Die synchronisierten Untreuen von Granlunda

Vielleicht liegt es an meiner nachweislichen handwerklichen Unfähigkeit, aber unter all den Tätigkeiten, die die Heimwerkerei umfasst, ist das eigenhändige Schleifen mit Sandpapier eine derjenigen, die ich am wenigsten mag. Das habe ich nicht mit Jonas Västervik gemein, denn dieser macht sich mit Begeisterung und Hingabe an das Abschleifen einer Stelle an einem alten reparaturbedürftigen Boot. Er ist nicht der einzige unglaubwürdige Charakter des Films.

Ich konnte es einmal wieder nicht lassen und habe mir den Film „Inga Lindström – der Erbe von Granlunda“ nebenbei zu Gemüte geführt, denn meine ganze Aufmerksamkeit wollte ich diesem Machwerk nicht widmen. Dass ich von der Filmreihe nicht viel halte, ist kein Geheimnis. Wenn man aber in der Region wohnt, in dem diese ganzen Schmachtfetzen spielen, dann ist es schon einmal interessant, zu sehen, was denn nun wieder verbrochen wurde. Außerdem: zuletzt war ein beängstigender Aufwärtstrend in der Qualität zu beobachten.

Das war aber wie gesagt zuletzt – „Der Erbe von Granlunda“ stammt aber aus dem Jahr 2008 und wurde als Sommerlückenfüller gezeigt. Dementsprechend kriegt man die alte Leier präsentiert: Jonas ist Tochter von Karin Västervik, ihres Zeichen Tierärztin, anscheinend einer der häufigsten Berufe in diesen Filmen. Diese wiederum ist mit dem Gutsverwalter Paul Eding liiert, der von der Fernsehfilm-Allzweckwaffe Michael Greiling verkörpert wird. Die beiden wollen zusammenziehen. Er sieht nicht schlecht aus, aber irgendwie ist die Kombination für das junge Glück doch etwas seltsam, denn zwischen Simone Heher, die Karin spielt, und Greiling liegt ein Altersunterschied von 24 Jahren.

Die Geschichte an sich ist Makulatur: der Besitzer des Guts, das Eding verwaltet, ist Magnus Hansson. Er hat sich vor vielen Jahren mit seiner Tochter verkracht, und als er stirbt, ist deswegen der Enkel Tomas wenig gewillt, den Hof zu behalten. Dann verliebt er sich aber in Karin, der er „zufällig“ zuvor in Stockholm das Leben gerettet hat. Zudem ist er auch noch ein Mitglied der fremden Spezies „Städter“, der natürlich nicht naturkompatibel ist.

Mir scheint, dieser Plot ist mit leichten Abwandlungen in nahezu jedem Inga-Lindström-Film zum Einsatz gekommen. Immer gibt es irgendwelche persönlichen Zerwürfnisse und das Dilemma eines der Protagonisten, sich zwischen zwei Kopulationspartner entscheiden zu müssen. Immer gibt es gerade zu absurde Zufälle, bei denen sich die Hauptfiguren wiedersehen. Immer ist das idyllische erstrebenswerte Landleben dem hektischen Stadtleben entgegengesetzt.

Letzteres bedient freilich das Bullerbü-Syndrom meisterhaft. Unter den Tisch gekehrt wird freilich, dass es wohl in ganz Europa keine Großstadt geben dürfte, bei der Natur und Stadtleben so nahe beieinander liegen. Stockholm ist nun wahrlich kein Moloch. Solche Zurechtbiegungen sind allerdings auch nichts neues bei diesen Filmen. Man muss immerhin zugeben: der Erbe von Granlunda ist wenig zum Fremdschämen, was man in dem Kontext schonmal als Auszeichnung sehen kann.

Interessant und bemerkenswert finde ich eine andere Sache. Das ZDF ist ein Sender mit Werbung für Granufink und Treppenlifte. Das Publikum ist betagt und wohl auch dementsprechend konservativ. Da verwundert es umso mehr, dass vollkommen wertungsfrei und unbekümmert in den Fernsehfilmen des Senders – nicht nur bei den Lindström-Streifen, wie mir scheint – das Fremdgehen präsentiert wird. Sei es nun die Prinzessin auf der Erbse, die ihren verlobten Prinzen auf der nächstbesten Insel mit einem Landschaftsgärtner betrügt, der Millionär, der sich in die Mutter seiner eigentlich zukünftigen Frau verknallt, oder eben Karin, die sich im Eiltempo verführen lässt. Sinnigerweise ist Tomas sogar Produkt einer solchen Affäre, denn Paul ist sein Vater. Es ist schon merkwürdig, dass Beziehungen so geringen Wert zu haben scheinen, obwohl es in den Filmen um nichts anderes als um die große Liebe geht. Die Filme enden daher auch meist mit dem mehr oder weniger unkomplizierten Zerbrechen der einen Liaison und dem Beginn einer anderen.

Abgesehen davon, dass in dem Film immer gutes Wetter ist und sich deswegen alle ständig draußen aufhalten, gibt es aber noch eine andere Merkwürdigkeit: zahlreiche kleine Rollen wurden nachträglich synchronisiert. Es ist wohl davon auszugehen, dass es sich um Schweden handelt. Das ist eigentlich das Bitterste an diesem Pseudo-Schweden-Kitsch: die Landschaft wird gerne genommen, aber ein Schwede darf in diesen Filmen nichtmal seine eigene Stimme hören.

Ich mache mir Sorgen

Was ist nur mit Christiane Sadlo alias Inga Lindström los?

Dieser Streifen „Das dunkle Haus“, der da gerade im ZDF läuft, ist nicht halb so schmalztriefend und schwachsinnig wie gewohnt.

