TÜV mit Hindernissen

Blick nach draußen: optimales TÜV-Wetter...

Ich hatte mir alles so schön ausgedacht: rechtzeitig vor dem Winter wechsele ich die Reifen und lasse die Tachobeleuchtung im Armaturenbrett reparieren. Dann kann ich vor Schnee und Eis zu Bilprovningen, dem schwedischen TÜV, fahren und die Sache ist erledigt. Es läuft hierzulande nämlich so, dass man je nach Endziffer des Kennzeichens jedes Jahr in einem bestimmten Zeitraum zur Überprüfung muss. Bei mir ist das September bis Januar.

Brillanter Plan mit Hindernissen

Da es bei sehr kaltem Wetter schonmal passieren kann, dass die Türen nicht mehr aufgehen (letzten Winter musste ich einmal durch den Kofferraum einsteigen), und dies für ein Bestehen der Kontrolle nötig ist, dachte ich mir, ich mache es schlau, bereite das Auto vor und gehe so früh, dass ich den Winter komplett umgehe.

Tja, Pustekuchen.
Nicht nur meine kreuzdämliche Reifenwechselaktion war ein Desaster. Es erwies sich auch, dass das Licht am Tacho nicht nur kaputt war, sondern auch einen Wackelkontakt hat. Zu allem Überfluss ging nun auch noch die Temperatur zeitweise auf -17°C herunter, so dass ich befürchten musste, die Batterie wäre bald sehr leer und ich würde mit vereisten Türen nichtmal vom Parkplatz wegkommen. Nach einer panischen Aufladeaktion letztes Jahr hatte ich auch hier „vorgesorgt“ und mir einen neuen Parkplatz mit Stromanschluss besorgt. Dumm nur, dass der Stromzugang ausschließlich über Zeitschaltuhr geht. Einfach mal ne Nacht aufladen ist nicht vorgesehen – sehr schlau. Immerhin konnte ich mir jetzt eine Standheizung für Arme bauen: Verlängerungskabel durchs Fenster und Heizlüfter drinnen. Funktioniert bemerkenswert gut, solange das Fenster nicht so vereist ist, dass man es nicht öffnen kann.

Auch das mit dem früh zum TÜV gehen scheiterte grandios. Seit diesem Jahr hat Bilprovningen nämlich sein Monopol verloren. Das heißt, andere Firmen können sich akkreditieren lassen und dann selbst die Kontrolle durchführen. Das soll Preise senken usw.

Die neue Konkurrenz für den schwedischen TÜV: eine Kontrollstation im ganzen Land

Klingt schön in der Theorie, klappt aber in der Praxis nur so mittelprächtig: während ich letztes Jahr noch kurzfristig den Termin umbuchen konnte, betragen derzeit die Wartezeiten über einen Monat. Der erste Termin, den ich erhalten konnte, war heute morgen – obwohl ich schon Anfang November gebucht hatte. „Geh‘ ich halt zur Konkurrenz“, dachte ich mir.

Tja, auch Pustekuchen.
Es gibt in ganz Schweden nämlich genau eine (in Worten: eine einzige) Station, die bisher diese Akkreditierung hat. Die liegt in Tyresö, also gar nicht mal so schlecht für mich. Aber: bei der sind die Wartezeiten genauso lang und es kostet genauso viel.

Auch schön, wie die Terminzuteilung nun funktioniert. Bislang bekam man einmal im Jahr Post mit einem Terminvorschlag gegen Ende des zulässigen Zeitraums (bei mir also Januar), den man bei Bedarf umbuchen konnte. Das neue System funktioniert so, dass Bilprovningen einen Termin vorschlägt, den man bestätigt, indem man die ganze Gebühr von 300 kr überweist! Der Vorschlag kam übrigens auch dann, als ich schon lange einen anderen Termin gebucht hatte.

Liberalisierung bisher sehr bescheiden

Die tolle Marktliberalisierung ist schlichtweg daran gescheitert, dass Bilprovningen sicherheitshalber kein Personal eingestellt, damit bei dem sich ändernden Markt keine Überkapazitäten vorhanden sind. Dementsprechend haben sie jetzt zu wenig. Ob das so schnell besser wird, ist fraglich. In den letzten Wochen ist es wohl eher noch schlimmer geworden. Gestern merkte ich, dass mir der Termin nicht so wirklich passt und wollte umbuchen. Nächste Vakanz in meiner nächstliegenden Station: 18. Februar, also über zwei Wochen, nachdem ein totales Fahrverbot eintritt.

