Meine 5 Cent zu Stuttgart 21

Ich sage ganz offen: mir ist Stuttgart 21 egal.

Es ist ein tolles Projekt, aber irrsinnig teuer. Man kann es machen, aber es bleibt jedem selbst überlassen, zu beurteilen, ob sich das Geschäft lohnt.
Das Ganze riecht nach der Art Größenwahnsinn, die auch die Bayern beseelt hat, als sie den Transrapid in München haben wollten. Wenn man schon hinnehmen muss, dass Nauru ein souveräner Staat ist und man selbst nicht. Dass Berlin weit weg ist und man von dem Rest der Republik als putzig-bieder belächelt wird. Dann muss man eben auf anderem Gebiet zeigen, dass man in Wirklichkeit der Größte ist.

Die Gegner wurden erst dann laut, als die Bagger schon rollten. Dabei hätten zahlreiche Bedenken wie die Gefährdung der Heilwasserquellen und die vermeintlich mangelnde Kapazität des neuen Bahnhofs schon vor Jahren geäußert werden können. Man kann es nicht nur auf die Finanzen schieben, die nun aus scheinbar heiterem Himmel aus dem Ruder liefen. Die Befürworter haben sich aber auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert durch die Ignoranz, mit der man dies alles nun durchpeitschen will.

Ich habe gestern mit an Entsetzen grenzenden Erstaunen die Räumungsaktion bei Twitter und entsprechenden Livestreams verfolgt. Auf die dort oft verwendete Hausbesetzerargumentation lasse ich mich nicht ein. Ein Projekt ist nicht erst dann demokratisch legitimiert, bis man auch den letzten Sitzblockadler überzeugt hat, aufzustehen. Demokratie ist nicht, dass der Wille des Einzelnen geschieht, sondern der der Mehrheit. Rechtstaat ist nicht, dass es immer gerecht zugeht, sondern dass ein Staat sich an die Spielregeln hält.

Wie Baden-Württemberg regiert wird

Deswegen gilt meine Kritik auch nicht der Polizei, sondern denen, die dies angeordnet haben, denn über die sagt der ganze Vorgang sehr viel aus. Nämlich, dass Baden-Württemberg von einer Gruppe selbstgefälliger Politiker regiert wird, die glaubt, sie hätte die Macht gepachtet.

Die CDU passt in ihrer Biederkeit erschreckend gut zum Ländle, und so regiert sie seit 1953 ununterbrochen. Das Ergebnis ist, dass jeder, der politisch etwas auf dem Kasten hat, früher oder später nach Berlin geht. In Stuttgart bleiben übermäßig wohl genährte Politbürokraten zurück, die nicht einmal den Anschein erwecken wollen, sie seien einst wegen idealistischer Ziele zur Politik gekommen. Ob Teufel, Oettinger oder Mappus: sie würden es in den USA nichtmal zum Kleinstadtbürgermeister bringen.

In BaWü saßen bzw. sitzen sie aber fest im Sattel, denn das Volk wählt „ihre“ CDU aus Gewohnheit immer wieder. Die Situation ist derart deprimierend, dass bei SPD und Grünen die Talente auch nach Berlin geflohen sind und sich im Landtag die gleiche Sorte provinzieller Langeweile als immerwährende Opposition eingerichtet hat.

Wenn man wie Stefan Mappus 25 Jahre lang erlebt hat, dass eigentlich immer das gemacht wird, was CDU (und ggf. FDP) untereinander ausgekungelt haben, dann ist das absolute Unverständnis über die aktuelle Entwicklung kein Wunder. So etwas hat man in diesen Kreisen noch nicht erlebt und man ist auch nicht darauf vorbereitet.

Desillusionierte Jugend

Der eklatante Mangel an Feingespür wird tiefe Spuren hinterlassen, denn nun hat auch das konservative CDU-freundliche Milieu gemerkt, dass es der Partei und v.a. ihrer Führung ziemlich egal ist, was die Leute über ihre Vorhaben denken. Wäre es anders, hätte man gewusst, dass das Vertreiben weitgehend friedlicher Demonstranten – zu guten Teilen Kinder und Jugendliche – unter Einsatz solcher Mittel nur kontraproduktiv sein kann.

Wie haben diese Leute sich das vorgestellt? Unsummen in Polizei und Sicherheitsdienste stecken, um zehn Jahre lang unter Hochsicherheitsbedingungen zu bauen?

Die derzeitigen Ereignisse haben und werden tiefe Wunden reißen, die lange nicht verheilen werden. Man schafft sich eine Zeitbombe, indem man jungen idealistischen Menschen vermittelt, dass ihre Meinung nichts zählt und sie das im Fall der Fälle auch mit Gewalt zu spüren bekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nach Hause gekommen sind mit dem Gefühl, in einer Demokratie zu leben. Sie tun es trotz allem – aber werden sie sich künftig an ihr beteiligen?

Die Landesregierung hat mit ihrem Vorgehen offenbart, wie es wirklich steht um die Landespolitik im Ländle. Ich hoffe, die Wähler werden am 27. März dafür die Quittung präsentieren.

Hoppla

Sky Europe ist pleite. Mit der Fluglinie bin ich dereinst auf der schon lange eingestellten Route Stuttgart-Bratislava in letztere Stadt geflogen. Und zwar in einem Flugzeug, das ungefähr so groß wie ein Bus war. Es gab sogar ein abgepacktes Sandwich, das von einer einzelnen Stewardess (für mehr wäre wohl auch kaum Platz gewesen) an die ca. 10 Fluggäste verteilt wurde. Der Flug ist ebenso unvergessen wie der tolle Trip durch Osteuropa danach. Von der Fluggesellschaft wird aber bald wohl keiner mehr sprechen. Schade irgendwie.

Auf Entdeckungssafari

Seit ziemlich genau 25 Stunden bin ich wieder auf deutschem Boden. Fremd fühle ich mich natürlich nicht hier, aber einige Dinge fallen doch auf.

  • Im Stuttgarter Flughafen hat eine Filiale der Bundesagentur für Arbeit eröffnet. Wer zur Arbeitssuche dorthin fährt, ist natürlich die große Frage. Offenbar will man schon bei der Einreise eventuell entstehende Arbeitslosigkeit effektiv bekämpfen.
  • Auf der A8 haben die Baustellen (und wohl auch die Staus) eine Rekordlänge erreicht. Interessant wäre, zu wissen, ob denn auch irgendwann mal so etwas wie eine Autobahn dabei herauskommt.
  • Meine Eltern haben dank digitaler Technik über 200 Kanäle, darunter „Aah TV“ (Telefonsex), „Flirtcafé TV“ (Telefonsex getarnt als Dating) und „Uschi TV“ (Das M wurde vergessen). Ähnlich intellektuell tiefschürfend ist das Dutzend Homeshopping-Kanäle, darunter der Schmuckkanal. Grenzdebile Hartz-IV-Empfänger erreichen so schneller den Zustand vollkommener Verblödung. Die Zukunft des Abendlandes ist also zweifellos gerettet.
  • Man versucht in der Werbung, den Rauchern zu erklären, dass es ab 1. Januar nur noch mit Karte Zigaretten am Automat gibt. Ich freue mich trotzdem schon auf fluchende Raucher.
  • Yufka ist etwas, das definitiv in Schweden fehlt.
  • Ich werde eine neue Rubrik einführen. Sie heißt „nicht schade“, und die ersten zwei Folgen hätten eigentlich Augusto Pinochet und Saparmyrat Nyýazow sein müssen. Vielleicht stirbt ja in Kürze noch jemand, über dessen Tod man sich zynisch freuen darf.