Zwar sind die Häuser mal wieder viel zu groß, die Landschaft mal wieder übermäßig schön, die Musik übermächtig und in den Details hapert es wie immermächtig. Selbstverständlich sind wieder allerlei Liebesverwirrungen dabei, und das Ganze wirkt wie ein Knobelspiel, bei dem man herausfinden muss, wer nun mit wem zusammenkommt und wer am Ende übrig bleibt. Aber: keine lächerlichen Namen, keine gravierenden Fehlbesetzungen, keine dummdreist zusammengeschusterte Rahmenhandlung, keine überzogenen Schmierentheaterzufälle. Die Story geht sogar über pure Banalität hinaus.

Das heiß zwar noch lange nicht, dass das alles glaubwürdig ist oder große Filmkunst – aber das muss es bei einem ZDF-Fernsehfilm auch nicht sein. Weder geht es darum, die Goldene Palme zu gewinnen, noch eine quasidokumentarische Darstellung Schwedens zu erreichen. Selten war der Konsum eines Inga-Lindström-Films so wenig von Fremdscham und Brechreiz begleitet.

Frau Sadlo, ich mache mir Sorgen. Geht es Ihnen gut?

Reiche Kanalauswahl

Bei Canal Digital gibt es eine Menge Kanäle, aber einen nicht, wie man in obigem Video sehen kann. Interessant, dass die schwedischen Werbemacher für so etwas Verschrobenes Deutsche verwendet haben. Vielleicht sind wir allseits bekannte Allergiker – wäre mir jedenfalls neu.

Es erinnert mich jedoch an einen schweren Entschluss, den ich kürzlich getroffen habe: vor ziemlich genau 2 Jahren verabschiedete ich mich nach und nach von Comhem, dem größten Kabelfernsehbetreiber Schwedens, über dessen Netz wir auch Internet und Festnetztelefon hatten. Vorangegangen war eine Preiserhöhung, bei der Comhem nicht den Mumm hatte, zuzugeben, dass es wirklich eine ist. Stattdessen wurde sie als „Kartengebühr“ verschleiert.

Der kleinste Tarif, Small, war von dieser Gebühr nämlich befreit, und die meisten Kanäle nutzten wir ohnehin nicht. Eigentlich hätten wir über unseren Vermieter fast alle Kanäle auch (analog) so bekommen können, aber wir behielten des ZDF wegen das digitale Basisabonnement.

In der Zwischenzeit hat sich die Situation aber geändert. Vor einem Jahr wurden praktisch sämtliche Kanäle, die in Small enthalten sind, allgemein auch digital freigeschaltet. Damit bezahlten wir de facto die Monatsgebühr von 39 kr nur, um für nochmal 29 kr mehr das ZDF buchen zu können. 68 kr (gut 7 €) im Monat für einen einzigen Kanal also.

Nun erreichte uns die nächste Änderung. Das im Grunde wertlose Small-Paket wird auch noch teurer: 49 kr soll es nun kosten. Das Motiv ist wohl ziemlich klar: man will auch die letzten Kunden aus diesem Tarif vertreiben.

Nun sind es also 78 kr für einen einzigen Kanal. Die Frage ist nun, wie man darauf reagiert. Satellitenfernsehen scheidet aus, weil keine freie Sicht besteht. Das ZDF über das Internet zu besorgen funktioniert in der Theorie, aber in der Praxis nur allzu oft nicht – viele Sendungen gibt es gar nicht, und ohne deutschen Proxy würde man von einigem Material ausgeschlossen werden. Man sollte außerdem noch in der Lage sein, den Fernseher einfach einzuschalten, was dann auch nicht mehr möglich wäre.

Gerne würden wir zum Internetfernsehen unseres Anbieters Bredbandsbolaget wechseln. Aber dort gibt es kein internationales Angebot, und national sind wir weitgehend durch den Vermieter abgedeckt. Das macht wenig Sinn.

Der einzige Ausweg ist, in den sauren Apfel zu beißen: wir wechseln in den Tarif Medium zurück, den es mittlerweile nur noch in der Version „8 Favoriter“ gibt. Dabei erhält man die Kanäle des Basispakets plus 8 annähernd frei wählbare Kanäle. Man kann die Kanäle jeden Monat austauschen, wenn man lieber etwas anderes haben möchte. Zu den wählbaren Kanälen gehören auch das ZDF und 3sat. Also werden wir das buchen, um für mehr Geld deutlich mehr Leistung zu bekommen.

Groteskerweise wäre nun auch zu überlegen, wieder mit Telefon und Internet zu Comhem zurück zu gehen. Zwar hatten wir einigen Ärger, und Bredbandsbolaget ist aufs Gesamte gesehen eher noch zuverlässiger. Jedoch zahlen wir nun 349 kr im Monat für 24 MBit/s, von denen in Wirklichkeit aber nur 16 bis 17 MBit durchkommen, was bei DSL ja auch nicht ungewöhnlich ist. Bei Comhem hatten wir früher aber in aller Regel 25 MBit. Deren Netz wird derzeit sogar so ausgebaut, dass es bis zu 200 MBit bringen kann.

Ein Wechsel zurück würde die Kosten etwas reduzieren. Die Frage ist nur, ob man sich das nochmal antun will.

[Dank an Thilo für den Tipp mit dem Video]

Schweden, abends um 9

Das Telefon klingelt.

Ich: Hallo.
Sie: Hallo. Ich rufe von Comhem an. [Anm.: mein Kabelfernsehanbieter] Du bist doch Fabian, oder?
Ich: Ja, der bin ich.
Sie: Ich rufe an, weil ich gerne mit dir darüber sprechen würde, wie wir deine Monatskosten mit Internet und Telefonie senken können. Du hast bislang nur TV small [Anm. kleinstmögliches TV-Paket dieses Anbieters] gebucht, oder?

