Sehr Nobel

Horace Engdahl bei der Pressekonferenz

Während in Oslo unbequeme Wahrheiten prämiert werden, stelle ich hier noch meine Aufnahmen von gestern ein. Bei der Bekanntgabe gestern war wie immer viel los. Diese Veranstaltung hat immer eine sehr eigene Atmosphäre. Um eine Tür in einem offensichtlich schon sehr alten Saal (es handelt sich um den Stora Börssalen, also den Großen Börsensaal, wenn ich es richtig gesehen habe) scharen sich Journalisten und Schaulustige, um darauf zu warten, dass im Raum hinter der Tür eine Uhr dreizehn schlägt. Dann tritt nämlich Horace Engdahl, seines Zeichens ständiger Sekretär der Schwedischen Akademie, vor die Tür, und verkündet nach einer kurzen Begrüßung („Guten Tag zusammen und willkommen bei der Schwedischen Akademie“) die Entscheidung. Es folgt frenetischer Jubel, vollkommen egal, wer gewonnen hat.

Jene ist jedes Jahr umstritten. Die übliche Spanne der Kritik reicht von „zu spät“ über „nicht preiswürdig“ bis zu „da gibt’s noch bessere“. Dennoch wird auch die diesjährige Entscheidung, den Preis an Doris Lessing zu vergeben, den Preis mit Sicherheit unbeschädigt lassen. Außerdem wurde ja das „Lex Buck“ eingehalten, nach dem ein Preisträger schon einmal vorher nominiert gewesen sein muss.

Für all die Enttäuschten: nächstes Jahr wird es Philip Roth – ganz bestimmt.

Noch ein paar Worte zum Friedensnobelpreis. Al Gore ist wirklich nicht der Messias, für den er neuerdings gehalten wird. Er lässt sich nämlich auch bei Bedarf teuer dafür bezahlen, um auf Ethanolkongressen zu sprechen. Die Anreise erfolgt dann natürlich auch mit dem Privatjet. Zudem sind auch nicht alle Fakten in seinem Film komplett richtig dargestellt. Dennoch ist die von ihm übermittelte „Wahrheit“ genauso unbequem und wahr, wie er vorgibt. Ohne seinen Film hätte die Welt nicht halb so viel Interesse am Klimaproblem entwickelt. Seither hat sogar Präsident Bush das Problem erkannt, und die EU redet ständig davon. Kuam vorzustellen, dass dieser Effekt gleichermaßen eingetreten wäre, wenn nur ein UN-Bericht dazu herausgekommen wäre.

Die Auszeichnung Gores ist also durchaus berechtigt. Richtig salomonisch wurde die Entscheidung aber erst dadurch, dass man auch die UN ausgezeichnet hat. Nicht dass die UN samt ihren Unterorganisationen nicht schon genug Preise erhalten hätten, aber eine im Allgemeinen mit diesem weltweiten Problem befasste Organisation auszuzeichnen war nur berechtigt. Dies spiegelt auch wider, dass der Nobelpreis immer weniger für Einzelleistungen vergeben wird und dafür immer mehr für Gesamtleistungen von Gruppen und Organisationen. Manchmal denke ich mir, das wäre auch bei verschiedenen wissenschaftlichen Leistungen nicht falsch.

Helmut Kohl ging also neuerlich leer aus. Aber ehrlich gesagt ist mir Al Gore auch deutlich lieber.

Echte Helden

Kürzlich suchte ich noch vergeblich, wann er denn mal vorbeischauen würde, und wurde nicht fündig.

Nun war er da, und ich habe davon nichts bekommen: Al Gore. Zwar war es nur ein PR-Auftritt, aber da wäre ich nicht wählerisch gewesen. Allerdings hatte ich allgemein wenig Zeit: heute morgen hatte ich ein Jobinterview.

Immerhin kommt Christer Fuglesang demnächst…

Film-Tipp

Anfang dieser Woche habe ich mir Al Gores Film „Eine unbequeme Wahrheit“ („An inconvenient Truth“) angeschaut, der auch gerade in Deutschland angelaufen ist. Weniger anklagend und rührselig als Michael Moore, aber nicht minder selbstbezogen, beeindruckend und einseitig als er führt Gore in dem Film seinen Kampf gegen die globale Erwärmung. Was ihm ebenso von Moore unterscheidet, ist, dass er auch Lösungen anbietet, anstatt nur anzuprangen. Dennoch sollte man sich nicht zu sehr verleiten lassen – auch wenn einige Resultate furchterregend sind, präsentiert Gore bewusst extreme Szenarien und klammert andere Aspekte aus. Das ändert freilich nicht an der Notwendigkeit eines Umsteigens auf erneuerbare Energien. Nun sind auch Tony Blair und Jan Peter Balkenende auf den Zug aufgesprungen. Ob das helfen wird, ist fraglich.

Im letzten halben Jahr hat mich die Energiefrage, vor allem in Diskussionen mit meinem ehemaligen amerikanischen Mitbewohner, beschäftigt. So will man im Baltikum und Finnland künftig vermehrt auf Atomstrom setzen, um wegzukommen von fossilen Brennstoffen. Ich bin zwar kein glühender Verfechter der Atomkraft, aber bei der Wahl zwischen globaler Erwärmung und Atomenergie ziehe ich zumindest als Übergangslösung letzteres vor.

Zurück zum Thema Film: Gores aufgezeichnete Predigt ist in jedem Fall sehenswert. Ein weiterer Film wartet auch schon auf mich: „Elementarteilchen“ ist in Schweden angelaufen. Er hat zwar nur mittemlässige Kritiken bekommen, aber wann kann man schonmal einen deutschen Film hier sehen. Daher werde ich ihn mir wohl auch anschauen.