Schneechaos

So sah es gestern abend vor unserem Haus aus: 50 cm Schnee, der in den letzten 24 Stunden gefallen ist. Heute morgen hatte sich daran nichts geändert. Die Schneepflüge werden woanders mehr gebraucht.

Winter in Schweden ist nun wahrlich keine Überraschung, auch wenn er meistens erst so richtig im Januar kommt.

Was gestern los war, sprengte aber so ziemlich alles, was ich in 7 Jahren in diesem Land so erlebt habe. Am eigentlich gut auf den Winter vorbereiteten Flughafen Arlanda waren zeitweis beide Startbahnen dicht. Als man eine wieder offen hatte, zog man Abflüge vor, so dass kaum jemand landen konnte. Besonders schlecht für eine gute Freundin, die zu Besuch kommen wollte. Sie musste schon im Sommer ihren geplanten Trip wegen Organisationschaos (Radarausfall etc.) am deutschen Flughafen abbrechen. Gestern wurde sie dann erneut Opfer höherer Gewalt, wenn auch dieses Mal einer anderen: das Flugzeug wurde von den Planungsgenies bei SAS zwar Richtung Frankfurt losgeschickt, aber aus dem geplanten Abflug um 12:15 Uhr wurde dann nach und nach 21 Uhr, bis der Flug endgültig abgesagt wurde. So musste die Freundin wieder unverrichteter Dinge abziehen und kommt irgendwann einmal wieder nach Stockholm, aber nicht dieses Wochenende. Das ist auch der Unterschied zwischen SAS und Ryanair: letztere hätten das Flugzeug erst gar nicht losgeschickt, weil eine lange Standzeit an einem fremden Flughafen teuer ist und den Flugplan noch mehr durcheinanderbringt als sowieso schon. Ryanair fährt dicke Gewinne ein, SAS ist fast pleite. An solchen Tagen fragt man sich nicht, wieso. Ich selbst frage mich höchstens, welcher Teufel mich dereinst geritten hat, SAS-Aktien zu kaufen – derzeit bin ich bei rund 90% Wertverlust.

In der Uni. Selbst in solchen engen Durchgängen stand der Schnee hoch.

Aber auch sonst stand gestern alles. Morgens musste ich schon die Tür gegen den Schnee aufschieben. Der Direktbus kam nicht, was aber schon einmal sonst passieren kann. Andere und ich stapften durch den Schnee ins Zentrum, wo eine der Hauptlinien fuhr. Der Weg zur Arbeit dauerte länger, aber es ging. In den folgenden Stunden spitzte sich die Situation zu. Die S-Bahn Pendeltåg brach fast vollständig zusammen. Menschen saßen stundenlang in Zügen fest. Auf Lidingö entgleiste der Nahverkehrszug Lidingöbanan. Ersatzbusse kamen keine, denn woher hätten die denn kommen sollen? Der Busverkehr wurde ja auch reduziert. Ab spätestens 13 Uhr war auch bei uns auf Värmdö Schluss mit Nahverkehr. Am späteren Nachmittag fuhren praktisch nirgends Busse.

Schwere Unfälle gab es en masse. Lastwagen, die in den Graben gerutscht waren und aufgegebene Autos sollen in weiten Teilen der Region vorgekommen sein. Zwei Verkehrstote wurden gestern vermeldet.
Die Menschen hier nehmen die Situation recht stoisch hin, und das sollte man auch, denn es kann gar nicht genügend Schneepflüge für diese Massen geben. Manche gingen eben 15 km nach Hause oder übernachteten bei Freunden.