Diesen Gesprächsverlauf hatte ich schon erahnt. Es gibt in Schweden ein Register namens NIX-Telefon, in das man sich eintragen kann und dann nicht mehr mit Werbeanrufen belästigt wird. Ausnahme: Firmen, bei denen man schon Kunde ist, dürfen trotzdem anrufen als vermeintlichen Kundenservice. In Wirklichkeit dienen diese Anrufe aber nur dazu, dem Kunden noch mehr der eigenen Produkte anzudrehen. Nach zahlreichen dieser Gespräche habe ich beschlossen, ab sofort konfrontativ mit Kündigung zu drohen.

Ich: Ja, habe ich. Hör mir zu, ich sage das nur einmal. Wenn ich noch einmal so einen Anruf erhalte, kündige ich sofort.
Sie: Du bist aber nicht nett zu mir. Ich mache hier nur meinen Job.
Ich: Das hat auch nichts mit dir zu tun. Ich bezahle jeden Monat dafür und will keine solchen Anrufe bekommen.
Sie: Stehst du vielleicht nicht im NIX-Register? Den Eintrag muss man jährlich erneuern.
Ich: Das habe ich. Ich stehe im NIX-Register. Tschüss.
Aufgelegt.

Dass ich meinen Eintrag erneuert habe, stimmt nicht, aber ich konnte da keinen Rückzieher machen. Dass man eine jährliche Erneuerung machen muss, ist zudem glatt gelogen, wie ein Anruf bei NIX kurz darauf ergibt. Ich vermute, das ist eine Schutzbehauptung, um solche renitenten Kunden wie mich in die Defensive zu treiben, die sich abends um 9 am Telefon nicht irgendwelchen Mist aufschwatzen lassen wollen, weil sie eine eventuelle Kaufentscheidung auf Basis von Informationen treffen wollen.

Ich habe das Comhem auch gleich noch per Mail mitgeteilt.

Wahrscheinlich haben sie mich sowieso als Kunden verloren. Wir zahlen für den Empfang des ZDF jeden Monat rund 6 € – alles andere ist sowieso in unserer Miete enthalten. Angesichts der Dicke unserer Internetleitung und den umfänglichen Livestream- und Mediathekangeboten bietet es sich eher an, einen alten Computer an den Fernseher anzuschließen und die Geschäftsbeziehung mit Comhem zu beenden. Einen entsprechenden Adapter habe ich mir gerade gekauft.

Inga Lindström – Die Prinzessin des Herzens oder wie man Zuschauern ein Nashorn als Elch verkauft

Eine der besten Szenen kommt gleich zu Anfang. Die Hauptfigur – eine Prinzessin, aber dazu später mehr – ist in Stockholm auf der Flucht vor Paparazzi. Sie rennt ihnen davon, und zwar ungefähr auf diesem Weg:


Visa Weg der „Prinzessin“ på en större karta

Neben der offenkundigen geographischen Unsinnigkeit der Szenen ist die Geschwindigkeit beeindruckend: ca. 5,4 km in 45 Filmsekunden – das macht 419 km/h im Schnitt. Eine beachtliche Leistung, das muss man schon sagen. Ich erinnere mich noch genau an den Drehtag, als ich den von der Prinzessin verursachten Überschnallknall vernahm.

Die Flucht gelingt, auch weil sie sich von einem herumstehenden Motorrad einen Helm nimmt. Der Besitzer des Gefährts kehrt aber zurück, ist ausgesprochen gutaussehend und die Prinzessin ist peinlich berührt.

Die meiste Zeit des Films ist es aber eher der Zuschauer, dem das Gezeigte die Schamesröte ins Gesicht treibt. Nicht wegen solcher sehr freien Interpretationen der Stockholmer Geografie wie oben dargestellt. Die Geschichte ist nämlich derart hanebüchen, dass es auch hartgesottenen Rosamunde-Pilcher-erprobten ZDF-Zuschauern reichlich obstrus vorkommen muss.

Weniger rasant, aber mindestens genauso unsinnig: die Handlung

Die Prinzessin heißt Christina, und ist nicht etwa Tochter eines Königs, sondern des Herzogs von Köping, einem Adelsspross aus einer Nebenlinie des Königshauses. Der ist mit Rufus Beck besetzt, der v.a. dank seiner Frisur ungefähr so gut in die Rolle eines schwedischen Aristrokraten passt wie Pete Doherty in die Rolle eines Entzugsklinikchefs. Christina wird in Kürze heiraten, und zwar den schnieken Henrik, seines Zeichens Prinz von Lappland. Und wenn der König von Lappland einmal abdankt oder den Löffel abgibt, dann wird sie Königin vom allseits bekannten Königreich Lappland mit all seinen Rentieren, Elchen, Wölfen, Bären und Rentieren – ach ne, die hatten wir ja schon. Ein Superdeal also, und der Herzog macht ihr deutlich, dass es ja wohl eine Sache des Pflichtbewusstseins sei, diese Ehe einzugehen.

Wenn da nicht Sven wäre, der wiederum Landschaftsarchitekt ist – das sind in dem Film Gärtner, die mit einem Bauplan herumstehen – und das Motorrad besitzt, an dem sich die Prinzessin eines Helms bemächtigt hat. Rein zufällig natürlich begegnen sich die beiden wieder bei der Eröffnung eines Golfclubs, die die Prinzessin durchführen soll. Sie hat ein bisschen Zeit und kommt beim Umherschlendern unter die Sprinkleranlage für den Rasen. Und wie man das eben so macht, bleibt man gleich im Wasser stehen und unterhält sich angeregt. Trocknen kann man schließlich später. Sven ist nämlich ein echter Gentleman und nimmt sie auf dem Motorrad mit zu sich nach Hause. Sein Haus ist – Achtung, jetzt wird es anarchisch – gelb und nicht rot, hat aber einen Kleiderschrank mit Klamotten seiner Schwester, woraus ihre Durchlaucht ein (trockenes) Kleid erhält. Sven ist nämlich Single und in Royal-Sachen ziemlich unbewandert. Deswegen ist ihm auch nicht ganz klar, wen er sich da ins Haus geholt hat. Seinen Schwestern – er hat zwei davon – aber schon, weswegen sie auch prompt einen Take-That-Gedächtniskreischer loslassen.

