Der Nobelpreis und ich im Radio

Wer mich vermisst, kann mich immerhin hören: letzte Woche war ich einer von drei Gästen zum Thema Nobelpreis bei der Sendung „Redaktionskonferenz“ von dradio Wissen.

Das Thema ist seit jeher ein Steckenpferd von mir, und die Sendung eine wunderbare Gelegenheit, auch jenseits von 1:30-Beschränkungen mal etwas zu einem Thema zu erzählen. Zu Gast waren außerdem Tim Krohn, ARD-Hörfunkkorrespondent in Stockholm, und Holger Motzkau, der wie ich Physikdoktorand sowie Wikipedianer ist und der sich in letzterer Eigenschaft stark engagiert, so dass er bei allerlei Nobelevents anwesend ist. Auf der Seite der Sendung sieht man auch unser kleines improvisiertes Studio, in dem Holger und ich saßen. Moderiert wurde der ganze Spaß von Thilo Jahn.

Die Nobelpreise in diesem Jahr waren eher unspektakulär. Es setzte sich auch der bemerkenswerte Trend fort, dass die Presse im Vorfeld die Preisträger richtig rät. So hatte Karin Bojs von Dagens Nyheter den richtigen Riecher in Sachen Medizinpreis und hatte die beiden Preisträger auf ihrer Shortlist stehen. Auch der Literaturpreis war ja vorhergesagt worden, wobei man sich immer fragen kann, wie es kommt, dass Schriftsteller, die seit Jahrzehnten schreiben und in den letzten Jahren nicht einmal erwähnt wurden, plötzlich zum selbstverständlichen Favoriten werden.

Der Preis an die Europäische Union hat mich ein bisschen überrascht, aber ich fand ihn überaus passend. Wie erwartet wimmelte es in den Kommentaren und Foren nur so von kleingeistigen Kommentaren zum Thema. Man ist leider nicht in der Lage, einer Organisation Respekt zu zollen, die einen jahrhundertelang von Kriegen heimgesuchten Kontinent zu einem eng verwobenen Konglomerat gemacht hat, das Probleme gemeinsam löst statt sie zu einem Anlass für Feindseligkeiten zu nutzen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Geld die historische Vision trübt. Bedauerlich, und daher auch umso besser, dass zumindest das Komitee in Oslo die Erfolge würdigt, statt immer nur auf die Schwächen einzudreschen.

Mit dem Wirtschaftspreis vorgestern kam der erwartete Abschluss. Wie immer waren es Amerikaner, die gewonnen haben. Leider für mich auch wieder einmal ein Anlass, zu sagen, dass dieser Preis noch nie eine gute Idee war und es auch nach über 40 Jahren immer noch nicht ist. Ein Preis, der flüchtige soziale Theorien belohnt und schon durch die Verhältnisse in diesem Bereich immer an dieselben Kreise geht, ist von der ganzen Konstruktion her leider keinem der von Nobel gestifteten Preise ebenbürtig.

Auf der anderen Seite gehört genau dies auch zu der Faszination dieses Preis, von dem immer Perfektion erwartet wird, der sich aber darum nicht kümmert und einfach jedes Jahr neue Preisträger liefert, die viel Ehre erhalten, aber auch viel geschmäht werden. Wie oft wurde gerade dem Literatur- und Friedenspreis bescheinigt, er verliere seine Bedeutung, obwohl er jedes Jahr aufs Neue genauso heftig diskutiert wird.

Darum ging es auch in der Sendung: das Event Nobelpreis mit seinen kleinen Geschichten außenherum. Ich wünsche viel Spaß beim anhören.

Hier der Link: dradio Wissen – Nobelpreis:Zeremonielles Brimborium

Leider nicht

Vor 6 Jahren: mein Platz beim Nobelbankett.

Vor 6 Jahren hatte ich das Vergnügen, einmal beim Nobelbankett dabei zu sein. Wie sich mittlerweile herausgestellt hat, voraussichtlich das einzige Mal. Ich habe wieder einmal in der Nobellotterie nicht gewonnen, und das war dann so ziemlich die letzte Gelegenheit, noch einmal zum Nobelbankett zu kommen.

Das Nobelbankett findet im Anschluss an die Nobelpreisverleihung statt. Der Veranstaltungsort ist das Stadshuset. Alle sind äußerst schick gekleidet, die königliche Familie ist dabei und die Preisträger natürlich auch. Es gibt Essen vom Feinsten und ein minutiös arrangiertes Unterhaltungsprogramm. Das Ganze wird im Fernsehen gezeigt.