Die Bilanz ist also grandios: man zahlt nicht nur genausoviel wie vorher, sondern soll dies teilweise sogar im voraus tun und kriegt irgendwelche Termine in ferner Zukunft.

Also habe ich gestern nacht noch die Batterie gecheckt und den Schnee entfernt. Die Batterie war glücklicherweise noch unter den Lebenden, aber heute nacht fielen nochmal 10 cm Schnee. Zum Glück hatte ich meine „Standheizung“.

Die Überprüfung lief dann super ab. Das ist alles sehr effizient organisiert (wenn man mal ran darf). Die Stoßdämpfer, die letztes Jahr schon etwas verschlissen waren, sind mittlerweile anscheinend entschlissen – zumindest hat er nichts dazu gesagt – und auch sonst ist alles molto bene.

Na dann: ein Jahr schwedischer Straßenverkehr, ich komme.

Überprüft

Der schwedische TÜV ist jedes Jahr fällig, und so durfte ich ziemlich genau ein Jahr nach der Ummeldung meines Autos vorfahren.

Das ganze Verfahren ist typisch schwedisch effizient. Man kann einen Termin online buchen, und als mir der geplante Termin dann doch nicht so gut lag, konnte ich bequem umbuchen. Die Suche ist auch auf so etwas abgestimmt und zeigt andere Stationen in der Umgebung gleich mit an. Allerdings wird das wohl nur hier in Stockholm so gut funktionieren, wo zahlreiche Stationen angesiedelt sind. So landete ich also nicht in Nacka, wo ich ursprünglich hin wollte, sondern in Sundbyberg.

Vor dem Eingang steht ein Anmeldungsautomat, wo man mit Hilfe der Nummer des Kennzeichens „einchecken“ kann. Digitalanzeigen weisen dann den Weg, sobald eine Einfahrt frei ist. Großartig.

Der Kontrolleur wollte das Warndreieck sehen. Meines ist zwar wohl älter als das Auto selbst, aber einwandfrei, was ich aber erst in diesem Moment herausfand. Kontrolliert wurden auch die Türen und die Sicherheitsgurte. Bei ersteren war ich ganz froh, dass es nur -1°C hatte, denn andernfalls hätte es gut sein können, dass die Türen nicht zu öffnen gewesen wären, womit ich nicht durchgekommen wäre. Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal vor Wintereinbruch vorfahren, um das Problem zu umgehen.

Zum Abschluss nahm der Kontrolleur den Wagen zum Bremsentest mit.

Ergebnis: alles OK – die Stoßdämpfer sind anscheinend schon etwas abgenutzt, aber noch in Ordnung. Begeisternd auch, dass der Kontrolleur gleich noch das Licht eingestellt hat, das etwas zu hoch.

Beeindruckender Zusatzservice, und das alles für schlappe 300 kr.

Einziger Nachteil der Aktion: um den Termin am früheren Nachmittag wahrzunehmen, den ich ursprünglich hatte, bin ich zum ersten Mal mit dem Auto zur Uni gefahren. Das kostete nicht nur Maut, sondern auch ein Vermögen an Parkgebühren – alles unnötig im Nachhinein.

Es kostete aber auch Zeit. Mit dem Auto brauchte ich genauso lange wie mit öffentlichen Verkehrsmitteln. All diejenigen, die behaupten, die Umgehung für den Großraum Stockholm sei unnötig, sind anscheinend noch nie morgens dort unterwegs gewesen.

Ich bin ganz froh, dass ich mir dieses zweifelhafte Vergnügen nicht öfter geben muss.

Feinstaub, Spikereifen und eine kleine Änderung nebenbei

Der Feinstaub treibt auch die Schweden um. Hierzulande macht man sich aber weniger Sorgen um das, was aus dem Auspuff kommt. Dementsprechend hat auch noch keiner vorgeschlagen, ein etwas undurchdachtes Plakettensystem einzuführen, das nachher weitgehend nutzlos ist.