Es ist immer der Gärtner, pardon, Landschaftsarchitekt

Zur Familie von Sven gehört noch eine bezaubernde Nichte und ein Statist, der Fische durch die Gegend trägt und vermutlich der einzige echte Schwede in der Veranstaltung ist. Deswegen darf er sicherheitshalber nur ein paar Halbsätze sagen, und sogar die wurden auch noch synchronisiert. Die ganze Baggage lernt Christina kennen, als sie das Kleid zurückbringt. Natürlich findet sie Sven höchst charmant, und es kommt, wie es in solchen Filmen kommen muss: die beiden mögen sich ziemlich.

Dumm nur, dass die Gute ja schon kurz vor dem Traualtar steht. Dieser wiederum steht, wie man eingangs bei der Generalprobe sieht, sozusagen unter einem Partyzelt vor dem herzöglichen Landschloss. Der Herzog selbst ist übrigens Witwer und hat eine Affäre mit einer Klatschjournalistin, die den fast schon comichaften Namen Mona Misselholm trägt. Sie verlangt, dass er sich zu ihr bekennt, was er aber noch nicht so recht möchte. Das findet sie tendenziell eher nicht so gut. Es kommt zum Zerwürfnis. Was er nicht weiß: sie ist schwanger.

Derweil geht es auf einer schönen Insel – vermutlich auf dem Mälaren – zwischen Christina und Sven heiß her. Wie das so in Filmen ist, war das bescheidene königliche Boot (ohne Ironie: es ist eine Nussschale) unzureichend betankt und die beiden stranden auf jenem Eiland, weswegen die Durchlauchte das Krankenhaus nicht einweihen kann, das ihre selige Mutter einst auf den Weg brachte. Das gibt mächtig Ärger, als sie zurückkommt: sie muss ohne Abendessen ins Bett, und Henrik zeigt zwar, dass er sie liebt, aber im Grunde doch ein ziemlicher Schnösel ist. Sven ist mächtig deprimiert und beschließt, nach Finnland zu gehen.

Irgendwann hat der Herzog auch noch einen Autounfall, aber das ist nur Vorgeplänkel für den großen Schlussakt: er entdeckt in Monas Handtasche ein Ultraschallfoto. Die Gute ist nämlich schwanger, und zwar in der 12. Woche. Das Kind auf dem Foto ist aber eher in der 36. Woche und macht vermutlich eine Woche nach Geburt seinen Schulabschluss. Aber zurück zum Herzog: der hat Schwierigkeiten, mit Gips am Bein auf die Knie zu gehen, tut es aber trotzdem, denn er will Mona heiraten. Das findet sie tendenziell eher gut und sagt ja. Sie will aber den Artikel über die Sache selbst schreiben. Vielleicht kann sie an dem Artikel weiterschreiben, den sie angefangen hatte, als sie von dem Autounfall erfuhr. Er begann so:

Danpå en, som en sen
Som mycktiga här sides synenetta

Was soviel heißt wie „Das halten wir beim Produktionsteam für Schwedisch.“.

Der nun milde gestimmte Herzog kann letzten Endes akzeptieren, dass Christina den werten Henrik doch nicht mehr heiraten will. Dieser ist ein bisschen geknickt und muss alleine auf dem Elch nach Hause reiten. Christina hingegen ist außerordentlich glücklich, aber Sven ja schon auf dem Weg nach Finnland. Die schnellste Prinzessin der Welt schafft es in bemerkenswerten 30 Minuten, vom Landschloss am Mälaren zum Viking-Line-Terminal auf Södermalm zu fahren, wo Sven sich scheinbar gerade auf das Schiff Mariella (Farbe: rot) begibt, um kurz darauf mit dem Schiff Cinderella (Farbe: weiß) wegzufahren. In Wirklichkeit sitzt er aber an einem Aussichtspunkt und denkt intensivst nach. Da kommt ihm Christina natürlich gerade recht. Friede, Freude, Eierkuchen.

Vergessen wir einmal den ganzen Schmalz dieser Geschichte. Selbst wenn man über die üblichen unplausiblen Darstellungen Schwedens in den Lindström-Filmen hinwegsieht, so erreicht dieses Machwerk eine neue Dimension. Da braucht man gar nicht so sehr ins Detail zu gehen.

Zuschauer für dumm verkaufen

Für Royal-Desinteressierte muss die Darstellung des Adels schon absurd erscheinen. Für Royal-Begeisterte ist es der blanke Hohn.
Nun ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Herzog auch eine Prinzessin hat. Aber nicht in Schweden. Die einzigen Herzöge, die dieses Land heute noch hat, sind die Kinder des Königs. Und selbst wenn es noch Herzöge gäbe, dann bestimmt keinen von Köping – wobei ich immerhin hoch anrechnen muss, dass Köping im Film korrekt als „Schöping“ ausgesprochen wird. Zudem sind Geographienamen in Adelsnamen in Schweden eher ungebräuchlich, soweit ich weiß. Erst recht abstrus wird es, wenn der Umgang mit der Prinzessin dargestellt wird. Der Umgang mit der aus irgendeiner Nebenlinie stammenden Adeligen schwankt zwischen Superstar und vollkommen unbekannt. Alle, die sie kennen, verfallen in eine Untertänigkeit, die man selbst in England nur bei der königlichen Familie selbst zeigen würde. Alle, die sie nicht kennen, sind überrascht, dass die anderen sie kennen. Als Sahnehäubchen macht sie auch noch einen auf Prinzessin auf der Erbse, die sich bei der ihr natürlich vollkommen unbekannten Tätigkeit des Kartoffelschälens nach 100 Millisekunden in die Finger schneidet.