Unser Zentrum: schwer mit Schnee belastet

In Gedanken spielte ich schon die Option durch, die Nacht in der Stadt zu verbringen. Ich hatte aber wiederum Glück, auch auf dem Heimweg. Die U-Bahnen fuhren, und den hochgefährlich eingeschneiten Stationseingang konnte man mittels Aufzug umgehen. Die Hauptlinien der Busse gingen gegen 17 Uhr wieder unregelmäßig, und so schaffte ich es auch direkt zurück – und ich kann nicht einmal sagen, dass im Busterminal bei Slussen viel los gewesen wäre. Die Bilder in unserem Viertel machten aber das Ausmaß deutlich. Leute versuchten, ihre Autos vom Schnee freizuschaufeln. Viele hatten die Autos gleich auf der Straße geparkt weil sie auf dem Parkplatz steckengeblieben wären. Unser eigenes Gefährt ist auf der vorderen Hälfte unter einem Berg von Schnee begraben. Ohne Freischaufeln wird man da nicht mehr rauskommen. Der Fußweg zu unserem Haus, der in der Regel jede Nacht geräumt wird, ist immer noch knietief mit Schnee bedeckt.

Zu meinem Erstaunen kam der Bus heute morgen noch, als ich schon loslaufen wollte. Mit einiger Verspätung freilich, und auch einige Haltestellen mussten ausgelassen werden, weil der Bus es da nicht durchgeschafft hätte. Aber: nach 85 Minuten war ich auf Arbeit. Die Normalität gewinnt schnell wieder Oberhand.

Aber es wird wohl noch einige Tage dauern, bis alles wieder im Lot ist.

Februar-Schneechaos

Da sinkt man tief: Schnee von nur einer Nacht

Der Monat Februar gehört nach meiner bisherigen Erfahrungen nicht zu den akut schneechaosverdächtigen, aber man wird immer mal wieder überrascht. Da kam seit gestern abend so viel runter, dass heute morgen um 6:30 Uhr sämtlicher Busverkehr in der Provinz Stockholm eingestellt wurde. Nahverkehrsbahnen waren auch teilweise betroffen. Das habe ich so eigentlich noch gar nicht erlebt, aber ist wohl eine Reaktion auf das Chaos des letzten Winters: lieber die Busse reinholen als dass sie irgendwo festhängen.

Erst gegen die Mittagszeit wurde in unserer Richtung der Verkehr langsam wieder aufgenommen. Daher bin ich auch erst nachmittags los und kam mir vor der Haustür vor wie im Hochgebirge. Mittlerweile normalisiert sich die Situation wieder.

TÜV mit Hindernissen

Blick nach draußen: optimales TÜV-Wetter...

Ich hatte mir alles so schön ausgedacht: rechtzeitig vor dem Winter wechsele ich die Reifen und lasse die Tachobeleuchtung im Armaturenbrett reparieren. Dann kann ich vor Schnee und Eis zu Bilprovningen, dem schwedischen TÜV, fahren und die Sache ist erledigt. Es läuft hierzulande nämlich so, dass man je nach Endziffer des Kennzeichens jedes Jahr in einem bestimmten Zeitraum zur Überprüfung muss. Bei mir ist das September bis Januar.

Brillanter Plan mit Hindernissen

Da es bei sehr kaltem Wetter schonmal passieren kann, dass die Türen nicht mehr aufgehen (letzten Winter musste ich einmal durch den Kofferraum einsteigen), und dies für ein Bestehen der Kontrolle nötig ist, dachte ich mir, ich mache es schlau, bereite das Auto vor und gehe so früh, dass ich den Winter komplett umgehe.

Tja, Pustekuchen.
Nicht nur meine kreuzdämliche Reifenwechselaktion war ein Desaster. Es erwies sich auch, dass das Licht am Tacho nicht nur kaputt war, sondern auch einen Wackelkontakt hat. Zu allem Überfluss ging nun auch noch die Temperatur zeitweise auf -17°C herunter, so dass ich befürchten musste, die Batterie wäre bald sehr leer und ich würde mit vereisten Türen nichtmal vom Parkplatz wegkommen. Nach einer panischen Aufladeaktion letztes Jahr hatte ich auch hier „vorgesorgt“ und mir einen neuen Parkplatz mit Stromanschluss besorgt. Dumm nur, dass der Stromzugang ausschließlich über Zeitschaltuhr geht. Einfach mal ne Nacht aufladen ist nicht vorgesehen – sehr schlau. Immerhin konnte ich mir jetzt eine Standheizung für Arme bauen: Verlängerungskabel durchs Fenster und Heizlüfter drinnen. Funktioniert bemerkenswert gut, solange das Fenster nicht so vereist ist, dass man es nicht öffnen kann.