Auch von schmutzigen Heizungen soll er nicht kommen. Nein, er kommt von den Autoreifen.

Ja, richtig gelesen, denn in Schweden sind Spikereifen, so genannte Dubbdäck, erlaubt. Während diese im Norden unverzichtbar sind, bringen sie in den Großstädten nicht wirklich viel. Im Gegenteil schaden sie sogar, und zwar nicht nur der Straßendecke, sondern auch den Menschen. Denn die Staubpartikel, die die kleinen Metallstifte aus dem Asphalt schleudern, sind schädlich. Plakativ heißt es, in Stockholm sterbe jedes Jahr ein Mensch deswegen, um dem statistisch unbedarften den Eindruck zu geben, man könne diese eine Person auch wirklich finden.

Das regt zu Aktionismus an, denn in Stockholm gibt es eine Straße, auf der, könnte man eben diese eine Person finden, bestimmt dahinscheiden würde: die Hornsgatan mitten im Stadtteil Södermalm. Dort sind die Feinstaubwerte ständig zu hoch.

Daher wurde schon monatelang darüber gesprochen, ein Spikereifenverbot auf dieser Straße einzuführen.

Da gibt es nur zwei Probleme:
1. Was passiert, wenn jemand mit Spikereifen diese Straße kreuzen will bzw. gar nicht mehr umkehren kann? Lösung: ganz Södermalm soll spikereifenfrei gemacht werden.
2. Was ist, wenn es gar keine Gesetz für so etwas gibt?

Letzteres ist nämlich der Fall, und so hat die Regierung heute beschlossen:

  • Die Kommunen dürfen auf bestimmten Straßen Spikereifen verbieten.
  • Spikereifen sind von 16. April bis 30. September generell verboten.
  • Schwedische und ausländische Autos unterliegen auf Reisen von und nach dem Ausland den gleichen Bestimmungen wie schwedische Autos. Das heißt nichts anderes, als dass künftig alle Autos in Schweden von 1. Dezember bis 31. März Winterreifen mit mindestens 3mm Profiltiefe haben müssen.

Das ist ein interessanter Maßnahmenkatalog. Nicht, weil er schon ab 15. November gelten soll – es ist in Schweden nicht selten, dass Entscheidungen sehr kurzfristig umgesetzt werden. Interessant ist die Zusammenstellung, denn das generelle Verbot für Spikereifen war vorher 2 Wochen länger und galt schon ab 1. April. Auch war von ausländischen Autos in meiner Wahrnehmung in der Debatte nie die Rede. Über die Beweggründe ist in der Pressemeldung nichts zu lesen.

Man kann sie sich aber denken. Am 1. April ist schon Tauwetter in Stockholm, aber in Nordschweden noch lange nicht. Auch die Winterreifenpflicht für Ausländer hat ihren Zweck. Ursprünglich war das wohl dafür gedacht, dass jemand über die Grenze kommt und dann entsetzt feststellt, dass er keine Winterreifen hat. Das wiederum spricht nicht gerade für die Vernunft des Fahrers und rechtfertigt eigentlich keine Ausnahme.

So nebensächlich letztere Änderung wirkt: für Touristen und auch für Auslandsdeutsche ist dies künftig Grund genug, sich darauf einzurichten. Ich selbst hatte anfangs auch nur Sommerreifen hier.

So werden also die Dubbdäck in Stockholm teilweise verboten werden – und ich finde es gut. In dieser Region gibt es wirklich keine Notwendigkeit für sie. Die Straßen sind normalerweise frei, und dass jemand, der sie wirklich braucht, auch unbedingt in einen zentralen Stadtteil fahren muss, ist doch recht unwahrscheinlich.

Nicht ganz im Zusammenhang sei auch noch auf diesen Gesetzesentwurf hingewiesen. Nachdem die Regierung nun Absolut Vodka verkauft hat, das Apothekenmonopol abschafft, muss nun noch ein weiteres Monopol dran glauben: Bilprovningen, die schwedische Entsprechung des TÜV, soll mit diesem Entwurf private Konkurrenz bekommen.