Der Abschuss ist freilich der Prinz von Lappland. Musste es gleich ein Königssohn sein? Ich kann ja noch verstehen, dass man sich mit keinem existierenden Königshaus anlegen wollte, aber dass man ausgerechnet mit Lappland einen der dünnsten besiedelten Landstriche des Kontinents gewählt hat, der zudem auch noch teilweise zu Schweden selbst gehört, ist ein schlechter Witz.

Noch grotesker ist der zentrale Konflikt des Films: die Prinzessin fühlt sich aus Pflichtbewusstsein dazu genötigt, den Spitzenadligen Henrik zu heiraten und nicht den gewöhnlichen Bürgerlichen Sven. Und das wohl gemerkt in einem Jahr, in dem die schwedische Thronfolgerin ihren ehemaligen Fitnesstrainer heiratete!! Das hätte man sich nicht schlechter aussuchen können, zumal dieser Film offenkundig ein Trittbrettfahrer in Sachen Prinzessinnenhochzeit ist.

In diesem Film stimmt also so ziemlich gar nichts – mit dem feinen Unterschied, dass auch diejenigen, die wirklich glaubten, das Ganze habe etwas mit Schweden zu tun, sich gründlich verarscht vorkommen müssen.

Christiane Sadlo, wie Inga Lindström wirklich heißt, hätte besser von royalen Ambitionen die Finger gelassen. Das ewig gleiche Grundthema des idealisierten schwedischen Landlebens mit Holzhäusern und Picknick im Grünen gegenüber der vermeintlich hektischen Stadt, die immer Stockholm, aber nie Göteborg oder Malmö ist, hätte ohne diese an den Haaren herbeigezogenen Adligen erheblich besser funktioniert. Dass sie das Land Schweden verhöhnt, indem sie es zu einer Naturkulisse für Schmachtgeschichten degradiert und dabei ein Kunstprodukt ohne realen Bezug erzeugt, ist schlimm genug. Ihre Zuschauer aber für derart dumm zu halten, dass sie ihr diesen gequirlten Blödsinn abkaufen, ist armselig.

Sandbergen, die Perle Schwedens

Seit Sonntag suchen irgendwelche Leute nach „Sandbergen“ und ähnlichem, was sie anscheinend zu meiner Seite führt. Offenkundig wollen sie wissen, wo dieser Ort liegt, den die Schwedin Inga Lindström in ihrem Herzschmerzkracher „Der Zauber von Sandbergen“, der am Sonntag im ZDF lief, zum Schauplatz der Handlung macht.

Was sie nicht wissen: weder ist Inga Lindström echt noch ist die dahinter stehende Autorin Schweden, noch hat das Gezeigte sonderlich viel mit Schweden zu tun.

Gibt es Sandbergen überhaupt?

Ja, es gibt ein Sandbergen in Schweden, und es liegt genau hier. Wer das sagenhafte Örtchen besuchen will, muss sich also ein Boot besorgen, denn Sandbergen ist ein Teil des mittelschwedischen Sees Hjälmaren in der Nähe von Eskilstuna.

Hochzeitsnachlese

Eine Woche sind sie nun verheiratet – wer, das braucht wohl nicht dazu gesagt zu werden. Es ist sehr schnell Normalität eingekehrt, auch wenn natürlich viel darüber gesprochen wurde.

Noch in der Nacht türmte das Brautpaar in einem Privatjet eines befreundeten Multimillionär Richtung Tahiti. So wird Öland dieses Jahr ohne den traditionellen Besuch Victorias zu deren Geburtstag auskommen müssen.

Neben dieser Nachricht ging es in den letzten Tagen um zwei Dinge: die Rede von Prinz Daniel und der Streit des schwedischen Fernsehens mit verschiedenen internationalen Nachrichtenagenturen.

Für die Rede wird Daniel hochgelobt, nicht nur für deren rhetorische Qualität und romantische Note, sondern auch für den fliegenden Wechsel von Englisch zu Schwedisch und zurück. Er hatte sich in den letzten Jahren für solche Aufgaben vorbereitet und wird dies wohl auch noch eine Weile weiter tun.

Dem kann ich eigentlich nur zustimmen. Die Rede war souverän, romantisch und sympathisch, womit er auch Zweifel an seiner Eignung als Repräsentant des Landes ausgeräumt haben dürfte.

Der Streit mit den Nachrichtenagenturen ist ein Nebenschauplatz, wenn auch nicht ein unwichtiger. Es war keine Übereinkunft über die Verwendung der Videoaufnahmen gefunden worden, so dass die Agenturen knallhart die Berichterstattung boykottierten, was mal eben so die umfangreichste PR-Veranstaltung für Schweden in der Welt seit langem torpedierte. So offen schrieben es teilweise auch die Kommentatoren. Das schwedische Fernsehen SVT ging in die Offensive und veröffentlichte die Vertragsbedingungen. Danach schien die Sache im Sande zu verlaufen.

Anschauen kann man die ganzen Videos auch so, wenn auch zeitlich begrenzt.

Seither ist offiziell Monarchiejubelstimmung angesagt. Ich hatte auch einen Popularitätsschub erwartet, aber habe mittlerweile so meine Zweifel. Eine Sache, die mich jedenfalls etwas stutzig macht, ist die Tatsache, dass die Einschaltquoten geringer waren als bei den alljährlichen TV-Hochämtern, der Donald-Duck-Weihnachtsfolge am Heiligabend und dem Finale des Melodifestivalen. Wenn das erste derartige Ereignis seit über 30 Jahren weniger Leute vor den Fernseher bringt als diese beiden Sendungen, dann ist das schon irgendwie seltsam. Möglich, dass die Sache die Kluft zwischen Monarchiegegnern und -befürwortern nur noch weiter vertieft hat.

