Diät oder wie man mit den Hoffnungen anderer Leute viel Geld verdienen kann

„GI-NOLL! för kvinnor som vill äta sig smala“ (GI-NULL! für Frauen, die sich schlank essen wollen) von Sten Sture Skaldeman

Ich sollte vorwegschicken: vor 7 Jahren habe ich einmal innerhalb von 4 Monaten 35 kg abgenommen, und zwar ausschließlich durch eiserne Disziplin und eine stark eingeschränkte, fettarme Ernährung gepaart mit regelmäßiger Betätigung. Mein vormaliges Gewicht von mehr als 115 kg habe ich seither nie wieder erreicht.

Daher bin ich bei Diäten, die als das Nonplusultra angepriesen werden, sehr skeptisch. Alle paar Jahre kommen selbsternannte Heilsbringer, die mit neuen Ideen antreten, wie man selbstverständlich ohne jegliche Mühe und Einschränkungen ganz toll abnehmen kann. Mal soll man wenig Fett essen, dann viel, mal proteinreich, mal nicht, mal soll man wiegen, mal darf man das auf keinen Fall tun.

Im Grunde ist es traurig, wie sich Diätbücher immer wieder aufs Neue gut verkaufen. Der Autor verdient prächtig mit dem Verkauf von Hoffnungen, für die er natürlich keine Garantie übernehmen muss.

Was den Dicken dieser Welt aber keiner so recht erzählen will, ist, dass sie sich schlecht ernährt haben und zu wenig bewegen. Die Wahrheiten sind so simpel, aber unangenehm. Der Urmensch ist noch täglich mehr als 15 km durch die Wälder gestreift, der Zivilisationsmensch läuft gerade noch zum Auto. Noch vor 50 Jahren war Fleisch etwas für den Sonntag – heute wird es in Mengen verzehrt, als würde es vom Himmel fallen.

Aufregen kann ich mich daher bei solchen Aposteln der Extremernährung wie Sten Sture Skaldeman. Dieser hat laut eigenen Aussagen 65 kg abgenommen und belegt dies auf seiner Homepage eindrucksvoll. Meine Freundin hat sich gerade ein Buch von ihm gekauft, und es zeigt, dass sich auch viele Schweden zu schade dazu sind, kritisch zu hinterfragen, was sie da so lesen.

Sein Konzept nennt sich „GI-null“. Mit GI ist der Glykämische Index gemeint, einem Richtwert dafür, wie ein Lebensmittel den Blutzuckerspiegel nach oben treibt. Lebensmittel sollen in dieser Ernährungsmethode einen möglichst geringen GI haben, was auf den ersten Blick nichtmal so wenig Sinn macht, denn ein hoher Blutzucker ist letzten Endes ein Grund für allerlei Zivilisationskrankheiten, allen voran die Diabetes.

Bei Skaldeman läuft die Geschichte darauf hinaus, dass man massig Eiweiß und Fett essen soll, aber bloß keine Kohlenhydrate und Zucker. Dementsprechend sind die Hauptnahrungsmittel Eier und Fleisch. Das Ganze klingt irgendwie auch stark nach Atkins.

Das Frühstück besteht daher auch gleich aus Eiern mit Speck, oder wie Skaldeman es formuliert

Ich muss oft von weiblichen Schülern hören, dass sie zum Frühstück nichts Zubereitetes essen wollen, und dass sie Abwechslung im Essen haben wollen.[…] Es gilt also, etwas zu finden, was man am Morgen essen kann kann[…]. Warum nicht den Tag mit einem Salat starten? […] Und ein Salat ist viel besser und natürlicher als Joghurt und Müsli.

Und dann kommt der Salat: Thunfischsalat.

Es mag ja sein, dass man mit dieser Methode abnehmen kann. Höchst fragwürdig finde allerdings, dass hier einem erzählt wird, es handele sich auch um eine wahnsinnig gesunde und natürliche Art zu leben.

