Fünf Jahre

Da war es wieder einmal soweit: heute sind es auf den Tag genau fünf Jahre, seit ich nach Schweden gezogen bin.

Ich begehe dieses Jubiläum fast schon traditionell mit der Veröffentlichung von neuen Teilen des Auswandererguides. Da viele der „großen“ Themen schon behandelt wurde, habe ich mir dieses Mal ein eher bürokratisches und zwei eher praktische Themen ausgewählt:

Dieses Mal mehr als jemals zuvor freue ich mich über sachdienliche Hinweise und Verbesserungsvorschläge. Gerade Telefon, Internet und Fernsehen sind so umfänglich, dass es durchaus passiert sein kann, dass mir hier wichtige Informationen durch die Lappen gegangen sind.

Kreuze machen – in doppelter Hinsicht

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Der Wahlschein zur Kirchenwahl

Thomas war wieder einmal schneller: am Sonntag ist Kirchenwahl.

Dieses Ereignis ist schon etwas kurios hier in Schweden, denn die schwedische Kirche war bis 1999 eine Staatskirche, was sich u.a. dadurch ausdrückte, dass sie bis in die frühen 1990er Jahre für das Meldewesen zuständig war. Bis heute gibt es in Schweden keine Trennung zwischen kirchlicher und standesamtlicher Trauung – dir kirchliche Trauung ist gleichzeitig auch die zivile Trauung.

Die Kirchenwahl ist bis heute davon geprägt, denn sie kommt daher wie eine „normale“ Wahl: es wird einem ein hochoffizieller Wahlschein zugestellt. Zudem darf man gleich in drei Wahlen mitstimmen: analog zu den staatlichen Strukturen Kommune, Län (eine Art Bundesland), Königreich gibt es bei der Kirche Församling (Gemeinde), Stift (Bistum) und Kirche als gesamtes. Jede dieser Ebenen wird von einem demokratisch gewählten Rat geleitet.

Das Kuriosum besteht eigentlich darin, dass nicht etwa Einzelpersonen antreten, sondern Listen, die zudem größtenteils von den Parteien aufgestellt werden. Konkret: zu jeder der etablierten Parteien gibt es auch eine Kirchenliste, was irgendwie nicht so wahnsinnig viel Sinn macht, weil es dort ja nicht um Parteipolitik geht und die Linkspartei z.B. mit der Kirche nicht viel am Hut haben dürfte.

Ich bin Mitglied in der deutschen Kirche, die eine sogenannte nicht-territoriale Gemeinde ist. Soll heißen, man kann in dieser Kirche auch Mitglied sein, wenn man nicht in deren Bezirk wohnt. Ansonsten funktioniert das nämlich wie in Deutschland: dort, wo man wohnt, wird man automatisch Gemeindemitglied. Im Gegenzug kann man nur Mitglied werden, wenn man besondere Anforderungen erfüllt. Man qualifiziert sich z.B. durch die deutsche Staatsbürgerschaft oder dadurch, dass man Angehöriger eines Gemeindemitglieds ist. Evangelisch muss man natürlich auch sein.

Da ich derzeit 0,78% meines gesamten Einkommens an die Kirche gebe, wollte ich da natürlich nicht fehlen, wenn schonmal gewählt wird. Da ich am Sonntag nicht wählen kann, bestellte ich ein Briefwahlpaket, das leider nie angekommen ist.

Heute ist der letzte Tag gewesen, im Voraus zu wählen – sowohl durch Vorbeischauen bei der Gemeinde als auch durch Briefwahl. Dummerweise hatte ich die Wahlbenachrichtigung zuhause gelassen.

Die Frau bei der Gemeinde war aber so nett, herauszufinden, dass sie mir eine Ersatzkarte ausstellen kann. Also bin ich heute nachmittag hin und habe gewählt.

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Innen taten sich bemerkenswerte Parallelen zu den allgemeinen Wahlen auf. Wahlkabine, Wahlkuverts und Stimmzettel sind praktisch identisch. Einziger Unterschied war, dass man bei der Kirchenratswahl meiner Gemeinde drei Kandidaten wählen durfte. Es gab zwei Kandidatenlisten. Panaschieren, also die Wahl von Bewerbern mehrerer Listen, war aber nicht erlaubt.

Ich bin ehrlich gesagt weitgehend uninformiert und ahnungslos in diese Wahl gegangen. Daher wollte ich bei den regionalen und nationalen Wahlen auch meine eigene Partei wählen. Dummerweise war diese die einzige, die keine Stimmzettel ausliegen hatte. Also habe ich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Partei einfach auf einen leeren Zettel zu schreiben.
Ich hätte auch nicht gewusst, wen ich sonst hätte wählen sollen. Neben den Parteilisten gab es nämlich noch so Listen wie „Kyrkans Bästa“ („Die Besten der Kirche“), von denen ich noch weniger Ahnung habe als von den etablierten Parteien. Der Knüller ist aber „Öppen Kyrka“ („Offene Kirche“), die es nur auf drei Kandidatinnen bringt. Die drei Mädels sind 65, 70 und 71 Jahre alt, und zwar genau in dieser Reihenfolge auf der Liste. Das Motto lautet also: der Jugend eine Chance geben. Die 70-jährige ist Tänzerin und studiert, um Pastorin zu werden, was in dem Alter doch etwas, ähm, ungewöhnlich ist. Die beiden anderen sind schon Pastorinnen, aber das macht es auch nicht wirklich leichter, diese Liste ernst zu nehmen.

Auf lokaler Ebene habe ich mehr oder weniger spontan entschieden – auf der einen Liste („Samverkan“, zu deutsch „Zusammenarbeit“) waren Zusatzinformationen zu den Kandidaten abgedruckt und ein Name kam mir aus dem deutschen Programm des schwedischen Rundfunks bekannt vor.

Nun fällt mir allerdings auf, dass die andere Liste („Församlingens Röst“, zu deutsch „Stimme der Gemeinde“) anscheinend eine Protestgründung ist, die sich für Erneuerung einsetzt. Konkret hat diese Erneuerung wohl etwas damit zu tun, dass es auch bei den Christen nicht immer so nett zugeht und so der ehemalige Pfarrer anscheinend etwas unsanft hinauskomplimentiert wurde.

So ein Anliegen erscheint unterstützenswert, aber: who am I to judge? Vielleicht gab es gute Gründe dafür, von denen ich schlicht nichts weiß.

Die Kirchenwahl ist irgendwo eine Farce. Man wählt Personen und Parteien, die man bestenfalls oberflächlich kennt. Die Programme, so sie denn deutlich werden, scheinen sich auf Allgemeinplätze zu reduzieren, an denen man kaum echte Unterschiede sehen kann. Die Parteien betreiben ihre Wahlwerbung halbherzig und sehen das eher als Stimmungstest für die große Wahl im nächsten Jahr. Mir scheint, der eigentliche Zweck der Wahlwerbung meiner eigenen Partei besteht mehr darin, die Leute überhaupt zu den Urnen zu locken. Die Wahlbeteiligung ist so mies (letztes Mal: 12%), dass man nur Stammwähler zu mobilisieren braucht, um einen großartigen Wahlsieg feiern zu können.

Das nächste Mal werde ich versuchen, mich zu informieren – aber für dieses Mal blieb mir nur noch, meine unqualifizierte Stimmabgabe zu bezeugen, als meine drei Wahlzettel in den Briefwahlumschlag getan und in eine versiegelte Urne geworfen wurden.