Kein Hallo mehr

Am Sonntag ging ein Stück schwedische Fernsehgeschichte zu Ende: im öffentlich-rechtlichen Fernsehen SVT trat Justine Kirk als letzte Fernsehprogrammansagerin auf. Nach einem Zusammenschnitt ihrer zahlreichen Vorgänger in mehreren Jahrzehnten dankte sie augenscheinlich etwas gerührt für all die Jahre und kündigte an, dass die SVT-Programme ab dem folgenden Tag, also gestern, je ihr eigenes Erscheinungsbild haben würden und die Programmankündigungen künftig nur noch aus dem Off erfolgen würden. Ein letztes Mal in die Kamera gewinkt, und dann war es vorbei.

Solche Momente tragen immer eine gewisse Wehmut in sich. Jedoch erschien mir Schwedisches Fernsehen, ganz besonders die Kanäle von SVT, in mancher Hinsicht etwas altmodisch, zumindest wenn man es aus deutscher Sicht nimmt. Fernsehansager sind für mich in erster Linie Kindheitserinnerungen. Ankündigungen aus dem Off werden in meiner Erinnerung heutzutage auch nur noch schnell in irgendeinen Abspann eingespielt. Der Trailer ist das Maß der Dinge. Den letzten Sendeschluss hat es im deutschen Fernsehen vor 15 Jahren oder so gegeben. Auf SVT2 war bis vor einiger Zeit nachts und morgens überhaupt nichts los – es gab eine automatisierte Programmtafel, das Testbild oder gar nur Rauschen. Da ich selten nachts schaue, habe ich das nicht näher verfolgt, aber wie ein kurzer Blick ins Fernsehprogramm ergab, sendet SVT1 nun praktisch rund um die Uhr und SVT2 immerhin von 8-2 Uhr.

Es scheint sich also etwas zu bewegen, und dass Hallåorna (also die „Halloer“ und „Halloerinnen“), wie die Ansager genannt werden, nun auch verschweden, ist ein weiteres Zeichen davon. Ob das Fernsehen dadurch besser wird, sei dahingestellt. Einen großen kulturellen Beitrag kann man nächtlichen Füllprogrammen wie „die schönsten Bahnstrecken Deutschlands“ oder dem legendären Super-RTL-Kaminfeuer nun wirklich nicht attestieren. Dennoch wirkt jemand, der das opulente Programm der versammelten Zuschauerschaft vorstellt, in einer Zeit, in der alles immer und überall verfügbar sein soll, etwas deplatziert.

Für Leute, die den Wandel nicht ganz mitgehen wollen, gibt es eine Alternative: auf TV4 sind immer noch Ansager zu sehen.

Die Fernseheiche

TV-Eken, die Fernseheiche (Bild: Holger.Ellgaard, CC BY-SA 3.0)

In der letzten Woche durfte ich per Dagens Nyheter eine Stockholmer Institution kennenlernen: die Fernseheiche. Den Baum habe ich in meiner Busfahrerzeit zigmal gesehen, aber keine weitere Beachtung geschenkt. Dabei ist das nicht irgendein Gewächs: seit rund 2 Wochen hat sie sogar einen eigenen Wikipedia-Artikel, denn sie ist bis zu 1000 Jahre alt und damit eine der ältesten Eichen in Stockholm.

Ihren Namen erhielt sie, weil sie heute direkt vor dem Hauptgebäude des schwedischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens steht. Früher hieß anscheinend auch schon Radioeiche, denn das öffentlich-rechtliche Radio hat seinen Sitz gleich daneben. Dass sie heute dort noch steht, hat sie dem Architekten Holger Blom zu verdanken, der in den 1960er Jahren dafür sorgte, dass die Straße in der Mitte eine große Verkehrsinsel bekam, die dem Baum Platz gab. Leider war das nicht allzu erfolgreich. Die Wurzeln sind schwer angegriffen. Obwohl die Krone gestutzt wurde, gibt es ein erhebliches Risiko, dass Äste herunterfallen. Der Druck durch die Straße und das Beschneiden der Äste führte letztendlich zum Befall und dem langsamen Sterben des Baums.

Sie ist also kaum mehr zu retten. Eigentlich wäre ihr langes Leben letzte Woche Montag zu Ende gegangen, aber eine beherzte Aktion von Freunden der Eiche konnte dies verhindern: sie tanzten um den Baum herum. Sie waren zu allem entschlossen, und einige übernachteten sogar im Geäst.