Auch das mit dem früh zum TÜV gehen scheiterte grandios. Seit diesem Jahr hat Bilprovningen nämlich sein Monopol verloren. Das heißt, andere Firmen können sich akkreditieren lassen und dann selbst die Kontrolle durchführen. Das soll Preise senken usw.

Die neue Konkurrenz für den schwedischen TÜV: eine Kontrollstation im ganzen Land

Klingt schön in der Theorie, klappt aber in der Praxis nur so mittelprächtig: während ich letztes Jahr noch kurzfristig den Termin umbuchen konnte, betragen derzeit die Wartezeiten über einen Monat. Der erste Termin, den ich erhalten konnte, war heute morgen – obwohl ich schon Anfang November gebucht hatte. „Geh‘ ich halt zur Konkurrenz“, dachte ich mir.

Tja, auch Pustekuchen.
Es gibt in ganz Schweden nämlich genau eine (in Worten: eine einzige) Station, die bisher diese Akkreditierung hat. Die liegt in Tyresö, also gar nicht mal so schlecht für mich. Aber: bei der sind die Wartezeiten genauso lang und es kostet genauso viel.

Auch schön, wie die Terminzuteilung nun funktioniert. Bislang bekam man einmal im Jahr Post mit einem Terminvorschlag gegen Ende des zulässigen Zeitraums (bei mir also Januar), den man bei Bedarf umbuchen konnte. Das neue System funktioniert so, dass Bilprovningen einen Termin vorschlägt, den man bestätigt, indem man die ganze Gebühr von 300 kr überweist! Der Vorschlag kam übrigens auch dann, als ich schon lange einen anderen Termin gebucht hatte.

Liberalisierung bisher sehr bescheiden

Die tolle Marktliberalisierung ist schlichtweg daran gescheitert, dass Bilprovningen sicherheitshalber kein Personal eingestellt, damit bei dem sich ändernden Markt keine Überkapazitäten vorhanden sind. Dementsprechend haben sie jetzt zu wenig. Ob das so schnell besser wird, ist fraglich. In den letzten Wochen ist es wohl eher noch schlimmer geworden. Gestern merkte ich, dass mir der Termin nicht so wirklich passt und wollte umbuchen. Nächste Vakanz in meiner nächstliegenden Station: 18. Februar, also über zwei Wochen, nachdem ein totales Fahrverbot eintritt.

Die Bilanz ist also grandios: man zahlt nicht nur genausoviel wie vorher, sondern soll dies teilweise sogar im voraus tun und kriegt irgendwelche Termine in ferner Zukunft.

Also habe ich gestern nacht noch die Batterie gecheckt und den Schnee entfernt. Die Batterie war glücklicherweise noch unter den Lebenden, aber heute nacht fielen nochmal 10 cm Schnee. Zum Glück hatte ich meine „Standheizung“.

Die Überprüfung lief dann super ab. Das ist alles sehr effizient organisiert (wenn man mal ran darf). Die Stoßdämpfer, die letztes Jahr schon etwas verschlissen waren, sind mittlerweile anscheinend entschlissen – zumindest hat er nichts dazu gesagt – und auch sonst ist alles molto bene.

Na dann: ein Jahr schwedischer Straßenverkehr, ich komme.

Leben auf der Überholspur

Ich sage Euch, liebe Leser: Woodstock war langweilig im Vergleich zu meinem Leben.