Als Normalsterblicher kommt man dort kaum rein, denn es sind nur gut 1000 Gäste zugelassen. Für sich genommen schon eine erstaunliche Zahl, denn wer schon einmal im Stadshuset war, wird Schwierigkeiten haben, sich so viele Leute in diesem kleinen Saal vorzustellen. Es geht bemerkenswert gut, aber es ist an der Grenze. Daher muss man auch knallhart einschränken wer kommen, darf: die Ehrengäste, zu denen auch die Vertreter der Länder zählen, aus denen die Preisträger kommen – meist Botschafter, aber auch Westerwelle hat sich das nicht entgehen lassen. Hinzu kommen Mitglieder der Akademien, die den Preis vergeben, sowie natürlich Angehörige der Preisträger.

Dann ist der Saal auch fast schon voll. Aber nur fast, denn 100 Plätze gehen traditionell an Studenten. Diese werden per Lotterie als 50 Paartickets verlost, wobei man aber nur das Recht gewinnt, die Tickets zu kaufen. Neben den Aufwendungen für Lose müssen dann die Tickets selbst bezahlt werden (1800 kr pro Person). Die Party danach kostet nochmal 500 kr, und die Kosten für die Kleidung darf man natürlich auch tragen, denn für Männer ist z.B. ein Frack verpflichtend. Letzten Endes ist eine Monatsmiete pro Person weg. Aber wann macht man das schonmal?

Ein Los kostet 50 kr, also gut 5 €. 2005 hatte ich 5 Stück oder so gekauft und prompt gewonnen. Was mir damals nicht so ganz bewusst war: ich hatte großes Glück. Man kann soviele Lose kaufen, wie man möchte. Dieses Jahr wurden 3354 Lose verkauft, also für jeden Platz rund 67 Lose. Die reale Gewinnchance ist freilich höher, denn jeder Teilnehmer darf nur einmal gewinnen. 607 Studenten haben Lose gekauft, also rund 5,5 Lose pro Teilnehmer. Es verfallen also mit fast jedem Gewinner eine Reihe Lose, was natürlich die Chancen der anderen erhöht.

Gering sind sie trotzdem, und so konnte ich auch dieses Jahr trotz des Kaufs von deutlich mehr als 5 Losen nicht gewinnen. Ob es nächstes Jahr nochmal eine Möglichkeit geben wird, weiß ich nicht, aber ich halte es eher für unwahrscheinlich. Schade.

Right Livelihood Award – der „alternative Nobelpreis“ und ein gelungener PR-Coup

Eher dünn besetzt: die Pressekonferenz des Right Livelihood Award 2009 (Bild: Prolineserver 2010, Wikipedia/Wikimedia Commons (cc-by-sa-3.0))

Er ist heute unter den aktuellen Meldungen , aber viel mehr Aufmerksamkeit bekommt er auch nicht: der Right Livelihood Award, ein Preis, der jedes Jahr an Menschen vergeben wird, die Gutes tun für unseren Planeten und seine Bewohner.

Eine schöne Sache, dass es so etwas gibt. Doch etwas macht diesen Preis so besonders: die Bezeichnung „alternativer Nobelpreis“. Diese wird in den deutschen Medien so penetrant verwendet, dass es schon in der Überschrift steht. Vor einiger Zeit hörte ich eine Folge der Talksendung „SWR1 Leute“, bei der dieser Begriff so verwendet wurde, als sei es der offizielle Name.

Die deutschsprachigen Medien sind auch so ziemlich die einzigen, die diesem Preis eine nennenswerte Bedeutung zumessen – bei den Pressekonferenzen des Awards sieht es ansonsten ziemlich leer aus. Selbst die schwedischen Medien interessiert das alles nur sehr bedingt, und wenn man heute mal bei Google News in internationalen Medien sucht, ist das Ergebnis dürftig.

Warum ausgerechnet Deutschland so auf diese Sache anspringt, weiß ich nicht. Vielleicht hat man in den anderen Ländern einfach erkannt, wieviel Schaumschlägerei dieser Preis im Grunde ist.

