Als Zuschauer weile ich selten bei Läufen, was meistens daran liegt, dass ich nur unfreiwillig am Rand stehe und anfeuere. Heute war keine Ausnahme, denn die Tjejmilen heißt übersetzt ungefähr „Mädelsmeile“, was deren Charakter schon gut ausdrückt: hier dürfen nur Frauen starten.
Das alleine macht die Veranstaltung noch nicht zu etwas besonderem, denn Frauenläufe gibt es gelegentlich immer noch. Es ist auch nicht, dass es am Ziel Käsekuchen für die Finisherinnen gibt. Es ist die exorbitante Zahl der Anmeldungen. 26.000 Frauen hatten sich angemeldet und immerhin 21.350 kamen ins Ziel.
Es ist also ein lustiges Läuferfest, und ich kann mir unangenehmeres vorstellen, als vielen Frauen beim Laufen zuzuschauen. Also war ich gerne Unterstützer für meine Freundin und noch zwei weitere Läuferinnen.
Ich habe bewusst auf endlose Bildserien von laufenden Frauen verzichtet.
Leider muss ich aber auch etwas Kritik anbringen.
Das hat zum einen mit der Organisation an sich zu tun. Bei der Tjejmilen kann die Startgruppe frei gewählt werden, und zwar bis zur letzten Minute. Der Effekt, dass sich alle in eine Startgruppe stellen wollen, die eigentlich eine Nummer zu schnell für sie ist, wirkt sich hier als Massenbewegung aus. Die Mädels sehen, wie immer mehr in die Startgruppe davor gehen und haben den Eindruck, nur noch von langsamen Läuferinnen umgeben zu sein, die ein schnelles Vorankommen nach dem Start blockieren werden. Daher entscheiden sich immer mehr für den Startgruppenwechsel, und die letzten Startgruppen laufen leer. Die drei Mädels, die ich unterstützte, berichteten denn auch, dass in der Startgruppe 4, die für Läuferinnen mit einer gewünschten Zielzeit von 60 bis 62 Minuten vorgesehen war, auch viele Teilnehmerinnen enthielt, die von Anfang an walkten und damit nie auch nur in die Nähe einer solchen Zeit kommen würden. Das blockiert alle anderen erzeugt letzten Endes viel Frust.
In dem Zusammenhang muss man auch klar anmerken, dass der sportliche Charakter dieser Veranstaltung zweitrangig ist. Es ist eine Wohlfühlveranstaltung, bei der es ums Ankommen geht. Das kann man gut finden, aber es bringt auch einige Nachteile mit sich. Die Organisatoren haben als Hauptziel, ein Event mit möglichst vielen Teilnehmern daraus zu machen. Dass man wirklich frei laufen kann, soll zwar durch die Einteilung in Startgruppen erzielt werden, was aber misslingt, weil jeder Teilnehmer seine Startgruppe frei wählen darf. So ist es auf solchen Veranstaltungen (der Midnattsloppet ist da ähnlich) kaum mehr möglich, persönliche Bestleistungen zu erreichen, denn die langsamen Läufer bremsen die schnelleren aus. So ist der Lauf ein Erlebnis, aber auf den sportlichen Wert sollte man nicht zu sehr schauen.
Auch auf die Gefahr hin, dass mir Unverständnis entgegenschlägt und ich mit meiner Annahme zu sehr ins Spekulative gehe: die Tjejmilen ist für mich ein Beispiel dafür, welche heuchlerische Komponente die in diesem Land so hoch gehaltene Geschlechtergleichstellung hat. Nach vier Jahren hier kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Gleichstellung immer dann besonders wichtig ist, wenn Frauen benachteiligt sind, aber weit weniger wichtig, wenn dies bei Männern so ist. Der einzige reine Männerlauf in der Region Stockholm, der ultraharte Geländelauf Tjur Ruset, wurde letztes Jahr auch für Frauen geöffnet. Auf der anderen Seite gibt es mehrere stark besuchte Läufe hier in Stockholm, die nur Frauen offenstehen. Das schwedische Gleichstellungsgesetz sieht Ausnahmen für Sportwettbewerbe vor, jedoch finde ich es bedenklich, wenn die Geschlechtern nicht nur getrennt starten, sondern ein Geschlecht kategorisch von der Teilnahme ausgeschlossen wird. Dies erweckt für mich den Anschein, dass man einen Wettkampf, der nur Männern offen steht, marginalisiert bzw. erst gar nicht wagt, anzubieten, während ein reiner Frauenwettkampf zu einem Massenevent hochgezogen wird, ohne dass daran irgendjemand etwas diskriminierendes findet.
Hej!
Ich war am Sonntag auch beim Tjejmilen unterwegs und du sprichst genau das an, was mich auch sehr gestört hat. Da haben Läuferinnen aus Gruppe 3 zugegeben, das sie 2 Stunden brauchen werden, das fand ich schon etwas unhöflich, um es mal nett zu formulieren. Ich bin in Gruppe 8 gestartet und neben mir standen plötzlich massig Leute mit Walkingstöcken und Kinderwagen, die eigentlich in die letzte Startgruppe gehörten.
Ich bin als letzte der Gruppe 8 rausgegangen um Niemanden zu behindern, aber schon nach wenigen Metern hatte ich viele Läufer überholt und auf der ganzen Strecke waren Frauen unterwegs, die vom Tempo her eher einen Spaziergang machten. Ich weiß gar nicht wie oft ich „Ursäkta“ gerufen habe um irgendwie an denen vorbei zu kommen.
Was mich auch sehr gestört hat waren die Verpflegungsstationen. Im letzten Jahr staden Helfer wenigstens verteilt, so dass man sich einen Becher greifen konnte, nun standen die Becher nur noch auf den Tischen und viele Läuferinnen blieben stehen. Es war zwar nicht nett von mir, aber ich habe die Damen einfach zur Seite geschoben, ich wollte ja nicht anhalten.
Wären alle Läuferinnen in der richtigen Startgruppe gestartet, hätte das Event sicher mehr Spaß gemacht, so muss ich nun nach Midnattsloppet und Tjejmilen sagen, das der Midnattsloppet deutlich angenehmer war. Ich war dort zwar eher im hinteren Feld vertreten, konnte aber ohne Probleme mein Tempo laufen. Nebenbei war die Stimmung trotz des Regens beim Midnattsloppet viel besser, so ein tolles Publikum hab ich vorher noch nicht gesehen.
Den Tjur Ruset würde ich als Frau auch gerne mal laufen. Ich würde wahrscheinlich als lahme Ente die Ziellini überqueren, aber einmal so richtig seine Grenzen testen, das muss doch richtig Spaß machen. 🙂