Die Natürlichkeit ist deswegen schon der reine Blödsinn, denn ein Thunfisch ist kaum ein natürliches Nahrungsmittel. Er wurde dem Menschen erst durch industriellen Fischfang in großem Stil zugänglich. Eier wachsen genausowenig auf Bäumen. Die beliebte Vorstellung, der Mensch sei früher durch die Wälder gezogen und habe Mammuts erlegt, stimmt so bestimmt nicht. Vielmehr kann man wohl davon ausgehen, dass der frühe Mensch sich zu guten Teilen von Beeren etc. ernährt hat, weil es auch eine Menge Energie kostet, ein Tier zu erlegen, und Beeren eben nicht weglaufen und auch nicht zerlegt werden müssen.

Rein tierische Nahrung gibt dem Menschen auch nicht das, was er braucht. Zwar mag er ohne Kohlenhydrate auskommen, aber bei einer derartigen vitaminarmen Ernährung tut man sich keinen Gefallen.

Skaldeman behauptet sogar, dass das auch gute Sportlernahrung wäre, weil der Körper sich auf die Fettverbrennung eingestellt habe. Ich nehme an, auf den ersten Spitzensportler, der dies genauso sieht, wird man noch warten müssen.

Bemerkenswert ist auch das Sektenvokabular, das Skaldeman benutzt – da wird von „wir Fettesser“ gesprochen, während die anderen ja Zuckeresser sind. Das hat ein bisschen was vom clear werden bei Scientology.
Dass seine Einsichten in der Medizin gelinde gesagt umstritten sind, passt da natürlich nicht ins Konzept.

So schreibt er

Ich erhalte jetzt tausende Berichte von Leuten, die das gleiche erleben. Menschen, die so leben, wie für das sie geschaffen wurden, kurieren Diabetes, Übergewicht, Magenentzündungen und unfreiwillige Kinderlosigkeit. […] Das sind fantastsiche medizinische Landgewinne, aber wenn ich das Ärzten erzähle, sagen sie, ich müsste das wissenschaftlich untermauern. Aber sie erzählen nicht, wie man das machen soll. Das kostet Millionen, einen kontrollierte wissenschaftliche Studie zu machen.

Es ist also einfach zu teuer, wissenschaftliche Belege für seine Behauptungen zu sammeln. Deswegen kann man gleich ohne sie auskommen. Dass keiner von ihm verlangen würde, eine solche Studie zu bezahlen, denn für sowas gibt es unabhängige wissenschaftliche Institutionen, ignoriert er hier lieber.

Man darf bei all dem auch nicht vergessen, dass die Art zu leben, wie sie Skaldeman propagiert, gesellschaftlich unverantwortlich ist. Schon heute ist die Viehhaltung für ein Viertel des Treibhauseffekts verantwortlich. Man müsste den Umfang gewaltig ausweiten, um Skaldemans Lebensstil zu unterhalten. Von den ethischen Implikationen, noch mehr Tiere nur für unsere „natürliche“ Lebensweise zu züchten und zu töten, ganz abgesehen.

Bemerkenswert ist übrigens auch, dass dies in anderen Medien so unkritisch reflektiert werden wird. Ein Buch, das ähnlich talentiert verfasst ist wie die von Michael Moore, wird einfach so für bare Münze genommen.

Zwar muss ich Skaldeman Respekt zollen, dass er 65 kg abgenommen hat. Er lebt aber in einer eigenen Welt, die er sich zurechtgestrickt hat und mit teilweise abstrusen Gedankengängen in Einklang mit allem anderen zu bringen versucht. Dass er auf 230 Seiten zu guten Teilen blanken Unsinn verbreitet, der herzinfarktgefährdete Menschen auch genauso gut unter die Erde bringen kann, halte ich deswegen noch lange nicht für unterstützenswert.

Restart

Nach 13 Tagen Ruhe hier wird es Zeit für ein kleines Update:

