
Das ist eine erstaunliche Erkenntnis, insebsondere weil ich früher beim Kochen immer nur Phoenix und Arte geschaut habe.Zeit, zu versuchen, daran etwas zu ändern.
Ein Fernseher in der Küche scheint derzeit kaum mehrheitsfähig. Ich wäre auch nicht bereit, für einen zu bürgen.
Nebenbei sei erwähnt, dass es in Schweden auch so etwas wie eine Fernsehgebühr gibt. Die genauen Mechanismen sind mir allerdings nicht bekannt. Ein Zettel der schwedischen GEZ ist mir jedenfalls noch nicht in den Briefkasten geflattert.
Ich erinnere mich vage, dass es Versuche gab, Fernsehen über ein Peer-to-Peer-Netzwerk zu verbreiten. Es gibt scheinbar schon ein paar alternative Open-Source-Programme. Was mich freilich mehr interessierte, ist das normale Fernsehen, das man über eine Tv-Karte einspeist und somit weltweit verfügbar macht. Eigentlich wäre auch das ein typisches Open Source Thema, denn die freie Verbreitung von Inhalten liegt im Interesse der Bewegung – eine kommerzielle Software würde schnell in urheberrechtliche Probleme kommen.
Die Suche nach freien Netzwerken, die Fernsehen verbreiteten, gestaltete sich schwierig und brachten überraschende Ergebnisse:
- Bei Cybersky TV wird vollmundig von einem solchem Netzwerk gesprochen. Nur eine funktionsfähige Software scheint es noch nicht zu geben. Zudem ist die Sache kommerziell. Es ist absehbar, dass letztendlich wohl lizenzierte Programme gegen Geld vertrieben werden – gesetzt dem Fall, es tut sich überhaupt noch irgendwas.
- Fündig wurde ich bei Coolstreaming – die Webseite ist, wie unschwer zu erkennen, auf italienisch. Es lohnt sich ein Blick in die englische Version der Seite. Offenkundig wurde diese automatisch von Babelfish übersetzt – dementsprechend falsch ist die Übersetzung. Nichtsdestotrotz funktioniert das Programm. Es werden WMV-Streams angeboten, die dann über einen lokalen Server von dem Windows Media Player aufgerufen werden können. Es mutet schon etwas grotesk an, aber trotz der scheinbar italienischen Herkunft besteht die Programmauswahl aus chinesischen Programmen. Interessant schon deshalb, weil China ja nicht gerade für einen laxen Umgang mit dem Internet bekannt ist. Wünschenswert wäre freilich, wenn ein paar europäische Programme eingespeist würden.
- Damit irgendwie verschwestert, vebrüdert oder sonst wie verbunden ist Sopcast. Auch hier gibt es chinesisches Fernsehen satt, aber auch BBC World – immerhin etwas. Die Qualität ist bescheiden, aber für kurz einmal hineinschauen akzeptabel.
- Zur Coolstreaming-Familie gehören auch Pplive und Feidian. Auf eine Installation habe ich verzichtet. Dieses ganze Netzwerk von nahezu identischen italienischen Webseiten ist irgendwie nicht wirklich überschaubar. Zumindest ist nicht auszumachen, was diese ganze Aktion soll – würde man die Seite in englisch machen, wäre die Sache bedeutend einfacher. Die automatische Übersetzung ist zwar gut gemeint, aber nicht wirklich zweckdienlich. Die Zielsetzung ist scheinbar auch eine andere als die von mir erhoffte: um jeglichen rechtlichen Fragen aus dem Weg zu gehen, bedient man sich asiatischer Kanäle. Dies ist insofern verständlich, als dass die Verbreitung von Sportereignissen stark im Vordergrund steht.
Meinen Wunsch nach einem Verteilernetzwerk für Kanäle, die in Europa ohnehin frei empfangbar sind, kann dies also nicht erfüllen. Entweder gibt es sowas einfach nicht oder ist von der Fertigstellung weit entfernt. Ich werde weitersuchen müssen.
Da die DVB-T-Umstellung hier in Stockholm ohnehin erst 2007 ansteht, kann ich mich vorher wenigstens noch an etwas terrestrischem Fernsehen erfreuen. Allerdings werden dort wohl eher Carolina Klüft zu sehen sein als Michael Ballack – rein optisch würde ich ohnehin zu ersterer tendieren.
Es stellt sich auch die Frage, ob ich mir das Elend auf dem Rasen mit Freuden angesehen hätte. So erbaulich ist es ja anscheinend nicht gewesen.