Heute habe ich auch mal in die Berichterstattung der deutschen Sender hineingesehen, die natürlich vom royalen Fachsender ZDF federführend, sekundiert von längeren Übertragungen im NDR, durchgeführt wurde. Meine schlimmsten Befürchtungen scheinen sich zu bestätigen. Hanns-Joachim Friedrichs hat ja einmal folgenden Satz gesagt, den jeder Journalistikstudent seither hundertmal in sein Poesiealbum schreiben muss, bevor er ins zweite Semester darf:

Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört.

Daran gemessen scheinen die Sendungen ziemlich zweifelhaft zu sein. Es wimmelt nur so von Royal-Experten, die natürlich alle immer wiederholen, wie toll das doch alles sei. Stundenlange Dauerschwärmerei bis hin zu Äußerungen in der Art, das sei doch alles gar nicht so pompös gewesen und überhaupt waren die 2 Millionen Euro ein Schnäppchen, lassen dann doch die Distanz etwas vermissen. Wenn das nicht pompös gewesen sein soll, dann frage ich mich, was pompös ist. Ich kann mir auch nicht so ganz vorstellen, dass die Summe von 2 Millionen Euro alle direkten und indirekten Kosten abgedeckt haben soll, denn immerhin war das mit dem größten Polizeieinsatz der schwedischen Geschichte verbunden. Das mag ja trotzdem alles angemessen sein, aber derart unreflektiert daherzuschwärmen wird dem Thema nicht gerecht. Ich bin mir auch recht sicher, dass in all den Stunden Liveübertragung kein einziges Mal erwähnt wurde, dass die Popularität des Königshauses seit Jahren permanent sinkt. Das würde die schon durch einen Inga-Lindström-Film eingeleitete Schweden-Idylle ja nur trüben.

Ein öffentlich-rechtlicher Sender kann so ein Ereignis ja gerne begleiten, aber sollte sich dabei weniger vereinnahmen lassen.

Das Bullerbü-Syndrom

Eingefleischte Inga-Lindström-Gucker wissen: so sehen alle Häuser in Schweden aus.

Es ist fast soweit. Wer in Schweden wohnt und überhaupt gar nichts besseres zu tun hat, kann sich an diesem Samstag vor den Fernseher setzen und SVT2 einschalten. Dieser öffentlich-rechtliche Fernsehkanal besticht häufig durch die Ausstrahlung von Gottesdiensten sowie Sendungen, die sogar Marcel Reich-Ranicki erfreuen würden. Nächtens glänzt er mit dem Testbild oder subtilem Rauschen.

Diesen Samstagabend jedoch stellt er sich zur Verfügung, einen erschreckenden Einblick in die Wünsche und Sehnsüchte der Deutschen zu geben.

Um 21:25 Uhr läuft nämlich
:

Inga Lindström: Sandbergens Magie

Schwedisch duftende deutsche Romantik von 2008.
Auf einer seiner täglichen Fischtouren findet Magnus Sigge eine bewusstlose Frau an einem Strand nahe Sandbergen. Als sie aufwacht, erinnert sie sich weder daran, wer sie ist noch woher sie kommt. Lucia, wie sie beschließen, sie zu nennen, findet sich jedoch schnell zurecht mit Magnus und ihrem neuen Dasein im gesamten. Eines Tages kommt jedoch die Wahrheit heraus, als ihr Lebensgefährte Bernd an die Türe klopft. Selma Alander, wie sie eigentlich heißt, muss sich zwischen dem Idyll in Sandbergen und ihrem früheren Leben entscheiden.

Für alle Schweden, die nach diesem Schmalz noch nicht denken, dass alle Deutschen vollkommen gaga sind, wird gleich noch eine Reisereportage des deutschen Fernsehens über die Schären und Stockholm ausgestrahlt.

Dass die Filme von der aus Oberschwaben stammenden Christiane Sadlo, wie Inga Lindström wirklich heißt, mit der schwedischen Realität nichts zu tun haben, ist allgemein bekannt. Das beginnt mit dem Namen, denn Lucia heißen in Schweden gerade einmal 2400 Menschen (für die Top 100 bräuchte es schon 20000) – von Bernd ganz zu schweigen – , und endet mit dem ganzen Rest.
Das schwedische Publikum mit diesem Paralleluniversumsschweden zu konfrontieren ist aber neu.

Was die Drehbuchschreiberin antreibt, sich ein ganzes Land als Szenerie für seichte Unterhaltung hinzubiegen, kann man schön in einem Artikel der Berliner Morgenpost nachlesen.

Dort ist auch von dem Soziologen Bernhold Franke die Rede, der die Vorliebe der Deutschen für diese Filme das „Bullerbü-Syndrom“ nennt. Laut ihm ist es nicht die Sehnsucht nach Schweden, sondern der Wunsch nach einer Idylle. Wie es der Autor gut auf den Punkt bringt:

Die Sehnsucht der Deutschen nach Schweden ist nichts weiter als die Sehnsucht der Deutschen nach einem besseren Deutschland.

Was sich in vieler Hinsicht auch mit dem deckt, was ich in verschiedenen Schwedenforen von auswanderwilligen Deutschen so lese. Schweden wird zur Projektionsfläche des Wunsches nach einer besseren Welt. Auch wenn die meisten Deutschen es weit von sich weisen: ein bisschen glauben wir doch alle daran, dass es besser ist, wo die Wiesen weit, die Häuser rot und die Elche allgegenwärtig sind.

Dass dieses Land genauso seine Probleme hat, schiebt man lieber weit von sich, denn das Gras auf der anderen Seite muss per Definition grüner sein.

Die Schweden werden dieser Einstellung etwas unverständig und amüsiert gegenüber stehen. Die gestrige Ausgabe des Magazins „KOBRA“, ebenfalls in SVT2, hat dies anscheinend schon getan.

