Harte Worte

Auch wenn heute hier schon eine Menge steht, kann ich mir natürlich nicht verkneifen, eine der kuriosesten politischen Possen des Jahres 2006 hier in Schweden kurz zu kommentieren.

Kurz die Geschichte: Anna Sjödin, die Vorsitzende von sozialdemokratischen Jugendverband SSU, war im Januar im Stockholmer Club „Crazy Horse“. Tags darauf präsentierte sie sich mit reichlich blauen Flecken im Gesicht aufeiner Pressekonferenz. Klar war nur, dass es zu Handgreiflichkeiten gekommen war. Sjödin behauptete, der Sicherheitsmann Babak Jamei, der dort arbeitet, hätte sie geschlagen. Dieser wiederum sagte jedoch aus, sie hätte ihn beleidigt und wäre auf ihn losgegangen. Anzeigen wurden gestellt – der Prozess wurde aber zu Sjödins Glück nicht vor der Wahl anberaumt. Das Brisante: es sollen auch rassistische Beleidigungen gefallen sein, was natürlich der Todesstoss für Sjödin wäre. In der Zwischenzeit wurden Kameras am Eingang verschiedener Clubs angebracht – prophylaktisch, obwohl man noch gar nicht weiss, was denn passietr ist.
Nun steht sie aber vor Gericht, angeklagt der Tätlichlichkeiten gegen eine Amtsperson (Security am Eingang ist hier offiziell registriert), gewaltsamer Widerstand, eigenmächtiges Vorgehen (in Deutschland wohl Störung der öffentlichen Ordnung)
und Beleidigung vorgeworfen.

Jamei gab heute nun zum Protokoll, sie hätte ihn „Svartskalle“ (wörtlich „Schwarzschädel“) genannt und sei mächtig betrunken gewesen, als er sie hinauswerfen wollte. Sie habe ihn direkt ins Gesicht geschlagen. „Solche Einwanderer wie dich wollen wir nicht in diesem Land“, habe sie gesagt. Als er dies später Kollegen erzählte, sei ihm klar geworden, dass diese Aussagen ja gesetzeswidrig seien.

Sjödin hingegen bestreitet all dies. Laut ihr sei der Abend toll gewesen, bis Jamei angefangen hätte, mit einer Freundin von ihr zu streiten. Jamei habe Sjödin „Hure“ und „Fotze“ genannt. Als sie ihre Tasche holen wollte, habe er sie mit einem Knüppel niedergeschlagen.

Es bleibt abzuwarten, was die anderen Zeugen zu sagen haben.

Das Interesse an dem Prozess ist jedenfalls gewaltig – der Saal war heute voll besetzt. Es könnte zu einem Highlight des Herbsts werden, wenn es nichts Neues vom Spionskandal der Folkparti gibt und die neue Regierung keine Fehler macht. Apropos Folkparti: dort tut sich auch wieder etwas. Der Pressechef gab mittlerweile bekannt, dass man ihn mit einem Job ködern wollte, damit er seinen Mund hält.

Politik mit Körpereinsatz

Nach dem hohen Besuch gestern wird uns heute auch noch einiges geboten: eben war Anna Sjödin da, die Vorsetzende des SSU. Man könnte also vom schwedischen Gegenstück zu Björn Böhning sprechen – das ist der Vorsitzende der Jusos in Deutschland. Wer das nicht wusste: auch nicht tragisch, ich wusste es bis eben nämlich auch nicht. Wahrscheinlich kannte Anna Sjödin in Schweden auch keiner bis vor kurzem. Doch dann hatte sie eine Schlägerei in der Stockholmer Disco Crazy Horse. Der Türsteher fühlte sich von ihr provoziert – sie hingegen gab an, gar nichts gemacht zu haben, wenig getrunken zu haben und grundlos von dem Mann niedergeschlagen worden zu sein.

Tags darauf folgte eine denkwürdige Pressekonferenz, bei der sie mit ordentlich zugerichtetem Gesicht den Vorfall aus ihrer Sicht schilderte. Woanders hätte sie wohl zurücktreten müssen, aber sie wurde unterstützt und kam im wahrsten Sinne mit einem blauen Auge davon.
Aber Even Bad Publicity is Good Publicity – die Angelegenheit rauschte tagelang durch den Blätterwald, und zwar auf Seite 1. Seither ist sie wohl deutlich bekannter. Niels Annen hatte es da leichter. Der musste sich nur 10 Minuten lang Harald Schmidt stellen, um bekannt zu werden.

Anna Sjödin sah irgendwie immer noch angschlagen aus. Mit Augenringen und nicht gerade hinreißendem Redefluss versuchte sie bescheidene 5 Minuten lang, den Kongress auf die Wahl einzuschwören.
So sieht sie übrigens aus:


Es gibt übrigens auch ein offizielles Kongressblog. Natürlich sollte man dazu des Schwedischen mächtig sein.