Für’s Erste hat der Baum eine Gnadenfrist bekommen. Schnell wurde das Thema zu einer politischen Frage. Ein Vorschlag war, die Eiche umfänglich (siehe hier) zu sichern und das Ganze mit der ohnehin in der Ecke geplanten Straßenbahn zu kombinieren. Das könnte sogar eine Touristenattraktion werden. Eine schöne Idee, wie ich finde, wenn auch die Praktikabilität bezweifelt werden kann.
Als botanisch Uninformierter frage ich mich auch, ob das nicht dazu führen wird, dass irgendwann nur noch ein kahler Stumpf übrig bleiben wird.

Erfreulich wäre es in jedem Fall, wenn ein hunderte Jahre altes Lebewesen nicht von 40 Jahren Stadtplanung dahingerafft würde.

Reiche Kanalauswahl

Bei Canal Digital gibt es eine Menge Kanäle, aber einen nicht, wie man in obigem Video sehen kann. Interessant, dass die schwedischen Werbemacher für so etwas Verschrobenes Deutsche verwendet haben. Vielleicht sind wir allseits bekannte Allergiker – wäre mir jedenfalls neu.

Es erinnert mich jedoch an einen schweren Entschluss, den ich kürzlich getroffen habe: vor ziemlich genau 2 Jahren verabschiedete ich mich nach und nach von Comhem, dem größten Kabelfernsehbetreiber Schwedens, über dessen Netz wir auch Internet und Festnetztelefon hatten. Vorangegangen war eine Preiserhöhung, bei der Comhem nicht den Mumm hatte, zuzugeben, dass es wirklich eine ist. Stattdessen wurde sie als „Kartengebühr“ verschleiert.

Der kleinste Tarif, Small, war von dieser Gebühr nämlich befreit, und die meisten Kanäle nutzten wir ohnehin nicht. Eigentlich hätten wir über unseren Vermieter fast alle Kanäle auch (analog) so bekommen können, aber wir behielten des ZDF wegen das digitale Basisabonnement.

In der Zwischenzeit hat sich die Situation aber geändert. Vor einem Jahr wurden praktisch sämtliche Kanäle, die in Small enthalten sind, allgemein auch digital freigeschaltet. Damit bezahlten wir de facto die Monatsgebühr von 39 kr nur, um für nochmal 29 kr mehr das ZDF buchen zu können. 68 kr (gut 7 €) im Monat für einen einzigen Kanal also.

Nun erreichte uns die nächste Änderung. Das im Grunde wertlose Small-Paket wird auch noch teurer: 49 kr soll es nun kosten. Das Motiv ist wohl ziemlich klar: man will auch die letzten Kunden aus diesem Tarif vertreiben.

Nun sind es also 78 kr für einen einzigen Kanal. Die Frage ist nun, wie man darauf reagiert. Satellitenfernsehen scheidet aus, weil keine freie Sicht besteht. Das ZDF über das Internet zu besorgen funktioniert in der Theorie, aber in der Praxis nur allzu oft nicht – viele Sendungen gibt es gar nicht, und ohne deutschen Proxy würde man von einigem Material ausgeschlossen werden. Man sollte außerdem noch in der Lage sein, den Fernseher einfach einzuschalten, was dann auch nicht mehr möglich wäre.

Gerne würden wir zum Internetfernsehen unseres Anbieters Bredbandsbolaget wechseln. Aber dort gibt es kein internationales Angebot, und national sind wir weitgehend durch den Vermieter abgedeckt. Das macht wenig Sinn.

Der einzige Ausweg ist, in den sauren Apfel zu beißen: wir wechseln in den Tarif Medium zurück, den es mittlerweile nur noch in der Version „8 Favoriter“ gibt. Dabei erhält man die Kanäle des Basispakets plus 8 annähernd frei wählbare Kanäle. Man kann die Kanäle jeden Monat austauschen, wenn man lieber etwas anderes haben möchte. Zu den wählbaren Kanälen gehören auch das ZDF und 3sat. Also werden wir das buchen, um für mehr Geld deutlich mehr Leistung zu bekommen.

Groteskerweise wäre nun auch zu überlegen, wieder mit Telefon und Internet zu Comhem zurück zu gehen. Zwar hatten wir einigen Ärger, und Bredbandsbolaget ist aufs Gesamte gesehen eher noch zuverlässiger. Jedoch zahlen wir nun 349 kr im Monat für 24 MBit/s, von denen in Wirklichkeit aber nur 16 bis 17 MBit durchkommen, was bei DSL ja auch nicht ungewöhnlich ist. Bei Comhem hatten wir früher aber in aller Regel 25 MBit. Deren Netz wird derzeit sogar so ausgebaut, dass es bis zu 200 MBit bringen kann.