Unglückliche Überschriften Teil 2098

ZDF Politiker beklagen 1933
Ausriss: zdf.de

Einen sprachlichen Ausrutscher leistet sich heute das ZDF. Beklagen kann man eigentlich nur, was man noch rückgängig oder zumindest noch korrigieren könnte. An der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes kann man heute aber leider nichts mehr ändern. Genauso gut könnte man das Schisma der Kirche, das Scheitern der Revolution 1848 oder den Vietnamkrieg beklagen.

Nachtrag: Nachdem ich ja jetzt schon zwei Kommentare dazu bekommen habe, habe ich mir etwas Gedanken gemacht. Ich bin bei Google News über die Überschrift gestolpert und habe mich spontan an ihr gestört. Auch nach einigem Nachdenken im Bus bin ich der Ansicht, dass man das Wort „beklagen“ üblicherweise nicht in diesem Zusammenhang verwendet. Aus meiner Sicht bezieht sich das Wort typischerweise auf einen Zustand oder ein kürzlich stattgefundenes Ereignis. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, dass z.B. Überlebende ihre Toten beklagen. Es muss also nicht notwendigerweise einen Adressaten geben, ist in dem Falle aber ein Ausdruck von Schmerz und Trauer.

Ich vermute, ich habe mich vor allem deswegen daran gestört, dass es eigentlich selbstverständlich ist, dass das Ermächtigungsgesetz etwas beklagenswertes war und ist. Eine Klage ist nach meiner Sicht aber auch immer, dass man andere auf etwas hinweisen möchte. Allerdings ist man im Allgemeinen in der deutschen Öffentlichkeit darüber hinaus, denn diejenigen, an die die Klagen gerichtet sein könnten, sind tot. Auch ist das Ermächtigungsgesetz nichts, was heute den Abgeordneten noch unmittelbar Schmerzen bereiten würde – daher wäre „mahnen“ oder „gedenken“ in so einem Zusammenhang sicher besser als „beklagen“.

Aber ihr habt schon recht: ein Ausrutscher ist es nicht. Da hatte ich hier schon ganz andere Sachen präsentiert.

Verschiedenes

Weil ich momentan irgendwie wenig zum Schreiben finde, mal wieder einer meiner etwas uninspirierten Posts:

  • Das Wetter ist mittelmäßig bis schlecht. Der schwedische Sommer ist bislang stark reklamationsbedürftig. Ich bin dabei, die entsprechende Beschwerdestelle zu suchen.
  • Die schwedische Steuerbehörde „Skatteverket“ hat mir ein Formular zukommen lassen, mit dem ich meine Einkünfte aus Deutschland korrekt versteuern kann. Irgendwas sagt mir, dass ich dabei ungefähr genauso viel Spaß haben werde wie bei einer Zahnwurzelbehandlung. Allem Anschein nach werde ich bis Ende des Jahres monatlich einen mehr als nur grob abgeschätzten Beitrag versteuern, um dann nächstes Jahr konkrete Zahlen vorzulegen. Die Steuerbehörde kann wohl froh sein, dass mein Fall ausgesprochen selten ist – ansonsten wäre das nämlich ein erstklassiger Anreiz zur Steuerhinterziehung, denn das Verfahren beruht natürlich zu guten Teilen auf der Ehrlichkeit des Lohnempfängers. Ich werde jedenfalls alles korrekt angeben. Im Gegensatz zur Schweiz ist Steuerhinterziehung nämlich auch hierzulande ein Verbrechen.
  • Ähnlich freudig ist, dass meine praktische Prüfung wohl frühestens am 27. Juli stattfinden können wird, weil Prüfungstermine knapp sind. Das ist ärgerlich, aber nicht zu ändern. Bis dahin kann ich jedenfalls sehr gut fahren, so dass die Prüfung nur bei sehr viel Pech danebengehen dürfte.
  • Da genügend Zeit ist, werden nun eher ungewöhnliche Fahrstunden eingeschoben. So durfte ich heute morgen testweise die Linie 62 fahren, die von Fredhäll nach Storängsbotten geht – beides Stadtteile, in denen ich zuvor noch nie gewesen war. Spannend wurde es dann in der Innenstadt, wo nicht nur unzählige Touristen und die Marschkapelle des Wachwechsels am Schloss herummarschierten, sondern auch viel Verkehr ist und die Straßen häufig mehr als eng sind.
  • Am Freitag und am Montag werde ich dann alles über Fahrkarten und Brandschutz lernen. Ich bin gespannt.
  • Das Auswendiglernen der Linien ist wohl weniger wild, als ich ursprünglich dachte. Die Garage, in der ich fahren werde, bedient ungefähr 18 bis 20 Linien – das sollte also bald überschaubar sein.
  • Interessant wird übrigens ein anderes Mobilitätsthema – die Frage, was mit dem Auto, das ich hier habe, geschehen soll, ist immer noch nicht geklärt. Sicher ist jedoch, dass ein Ölwechsel fällig ist, den ich auch selbst vornehmen werde. Ansonsten bleibt mir aber wohl nur, eventuelle Mängel – sofern mir möglich – festzustellen, denn das einzige, was ich sonst noch in Eigenregie wechseln würde, sind Lampen und Zündkerzen. An Bremsen wage ich mich jedenfalls nicht heran – zuviel Fehlerpotenzial. Zudem muss ich auch eine Werkstatt finden. Glücklicherweise gibt es so genannte „Gör-det-själv-hallar“ (also „Mach-es-selbst-Hallen“), wo man die Werkstatt stundenweise anmieten kann. Manches Werkzeug gibt es da auch, so dass zumindest einem erfolgreichen Ölwechsel nichts im Wege stehen sollte. Sollte ich das Auto nach Schweden ummelden, folgt zu Anfang eine Art TÜV, bei dem dann ohnehin alles herauskommen wird. Das System ist aber recht gut durchdacht: jeder Autobesitzer bekommt einmal jährlich einen Termin beim schwedischen TÜV zugewiesen. Ist alles ok, bekommt man die neue Plakette. Wenn nicht, muss man es bei einer autorisierten Werkstatt reparieren lassen und bekommt dann die Plakette. Der schwedische Staat nimmt also Inspektionsfaulen zwangsweise etwas ab, denn so ist ein jährlicher Check garantiert.
  • Letzten Freitag war deutscher Stammtisch. Dort wurde etwas belustigt über die Inga-Lindström-Filmreihe im ZDF gesprochen. Christine hat sich neulich am Telefon auch darüber aufgeregt. Kurz gesagt, in Filmen wie „Sehnsucht nach Marielund“, „Im Sommerhaus“, „Sprung ins Glück“ und „Vickerby für immer“ werden Schwedenklischees meterdick aufgetragen und mit allerlei grob falschem vermischt. Zu den Mängeln kam mir bisher unter:
    • Schon in den Bildern ist offenkundig, dass dort wohl so gut wie alle in Häusern wohnen, die so ähnlich aussehen wie das von Michel aus Lönneberga.
    • Auf den Schäreninseln vor Stockholm wimmelt es laut den Filmen nur so von Elchen. Ich weiß zwar nicht, ob die Elche begeisterte Schwimmer sind, aber auf den doch meist sehr kleinen Schäreninseln ist mir noch nie einer begegnet. Das will aber für sich genommen noch nichts heißen, denn nach knapp 2 Jahren in diesem Land ist mir überhaupt noch nie ein Elch begegnet.
    • Fahrräder sind zu erstaunlichen Geschwindigkeiten fähig. Anscheinend kommen in den Filmen mehrere Szenen vor, wo jemand von den Schäreninseln ebenso mal schnell in einer Viertelstunde nach Sigtuna fährt. Da Sigtuna rund 50 km Luftlinie von den Schären entfernt liegt, kommt man da also grob geschätzt auf eine Geschwindigkeit von 200 km/h. Es geht aber erstaunlicher. Offenkundig liegt auch ein Ort namens Sundsvall nur 15 Minuten von den Schären entfernt. Das echte Sundsvall ist jedoch stolze 340 km von Stockholm entfernt. Allen Radfahrern in den Filmen ist daher dringend zu empfehlen, ihre Fahrräder zum Patent anzumelden und geeignete Schutzkleidung zu tragen.
    • Midsommarszenen wurden anscheinend im Winter gedreht, weswegen diverse Akteure offenbar ausgesprochen dick eingepackt waren für Ende Juni.