Warum dieser Preis nie zu einem Nobelpreis werden konnte

Die Legende geht nämlich so, dass Jakob von Uexküll einst der Meinung war (und immer noch ist), es bräuchte einen Nobelpreis für Ökologie, Menschenrechte und andere philanthropische Aktivitäten. Daher verkaufte er seine Briefmarkensammlung, was die stolze Summe von 1 Million US-Dollar erbrachte.

Er wandte sich an die Nobelstiftung und wollte mit dem Geld einen oder zwei neue Nobelpreise einrichten. Diese lehnte jedoch ab, und alle Welt glaubt bis heute, dies sei alleine so, weil die Stiftung einfach keinen neuen Preis einrichten wollte. Wohl auch, weil man nach den doch eher zwiespältigen Erfahrungen mit dem ab 1969 verliehenen „Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel“, besser bekannt als Wirtschaftsnobelpreis, keine Erweiterungen an dem Preis mehr machen wollte.

Klingt schön, aber man kann doch stark bezweifeln, dass das so stimmt. Zum Einen musste von Uexküll damit rechnen, dass die Nobelstiftung nein sagen würde. Diese Organisation existiert nämlich einzig und allein zu dem Zweck, das Vermögen Alfred Nobels zu verwalten und die Erträge im Nobelpreis auszuteilen. Alles jenseits dessen darf nicht aus diesem Geld finanziert werden.

Wenn die Nobelstiftung also ihr Tätigkeitsfeld ausdehnt, dann ist nicht nur der gewaltige Effekt in der Öffentlichkeit zu beachten, der hierdurch zwangsläufig entsteht. Es muss auch die Finanzierung dieser Aktivitäten sichergestellt sein.

Und genau hier hat die ganze Sache einen massiven Haken. Die schwedische Reichsbank hat genug Geld, um auf lange Sicht die Preissumme und auch alle anderen anfallenden Kosten zu finanzieren. Von Uexküll hingegen hatte nur 1 Million US-Dollar, was im Jahr 1980, als er das Angebot machte, maximal 4.530.000 schwedischen Kronen entsprach.

Der Preis hätte nie finanziert werden können

Der echte Nobelpreis hatte im Jahr 1980 aber eine Preissumme von 880.000 schwedischen Kronen. Es hätte also zwei Möglichkeiten gegeben: man hätte Uexkülls Geld investieren können und den neuen „Nobelpreis“ von den Zinsen nehmen können. Dazu hätte man aber einen jährlichen Ertrag von fast 20% erzielen müssen – ein Wert, der mit seriösen Methoden niemals dauerhaft erreicht werden kann. Die Alternative wäre gewesen, das Geld auszugeben, was aber bedeutet, dass nach 5 Jahren ohne Hilfe von außen Schluss gewesen wäre.

Und bei all dem ist noch nicht einmal eingerechnet, dass für Verwaltung, Verleihung etc. auch Kosten anfallen.

Kurzum: Jakob von Uexküll hatte zu keiner Zeit das Geld, um einen, geschweige denn zwei „Nobelpreise“ zu stiften. Selbst wenn die Nobelstiftung weitere Preise hätte hinzufügen wollen, so hätte sie das Angebot ablehnen müssen, weil eine nachhaltige Finanzierung unmöglich hätte gewährleistet werden können. Es wäre unverantwortbar gewesen, jemandem, der mit einer 1 Mio. US-Dollar und guten Absichten hereinschneit, einen neuen Quasi-Nobelpreis zuzugestehen. Und auch wenn es böse klingt: Jakob von Uexküll hatte schlichtweg nicht das Format, das dem Nobelpreis angemessen wäre.

Es fällt mir schwer, zu glauben, er habe das nicht gewusst und sei so naiv gewesen, etwas anderes anzunehmen.

Der „Right Livelihood Award“

Das Ganze erscheint mir eher als ein brillanter PR-Trick: die Aufmerksamkeit aus einem aussichtslosen Angebot an die Nobelstiftung zu benutzen, um die inoffizielle Bezeichnung „alternativer Nobelpreis“ für sich zu reklamieren. Die Stiftung des Right Livelihood Award verwendet die Bezeichnung gerne und oft in Anführungsstrichen (um keinen Ärger mit der Nobelstiftung zu kriegen).

Von Uexküll Egomanie vorwerfen möchte ich nicht. Zwar sieht die ganze Aktion schon ein bisschen nach dem Versuch eines Berufsphilatelisten und Weltverbesserers aus, sich in eine Reihe mit einer historischen Figur wie Alfred Nobel zu stellen. Aber im Zentrum der Veranstaltung steht nicht er, sondern die Preisträger.