Ein Wechsel zurück würde die Kosten etwas reduzieren. Die Frage ist nur, ob man sich das nochmal antun will.

[Dank an Thilo für den Tipp mit dem Video]

Schweden, abends um 9

Das Telefon klingelt.

Ich: Hallo.
Sie: Hallo. Ich rufe von Comhem an. [Anm.: mein Kabelfernsehanbieter] Du bist doch Fabian, oder?
Ich: Ja, der bin ich.
Sie: Ich rufe an, weil ich gerne mit dir darüber sprechen würde, wie wir deine Monatskosten mit Internet und Telefonie senken können. Du hast bislang nur TV small [Anm. kleinstmögliches TV-Paket dieses Anbieters] gebucht, oder?

Diesen Gesprächsverlauf hatte ich schon erahnt. Es gibt in Schweden ein Register namens NIX-Telefon, in das man sich eintragen kann und dann nicht mehr mit Werbeanrufen belästigt wird. Ausnahme: Firmen, bei denen man schon Kunde ist, dürfen trotzdem anrufen als vermeintlichen Kundenservice. In Wirklichkeit dienen diese Anrufe aber nur dazu, dem Kunden noch mehr der eigenen Produkte anzudrehen. Nach zahlreichen dieser Gespräche habe ich beschlossen, ab sofort konfrontativ mit Kündigung zu drohen.

Ich: Ja, habe ich. Hör mir zu, ich sage das nur einmal. Wenn ich noch einmal so einen Anruf erhalte, kündige ich sofort.
Sie: Du bist aber nicht nett zu mir. Ich mache hier nur meinen Job.
Ich: Das hat auch nichts mit dir zu tun. Ich bezahle jeden Monat dafür und will keine solchen Anrufe bekommen.
Sie: Stehst du vielleicht nicht im NIX-Register? Den Eintrag muss man jährlich erneuern.
Ich: Das habe ich. Ich stehe im NIX-Register. Tschüss.
Aufgelegt.

Dass ich meinen Eintrag erneuert habe, stimmt nicht, aber ich konnte da keinen Rückzieher machen. Dass man eine jährliche Erneuerung machen muss, ist zudem glatt gelogen, wie ein Anruf bei NIX kurz darauf ergibt. Ich vermute, das ist eine Schutzbehauptung, um solche renitenten Kunden wie mich in die Defensive zu treiben, die sich abends um 9 am Telefon nicht irgendwelchen Mist aufschwatzen lassen wollen, weil sie eine eventuelle Kaufentscheidung auf Basis von Informationen treffen wollen.

Ich habe das Comhem auch gleich noch per Mail mitgeteilt.

Wahrscheinlich haben sie mich sowieso als Kunden verloren. Wir zahlen für den Empfang des ZDF jeden Monat rund 6 € – alles andere ist sowieso in unserer Miete enthalten. Angesichts der Dicke unserer Internetleitung und den umfänglichen Livestream- und Mediathekangeboten bietet es sich eher an, einen alten Computer an den Fernseher anzuschließen und die Geschäftsbeziehung mit Comhem zu beenden. Einen entsprechenden Adapter habe ich mir gerade gekauft.

Fünf Jahre

Da war es wieder einmal soweit: heute sind es auf den Tag genau fünf Jahre, seit ich nach Schweden gezogen bin.

Ich begehe dieses Jubiläum fast schon traditionell mit der Veröffentlichung von neuen Teilen des Auswandererguides. Da viele der „großen“ Themen schon behandelt wurde, habe ich mir dieses Mal ein eher bürokratisches und zwei eher praktische Themen ausgewählt:

Dieses Mal mehr als jemals zuvor freue ich mich über sachdienliche Hinweise und Verbesserungsvorschläge. Gerade Telefon, Internet und Fernsehen sind so umfänglich, dass es durchaus passiert sein kann, dass mir hier wichtige Informationen durch die Lappen gegangen sind.

Singing Bee

Es gibt so allerlei Fernsehformate, die hier in Schweden ausgestrahlt werden, aber noch nicht in Deutschland sind – und bei vielen fragt man sich, wieso eigentlich.