    Ich bin mir nicht so sicher, ob ich einen dieser Filme sehen möchte.

  • Interessante Meldung am Rande, die mich stark an eien Geschichte im SPIEGEL erinnert hat: Diplomaten zahlen ihre Strafzettel für Falschparken nicht. Das müssen sie auch nicht, denn sie sind ja immun. In der SPIEGEL-Geschichte ging es um einen interessanten Zusammenhang zwischen Strafzetteln und Korruption – zwei Wissenschaftler haben die Menge der unbezahlten Strafzettel von in New York stationierten Diplomaten untersucht und mit der Korruption im entsprechenden Land verglichen. Im dortigen Ranking sind zwischen den Listen wenige Ähnlichkeiten zu erkennen. Dies liegt aber daran, dass Tickets pro Diplomat gerechnet wurden. In absoluten Zahlen sieht die Sache schon ähnlicher aus: Russland führt in beiden Listen dann klar, und auch China bekleckert sich nicht mit Ruhm. Deutschland allerdings peinlicherweise auch nicht. Eine Methode der New Yorker war übrigens in den Berichten hier nicht zu lesen: Dort hat man einfach zur Bestrafung die Anzahl der vergebenen Diplomatenkennzeichen auf ein Minimum reduziert. Wer kein Auto hat, kann auch nicht falsch parken.
  • Hier ein Blog-Artikel über Prostitution. Ich habe mich ja hier zum Thema schon ein paar Mal ausgelassen. Kurz gesagt: in Schweden macht sich der Freier strafbar, die Prostituierte jedoch nicht. Der Autor scheint die Politik hierzulande gut zu finden – obwohl der Artikel durchaus die Problematik anspricht, dass die Straffreiheit der Werbung dazu führt, dass etwas versteckter im Internet um Freier geworben wird anstatt auf der Straße. Eine besonders seltsame Werbungsmethode ist das Bekleben von Ampelpfosten mit Telefonnummern und dem Wort „Massage“ oder auch „Erotische Massage“. Dann weiß jeder bescheid, und da Handynummern in Schweden im Gegensatz zu ziemlich allem anderen anonym sein können, fällt es leicht, Spuren zu verwischen. Der Artikel erweckt leider etwas den Eindruck, Prostitution ginge einfach unvermindet im Hinterzimmer weiter. Dem ist nicht so – wenn hier in Schweden einmal ein großes Bordell auffliegt, hat dieses weniger als 10 Angestellte. Im Vergleich zu den regelrechten Bordellburgen in anderen Teilen Europas ist das so gut wie nichts. Hinzu kommt, dass einfach auch sehr wenig geduldet wird. Keine Zeitungsanzeigen unter der nebulösen Überschrift „Kontakte“, kein Straßenstrich, keine roten Lampen – die Werbung erfolgt vergleichsweise versteckt und wird daher nur wenige anziehen. Die Abschaffung der Prostitution bleibt natürlich eine Utopie, aber man kommt ihr in Schweden schon recht nahe, denke ich.
  • Zum Abschluss etwas Amüsantes: Yvonne über einige seltsame Dinge hier in Schweden und die schwedische Alternative zum Sommerfest der Volksmusik