Gestern beispielsweise habe ich zwei Wagenheber gekauft. Ja: zwei. Das Wetter ist schon winterlich, und da wollte ich nicht mehr mit Sommerreifen herumfahren, auch wenn ich nächste Woche schon einen Termin zum Reifenwechseln ausgemacht hatte. Mit meinem familiären Hintergrund ist das eigentlich schon eine Frage des Stolzes. Daher traf es sich ganz gut, dass die Tankstelle einen Wagenheber (bis 3 Tonnen!) im Angebot für 30 € hatte. Da griff ich zu und fing an. Problem: das Gerät ist zu hoch. Kaum zu glauben, dass allen Ernstes ein Wagenheber verkauft wird, der nicht unter einen stinknormalen Golf passen will. Der Wagen stand etwas schräg – hinten ging es scheinbar besser, und so versuche ich es. Ergebnis: ein gewechseltes Rad, eine große Delle. Peinlich, und ein weiteres Problem: so konnte ich jetzt natürlich schlecht fahren. Also habe ich bei Biltema einen weiteren Wagenheber besorgt, Kostenpunkt 18 €. Der war zwar wiederum fast zu klein, aber es ging. Nun muss ich nur noch die Delle versorgen, was aber heute durch permanenten Regen vereitelt wird.

Dieser wiederum sorgt dafür, dass der Schnee wegschmilzt. Was die ganze Aktion ins Absurde führt.

Als wäre das noch nicht Aufregung genug, durfte ich gestern abend zum ersten Mal seit langem eine neue Linie fahren: die 53 mit prächtiger Aussicht zwischendrin. Wicked.

Und jetzt dieser verregnete Sonntag. Braucht jemand noch einen ziemlich hohen Wagenheber?

Vintern är långt ifrån över

Ausriss: Google Desktop

Ich habe heute morgen gleich ein Foto von unserem Thermometer gemacht, das aber zuhause geblieben ist. -22°C zeigte es. Das ist der bislang kälteste Tag in 4,5 Jahren Schweden.

Es gilt heute die Empfehlung, zuhause zu bleiben, wenn man kann. Ich kann nicht, und so habe ich mich herausgewagt. Die südliche Querspange Södra Länken war gesperrt. In Gegenrichtung war eine Schilderbrücke heruntergekommen, weswegen eine Totalsperrung bestand. Der Bus war trotzdem einigermaßen pünktlich, bis er sich zwei Haltestellen vor dem Ziel festfuhr. Irgendwie kam es mir so vor, als würde die Fahrerin gegen die Handbremse anfahren, aber das wäre so dämlich, dass es unwahrscheinlich ist, und düpieren wollte ich sie schon zweimal nicht. Also durften wir in einen folgenden Bus umsteigen. Die U-Bahn war voll, aber es ging.

Dennoch ist die Situation extrem. Nahezu alle oberirdischen Teile der U-Bahn sind komplett wegen Vereisung eingestellt. Die Innenstadtbusse wurden für den Schienenersatzverkehr abgezogen. Ähnliches gilt für einige andere Bahnen.

Da mutet es schon fast wie Realsatire an, dass ich gestern Verstärkungsverkehr für die Linie 47 fahren durfte, auf der naturgemäß wenig Bedarf bestand, denn an einem solchen Wochenende verirren sich nicht viele Leute nach Djurgården. So fuhr ich oft fast leer. Meine wahre Freude hatte ich mit den Bussen. Der erste, ein nagelneuer Bus mit weniger als 40.000 km (= gar nichts) hatte ein fast schon bizarres Türenproblem, das ich neulich schon einmal in einem solchen Gefährt hatte – offenkundig verträgt die Elektronik die Kälte nicht. Ich konnte die Türen nur öffnen, nachdem ich den Motor abgestellt hatte. Erst nach zweimaligem Neustart des Motors konnte ich wieder losfahren. Dafür bekam ich einen Ersatzbus, dessen Traktionskontrolle mich in den Wahnsinn trieb.

Immerhin bin ich bei der ganzen Sache unfallfrei geblieben – und das ist eine Menge wert in diesen Tagen.