Eines davon ist „Singing Bee“, eine Show, bei der man nicht singen können muss – man muss lediglich den Text können. Das Format läuft in Schweden gut, und es ist amüsant, weil man sich nicht über die Kandidaten lustig machen muss. Selbst ein lausiger Sänger kann ja immer noch den Text können.

Nun ist es auch in Deutschland angelaufen – moderiert u.a. von Oli P., den man damit vermutlich vor Hartz IV bewart hat. Bei SPIEGEL Online sah man die ganze Sache freilich dennoch im Lichte von DSDS – das deutsche Fernsehen ist da auch definitiv mehr vorbelastet.
Ich sehe es aber positiv – die Show verspricht nicht den großen Ruhm und kann ohnehin Verhöhnungen der Teilnehmer auskommen.

Andere Formate, bei denen ich mich frage, wieso nicht schon lange in Deutschland produziert werden, sind:

  • Sjukhuset (Krankenhaus): eine von TV3 produzierte Sendung, die den Alltag in einem Krankenhaus in Uppsala mitverfolgt. Nichts ist gespielt und es kommt recht sympathisch herüber.
  • Så ska det låta (So soll das klingen): ein Dauerbrenner des staatlichen Fernsehens. Prominente sitzen an zwei Klavieren und müssen Lieder raten, die sie dann auch gleich anstimmen müssen. Es gibt zwar nicht wirklich etwas zu gewinnen, aber hat etwas von der alten Samstagabendunterhaltung.
  • Project Runway: Die Sendung ist aus den USA und wird in Schweden wie so viele andere Serien mit erheblicher Verzögerung untertitelt ausgestrahlt. Modedesigner sollen bestimmte Aufgaben lösen und mit ihren selbst verwirklichten Entwürfen die Jury aus Modekennern überzeugen. Moderiert wird das ganze von Heidi Klum. Klingt nach Germany’s next topmoder oder DSDS, aber nicht jeder, der glaubt, etwas zu können, kommt überhaupt in die nähere Auswahl. Die Kandidaten sind oft schon jahrelang aktiv, denn die nötigen Fertigkeiten erlangt man nicht mal eben so. Das dort gezeigte Können ist oft beeindruckend, auch wenn es etwas albern ist, dass Heidi Klum die rausgeflogenen Kandidaten auf deutsch („Auf Wiedersehen“) verabschiedet.

Swedish Television

Ein von vielen Ausländern geschätzter Aspekt des schwedischen Fernsehens ist es, dass es in weiten Teilen englischsprachige Programme sendet, die dann untertitelt sind. Da viele Austauschstudenten nicht wirklich darauf aus sind, schwedisch zu lernen, ist das natürlich sehr bequem.
Schweden war noch nie ein großer Markt, so dass sich Synchronisation nicht lohnt und sich stattdessen die Untertitel durchsetzten. Ich habe schon lange Debatten mit Deutschen darüber geführt, was nun besser ist, und bin immer noch voller Überzeugung, dass Deutschland die Abschaffung der Synchronisation gut täte. Sie ist nicht nur ein Verbrechen an dem Kunstwerk Film, sondern verfälscht die Übersetzung. Nebenbei können die Schweden hervorragend englisch und werden im Gegensatz zu den Deutschen auch einmal gezwungen, zu lesen, was sich in Sachen PISA positiv auswirken dürfte.

Das schwedische Fernsehen ist freilich nicht nur untertitelt, sondern ab und zu auch auf schwedisch.
Allerdings überrascht eine aktuelle Untersuchung von Svenska Dagbladet schon etwas:

  • 58 Prozent des Programms in den 16 größten schwedischen Kanälen sind auf englisch.
  • Stolze 44 Prozent der Sendungen stammen aus den USA.
  • Weniger überraschend: das werbefreie öffentlich-rechtliche Fernsehen liegt mit 85 Prozent schwedischen Sendungen an der Spitze.
  • Trotzdem ist dort auch der Anteil schwedischer Sendungen in den letzten Jahren gefallen.
  • Schlusslicht unter den Vollprogrammen ist TV3, wo gerade einmal 12 Prozent des Programms auf schwedisch ist.
  • Noch extremer treibt es „TV4 Komedi“ – dieser Kanal hat im überwachten Zeitraum kein einziges schwedisches Programm ausgestrahlt.