Das ist wohl auch besser so, denn sein Geld von damals ist natürlich schon lange weg. Das Preisgeld – dieses Jahr immerhin 800.000 € (auf vier Preisträger verteilt) – wird aus Spenden finanziert, und die Homepage der Stiftung wirbt mit Steuervergünstigungen für Spendebereite.

Es mag eine schöne Sache sein, Menschen, die Gutes tun, einen Preis zu geben, damit die Welt von ihren Taten weiß und auf dass sie mit ihrem Preisgeld weiterarbeiten können. Auf die Posse, es handele sich hier um einen verkappten Nobelpreis, den die Nobelstiftung trotz der edlen Absichten schroff ablehnte, sollte man aber nicht hereinfallen.

Wichtiger Ratschlag für künftige Nobelpreisträger

Als anerkanntes Serviceportal habe ich folgenden klugen Rat anzubieten. Wenn man ein international angesehener Wissenschaftler im entsprechenden Bereich und Alter ist, ein paar literarisch bedeutende Werke verfasst oder sich für den Weltfrieden eingesetzt hat, dann sollte man sein Telefon Anfang Oktober immer in der Nähe haben.

Ansonsten kommt nämlich vielleicht so etwas dabei heraus.

Der Nobelpreis für Chemie und was kaum einem aufzufallen scheint

Dieses Jahr erhält zum ersten Mal seit 1964 eine Frau den Chemienobelpreis. Mit anderen Worten: zum ersten Mal seit 45 Jahren kam die Königliche Wissenschaftsakademie zum Schluss, dass eine Frau zu den Würdigsten gehört, diesen Preis zu erhalten. Das finden anscheinend aber nur die Jerusalem Post und die Washington Post so interessant, dass sie diesem Fakt ein paar Zeilen widmen. Die sonst an Geschlechtergleichheitsthemen interessierte schwedische Presse ergeht sich stattdessen zunächst einmal in Betrachtungen über das Alter der Preisträger. Erst in einem etwas versteckteren Artikel wird das Thema angesprochen, aber dann so:

Frage: Zwei Männer und eine Frau haben den Preis erhalten. Weshalb diese ständige Dominanz der Männer?

Antwort: Ganz im Gegenteil ist das ein voller Durchbruch für Frauen. Wir haben drei Frauen in den wissenschaftlichen Preisen dieses Jahr. Das ist ein Rekord – definitiv eine Trendwende.

Die Fragestellung suggeriert hier, dass ein Verhältnis 2:1 ein Normalzustand bei der Chemie sei, was natürlich nicht der Fall ist.
Ob man von einer Trendwende sprechen kann, sei auch dahingestellt. Bisher haben 16 Frauen den Preis erhalten. Auf Jahrzehnte verteilt sieht das so aus:

  • 1900er: 1
  • 1910er: 1
  • 1920er: 0
  • 1930er: 1
  • 1940er: 1
  • 1950er: 0
  • 1960er: 2
  • 1970er: 1
  • 1980er: 3
  • 1990er: 1
  • 2000er: 5

Man hätte also schon vor 20 Jahren von einer Trendwende sprechen können, die dann nicht eintrat. Zudem sind in diesem Jahrzehnt 3 der 5 Preise dieses Jahr vergeben wurden. Das ist wohl mehr eine zufällige Häufung.

Dass aus dem geringen Frauenanteil gerne geschlossen wird, Frauen würden benachteiligt, ist rein spekulativ. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, dass dies sich ändern muss. Nobels Vorgabe ist nun einmal, dass nur der Würdigste den Preis erhalten soll. Eine Geschlechterquote würde genauso wie eine Nationenquote diesem Ideal widersprechen. Die Akademie kann man für ihren Gleichmut diesbezüglich nur bewundern. Sie bildet mit der bevorzugten Auszeichnung amerikanischer Männer demographisch den Zustand der Wissenschaft vor einigen Jahrzehnten ab. Daher sind Forderungen an die Vergabegremien letzlich an den falschen Adressaten gerichtet. Stattdessen sind Wissenschaft und Gesellschaft heute gefordert, an diesem Zustand etwas zu ändern, damit in einigen Jahrzehnten eine Vergabe an eine Frau keine Besonderheit mehr darstellt.