Die Gründe dafür sind offensichtlich. Seit Privatfernsehen Einzug gehalten hat, suchen die Kanäle nach der billigstmöglichen Art, Programm zu machen, das auch Zuschauer anzieht. Also werden massenweise amerikanische Serien eingekauft, deren Lizenz auf Schweden beschränkt ist und die damit entsprechend billig sind. Die Übersetzung von einer Folge kann dann selbst ein Praktikant an einem Arbeitstag machen, und schon ist das ganze sendefertig.
So ist es nicht verwunderlich, dass Sendungen wie COPS, Oprah Winfrey und Dr. Phil laufen – allesamt freilich ohne jeden Wert für Schweden, aber spottbillige Lückenfüller. Aus dem gleichen Grund werden wohl auch große Serien wie Grey’s Anatomy zu mehreren Tageszeiten immer wieder durchgenudelt.

Dazu passt denn auch, dass Kanal5 55 Prozent seines Produktionsbudgets für Eigenproduktionen ausgibt, aber diese letztendlich nur 14 Prozent des Programms ausmachen – der Rest ist einfach so viel billiger.

Man macht also Programm, indem man wenig selbst produziert und viel zu Festpreisen einkauft. Ob ich das gut finden soll, weiß ich nicht, aber wenn ich mir überlege, mit welchen kulturellen Perlen RTL2 die Zuschauer beglückt, kann es so schlimm nicht sein.

Schwedische Televisionen: Freitag, 15:40 Uhr

Gerade war ich vorne in der Küche und habe mir noch schnell was zu Essen gemacht. Währenddessen habe ich kurz Fernsehen geschaut. Ich bin begeistert, mit was das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine Zuschauer beglückt:

  • auf SVT1, dem ersten Kanal läuft „I Mårtens värld“ (In der Welt von Mårten), ein Künstlerporträt des Malers Mårten Andersson, das aber im Wesentlichen aus mit Musik untermalter Darstellung seiner Bilder besteht.
  • auf SVT2, läuft das Testbild – jawohl, das Testbild. Das eigentliche Programm beginnt erst um 16 Uhr

Irgendwie bin ich froh, dass ich noch kein Gebührenzahler hierzulande bin. Die beiden Hauptprogramme sind echt manchmal etwas dürftig ausgestattet.

Toll ist allerdings, dass diese Woche „Brottsplats: Frankfurt“ lief – Brottsplats (gesprochen ungefähr „Brutzplatz“) heißt „Tatort“. Es handelte sich also um einen Frankfurt-Tatort. Ich habe ihn nicht gesehen, aber es ging wohl wie immer um menschliche Abgründe und Schweinereien.

Peter Antoine

Unbedarfterweise habe ich ja bislang angenommen, dass der von Media Markt seit längerem eingesetzte WerbeträgerPeter Antoineeine Kunstfigur ist, die einen Deutschen darstellen soll.

Nach einem Hinweis in den Kommentaren zu meinem letzten Beitrag habe ich doch noch einmal genauer nachgeschaut. Ich lag ziemlich daneben.

Durch quasi nichtexistenten Fernsehkonsum war mir beispielsweise nicht bewusst, dass Peter Antoine eine kleine Berühmtheit ist in Schweden. Eine Kunstfigur ist er auch nicht.

Der Mann ist Fußballtrainer. Nun mag man sich fragen, ob man von ihm trainiert werden will, aber eine seiner Stationen als Trainer war die „Assyriska Föreningen Södertälje„, ursprünglich ein Einwandererfußballverein, der es vor zwei Jahren sogar in die oberste Liga schaffte. Ich konnte auf die Schnelle nicht herausfinden, unter wessen Anleitung dieser Erfolg gelang, aber ich vermute einmal, dass es nicht Peter Antoine war.

Das alles hat ausgereicht, um ihn zum Fußballexperten bei TV4 und TV5 (in der Sendung „Tipsextra“) zu machen – ersteres ist sozusagen das RTL Schwedens. Dort gab er anscheinend Bewertungen und Prognosen zum europäischen Spitzenfußball zum besten. Wie es auch mit Jürgen Klopp war, war es wohl auch mit Peter Antoine: man hat ihn nicht eingeladen, weil er schon so wahnsinnig bekannt war, sondern er wurde erst durch seine Originalität richtig bekannt.

Für das sorgte wohl alleine schon sein Äußeres – Schnauzbart und getönte Brille sind in dem Fall wohl das Pendant zu Günter Netzers Haarpracht.