Nachtrag:auch die Süddeutsche Zeitung erwähnt es am Rande, aber ansonsten ist der Bericht lausig recherchiert. Weder hat Dorothy Crowfoot Hodgkin ihren Preis 1965 erhalten noch wurden deutsche Forscher zuletzt 1988 ausgezeichnet. 1964 und 2007 wären die richtigen Zahlen gewesen.

Panoramen (5): Königliche Wissenschaftsakademie

KVA klein

Anfang Oktober werden jedes Jahr Preisträger der Nobelpreise in Physik und Chemie sowie des Preises in Wirtschaftswissenschaften bekanntgegeben. Diese finden in der Kungliga Vetenskapsakademin (Königliche Wissenschaftsakademie) in Stockholm statt, wozu diese ihre majestätischen Gemäuer für die Presse öffnet. Ich war schon mehrfach dabei. Am beeindruckendsten ist freilich der Saal, wo die Bekanntgabe stattfindet, aber der Vorraum, der hier zu sehen ist, braucht sich auch nicht zu verstecken.

Sehr Nobel

Horace Engdahl bei der Pressekonferenz

Während in Oslo unbequeme Wahrheiten prämiert werden, stelle ich hier noch meine Aufnahmen von gestern ein. Bei der Bekanntgabe gestern war wie immer viel los. Diese Veranstaltung hat immer eine sehr eigene Atmosphäre. Um eine Tür in einem offensichtlich schon sehr alten Saal (es handelt sich um den Stora Börssalen, also den Großen Börsensaal, wenn ich es richtig gesehen habe) scharen sich Journalisten und Schaulustige, um darauf zu warten, dass im Raum hinter der Tür eine Uhr dreizehn schlägt. Dann tritt nämlich Horace Engdahl, seines Zeichens ständiger Sekretär der Schwedischen Akademie, vor die Tür, und verkündet nach einer kurzen Begrüßung („Guten Tag zusammen und willkommen bei der Schwedischen Akademie“) die Entscheidung. Es folgt frenetischer Jubel, vollkommen egal, wer gewonnen hat.

Jene ist jedes Jahr umstritten. Die übliche Spanne der Kritik reicht von „zu spät“ über „nicht preiswürdig“ bis zu „da gibt’s noch bessere“. Dennoch wird auch die diesjährige Entscheidung, den Preis an Doris Lessing zu vergeben, den Preis mit Sicherheit unbeschädigt lassen. Außerdem wurde ja das „Lex Buck“ eingehalten, nach dem ein Preisträger schon einmal vorher nominiert gewesen sein muss.

Für all die Enttäuschten: nächstes Jahr wird es Philip Roth – ganz bestimmt.

Noch ein paar Worte zum Friedensnobelpreis. Al Gore ist wirklich nicht der Messias, für den er neuerdings gehalten wird. Er lässt sich nämlich auch bei Bedarf teuer dafür bezahlen, um auf Ethanolkongressen zu sprechen. Die Anreise erfolgt dann natürlich auch mit dem Privatjet. Zudem sind auch nicht alle Fakten in seinem Film komplett richtig dargestellt. Dennoch ist die von ihm übermittelte „Wahrheit“ genauso unbequem und wahr, wie er vorgibt. Ohne seinen Film hätte die Welt nicht halb so viel Interesse am Klimaproblem entwickelt. Seither hat sogar Präsident Bush das Problem erkannt, und die EU redet ständig davon. Kuam vorzustellen, dass dieser Effekt gleichermaßen eingetreten wäre, wenn nur ein UN-Bericht dazu herausgekommen wäre.

Die Auszeichnung Gores ist also durchaus berechtigt. Richtig salomonisch wurde die Entscheidung aber erst dadurch, dass man auch die UN ausgezeichnet hat. Nicht dass die UN samt ihren Unterorganisationen nicht schon genug Preise erhalten hätten, aber eine im Allgemeinen mit diesem weltweiten Problem befasste Organisation auszuzeichnen war nur berechtigt. Dies spiegelt auch wider, dass der Nobelpreis immer weniger für Einzelleistungen vergeben wird und dafür immer mehr für Gesamtleistungen von Gruppen und Organisationen. Manchmal denke ich mir, das wäre auch bei verschiedenen wissenschaftlichen Leistungen nicht falsch.

Helmut Kohl ging also neuerlich leer aus. Aber ehrlich gesagt ist mir Al Gore auch deutlich lieber.