Viel mehr trug allerdings sein Redestil bei. Zum Einen klingt er wohl nicht richtig schwedisch, zum Anderen verwendet er inflationär viele Wörter, die man im Fernsehen eigentlich vermeiden sollte. Dies muss so ausgeprägt sein, dass seine Imitatoren jeden Satz mit „jävel“ (verdammt), „förbannad“ (sauer, erbost), „skit“ (scheiße) und „fan“ (eigentlich „Teufel“, aber im Wesentlich ein Fluchwort) ausschmücken.

Einer seiner notorischen Auftritte war in einer Debatte darum, ob man wegen der ganzen Prostitution die WM in Deutschland boykottieren solle. Er wurde gegenüber dem Gleichstellungsbeauftragten des schwedischen Reichstags ausfällig, benutzte Schimpfwörter und befürwortete stark die Legalisierung von Prostitution in Schweden. Das kam vermutlich nicht so wahnsinnig gut an.

Man kann sich grob vorstellen, wie er als Fußballexperte auftritt: selten positiv – eine weitere Parallele zu Netzer – nur dass er niemals so gut gespielt wie dieser und natürlich jenseits jeder Höflichkeit. Vielleicht sollte ich mir das doch einmal anschauen.

Das alles dürfte einigermaßen erklären, wieso man bei Mediamarkt einen solchen Werbeträger haben wollte. Er macht einfach genug Krawall, um entsprechende Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Offenbar ist die Schmerzgrenze auch dann nicht überschritten, wenn man ihm einen Professorenhut aufsetzt und ihn dümmliche IQ-Tests präsentieren lässt.

Die finale Frage bleibt aber: wieso verkörpert er Deutschenklischees?

Die Antwort ist einfach, denn er wurde (laut seines schwedischen Wikipedia-Artikels) 1944 in Essen geboren, ist mit Åsa Antoine (dem Vornamen nach zu urteilen ursprünglich von hier) verheiratet und lebt heute im südschwedischen Sölvesborg. Wie lange er oder ob er überhaupt jemals längere Zeit in Deutschland gelebt hat, geht aus dem Artikel leider nicht hervor.
Tja, liebe Landsleute, manche unserer eigenen Promis kennen wir selbst nicht. Irgendwie können wir da auch ganz froh sein.

PS: Um den Herren Klopp und Netzer kein Unrecht zu tun, möchte ich noch anmerken, dass die beiden ausschließlich bei Länderspielen zum Einsatz kommen. Peter Antoine hingegen ist anscheinend da im Privatfernsehen präsent, wo man ihn gerne haben möchte. So hat er beispielsweise auch bei der Reality-TV-Sendung „FC Z“ mitgemacht, in der es darum ging, aus 15 Nerds eine Fußballmannschaft zu zimmern.

Auf Entdeckungssafari

Seit ziemlich genau 25 Stunden bin ich wieder auf deutschem Boden. Fremd fühle ich mich natürlich nicht hier, aber einige Dinge fallen doch auf.

  • Im Stuttgarter Flughafen hat eine Filiale der Bundesagentur für Arbeit eröffnet. Wer zur Arbeitssuche dorthin fährt, ist natürlich die große Frage. Offenbar will man schon bei der Einreise eventuell entstehende Arbeitslosigkeit effektiv bekämpfen.
  • Auf der A8 haben die Baustellen (und wohl auch die Staus) eine Rekordlänge erreicht. Interessant wäre, zu wissen, ob denn auch irgendwann mal so etwas wie eine Autobahn dabei herauskommt.
  • Meine Eltern haben dank digitaler Technik über 200 Kanäle, darunter „Aah TV“ (Telefonsex), „Flirtcafé TV“ (Telefonsex getarnt als Dating) und „Uschi TV“ (Das M wurde vergessen). Ähnlich intellektuell tiefschürfend ist das Dutzend Homeshopping-Kanäle, darunter der Schmuckkanal. Grenzdebile Hartz-IV-Empfänger erreichen so schneller den Zustand vollkommener Verblödung. Die Zukunft des Abendlandes ist also zweifellos gerettet.
  • Man versucht in der Werbung, den Rauchern zu erklären, dass es ab 1. Januar nur noch mit Karte Zigaretten am Automat gibt. Ich freue mich trotzdem schon auf fluchende Raucher.
  • Yufka ist etwas, das definitiv in Schweden fehlt.
  • Ich werde eine neue Rubrik einführen. Sie heißt „nicht schade“, und die ersten zwei Folgen hätten eigentlich Augusto Pinochet und Saparmyrat Nyýazow sein müssen. Vielleicht stirbt ja in Kürze noch jemand, über dessen Tod man sich zynisch freuen darf.