  • Ich habe meine Masterarbeit präsentiert. Es lief ganz gut, fand ich. Ich hatte nur 5 Besucher, aber das war auch zu erwarten. Einer machte sich die ganze Zeit Notizen, und ich erwartete, dass er mich am Schluss in die Pfanne hat. Dem war aber nicht so – es wurde eher ein Nostalgietrip darüber, wie man solche Messungen vor 40 Jahren durchführte.
  • Die Klausuren liefen nicht gut. Same old story.
  • Zwischenzeitlich hatte ich gute Hoffnungen, zusammen mit Anita eine Wohnung zu kriegen. Diese Hoffnung hat sich zerschlagen. Nun beobachten wir etwas den allgemeinen Wohnungsmarkt. Über das irrwitzige schwedische System und Parallelen zwischen Trabis und diesem System in Kürze mehr.
  • Ich habe mittlerweile schon eine Menge Busfahrstunden gehabt. So ein Bus ist schon verdammt lang – 12 Meter, um genau zu sein. Das bedeutet, dass man in Kurven sehr weit ausholen und rechtzeitig gegenlenken muss, damit man nicht gegen die Ecke fährt. Allgemein wirkt die Fahrspur auch sehr klein. Die Regel, dass man in einem Tempo-50-Bereich nach Möglichkeit auch 50 fahren soll, sofern es vertretbar ist, sollte man ignorieren. Tempo 30 in der Stadt geht vollkommen in Ordnung, weil mit Autos am Rand möchte man ungern heizen. Das Ganze läuft mittlerweile ganz gut, aber es müssen nun nur noch wenige Ecken daran glauben, und ich übe nun an dem wohl schwierigsten: Kreisverkehre. Sobald die Sachen einigermaßen im Griff sind, hoffe ich, dass es dann auch bald losgeht.
  • Mittsommer steht vor der Tür. Ab Freitag verbringen die allermeisten Schweden ihre Zeit damit, Schnaps und Milch zu trinken, Erdbeeren zu essen und um eine Art Maibaum herumzutanzen. Ich weiß noch nicht so recht, was ich machen werde. Es ist allerdings gut möglich, dass mir das Wetter die Entscheidung abnimmt. Es ist nämlich Regen angekündigt.
  • Ich habe den längst überfälligen Schritt vollzogen und mich aus Deutschland abgemeldet. Das heißt für mich nun, dass ich meine Erwerbseinkünfte aus Deutschland hier versteuern muss, womit ich sicherlich noch viel Freude haben werde. Der Anlass ist am ehesten, dass in Kürze mein Pass abläuft und ich nicht ewig in zwei Ländern gemeldet bleiben kann – anderen Länderm mag das egal sein, aber das deutsche Melderecht mag das gar nicht.
  • Etwas schade ist nur, dass ich im Herbst bei der Rastatter OB-Wahl nicht mitstimmen kann. Eigentlich betrifft es mich ja nicht mehr direkt, aber nach all den Ausfällen von Klaus-Eckhard Walker in den letzten Jahren hätte ich gerne aktiv abgewählt. Die Rastatter sind auch selbst schuld, wenn sie ihm für all die Geschichten noch einmal das Vertrauen aussprechen würden. Umso schockierter war ich, dass die Parteien anscheinend nicht beabsichtigen, Gegenkandidaten aufzustellen. Der CDU war es letztes Mal immerhin gelungen, mit ihrer recht schwachen Kandidatin Margret Mergen fast den Sieg einzufahre. Dieses Jahr sollte dies mit einem anständigen Kandidaten ein leichtes sein. Zum Glück ist ein Gegenkandidat in Sicht, der Interesse angemeldet hat.
  • Zur anderen Politik: Michael Moores neuer Film „Sicko“ geistert schon herum. Ich habe ihn einmal angeschaut. Es ist natürlich wie immer die gleiche Leier: böse Wirtschaftsbosse in den USA und deren Komplizen aus der Politik sind daran interessiert, ein System am Laufen zu halten, das ihnen selbst am meisten nützt. Das ganze wird gewürzt mit plakativen Einzelbeispielen – eines aus Moores Heimatstadt Flint im Staat Michigan – und etwas Bush-Bashing. Letzteres ist aber erfreulicherweise nur in einer stark abgeschwächten Form vorhanden. Eine Weiterentwicklung im filmischen Bereich ist jedoch kaum zu erkennen. Es wäre schön, wenn Moore auch einmal neue Konzepte ausprobieren würde. Sein Anliegen ist wie jedes Mal nicht abwegig: erhebliche Teile der amerikanischen Bevölkerung haben keine Krankenversicherung. Hinzu kommt, dass die Krankenhäuser auch für kleine Behandlungen Unsummen verlangen und die auf Gewinnmaximierung bedachten Krankenversicherungen gerne jede Leistung zweimal in Frage stellen, bevor sie bezahlt wird. Das muss sich ändern, sagt Moore, aber wie immer legt er keine Alternativkonzepte vor. Immerhin zeigt er Gegenbeispiele – wie in „Bowling for Columbine“ ist das Kanada, wo laut ihm alles besser sein soll. Das zweite Beispiel ist Großbritannien, wo der National Health Service für jeden kostenlos sorgt. Dass die Briten mit der kränkelnden Struktur des NHS massive Probleme haben, erwähnt er freilich nicht. Großbritannien erscheint als das Paradies der Sozialgesetzgebung, was für europäische Standards nur sehr bedingt zutrifft – ich erinnere nur an Rentner, die in ihren Häusern erfrieren, weil sie kein Geld für die Heizung haben. Das dritte Beispiel ist Frankreich, was auch eine volle Salve Lob abbekommt. Auch hier gibt es schöne Sozialparadiesaufnahmen, auf die ghettoartige Bilder aus den USA folgen. Ein paar Bilder aus den Banlieus hätte das Bild durchaus abgerundet. Mit dem vierten und letzten Beispiel hat sich Moore meiner Meinung aber zu weit aus dem Fenster gelehnt: Kuba. Michale Moore hat dafür zwar einen wunderschönen Aufhänger gefunden, aber der Rest des Teils macht ihn zunichte. Er hat nämlich herausgefunden, dass die US-Basis auf Guantanamo Bay – für alle, die es nicht wissen: das liegt auf Kuba und ist von den USA durch einen exzellenten Knebelvertrag bis in alle Ewigkeit gemietet – kostenlose medizinische Versorgung für alle Gefangenen auf hohem Niveau hat. Also charterte er ein Boot und wollte von Florida aus mit Kranken, die sich keinen Arztbesuch leisten können, dorthin fahren. Was daraus wird, ist nicht zu sehen, da es, wie es im Film heißt, durch Vorschriften im Heimatschutzgesetz der USA nicht erlaubt, dies zu zeigen. Man kann es sich denken: die Küstenwache fängt ihn ein, bevor er in kubanische Gewässer fährt. Stattdessen fliegt er wohl mit einigen Kranken nach Kuba und chartert dort wiederum ein Boot. Wenig überraschend erhält er keine Antwort. Und weil er da ja schon einmal in Kuba war, kann man gleich dort schauen, wie es um die Gesundheitsversorgung steht. Eigentlich eine nette Überleitung. Meines Wissens ist das kubanische Gesundheitssystem tatsächlich richtig gut. Mit einer „Es ist ja nicht alles schlecht“-Attitüde kann man aber auch die DDR nachträglich zum Paradies auf Erden machen, was sie erwiesenermaßen nunmal nicht war. Also zeigt er keine Bilder von ärmlichen Verhältnissen, gleichgeschalteter Presse und polizeilicher Repression. Stattdessen fährt er in ein Krankenhaus, wo man die Kranken – schätzungsweise nach kurzer Rücksprache mit dem entsprechenden Ministerium – kostenlos und herzerweichend freundlich behandelt.So täuschen die Computertomographie-Geräte schön darüber hinweg, dass nicht alles in Kuba toll ist. Ausgerechnet den US-Erzfeind Kuba zum netten Diktatürchen zu verniedlichen und die dortige Gesundheitsversorgung anzupreisen, wird sogar die eher liberalen Zuschauer in den USA vergrätzen. Das zeigt leider zu deutlich, was Moores Botschaft ist: wir machen es schlecht, und nahezu alle anderen machen es besser. Kuba als Gegenbeispiel darzustellen zeigt nur zu deutlich, wie oberflächlich Moore in der Sache ist. Hätte er besser mit den Briten abgeschlossen – die stehen den USA in vielen Dingen nahe und könnten ein schönes Gegenmodell abgeben. Dennoch muss ich sagen, dass der Film bei mir besser wegkommt als „Fahrenheit 9/11“. Weniger Pathos, weniger herumheulende Leute, obwohl das Thema und die dahinter liegenden Geschichten nicht sehr erbaulich sind. Moore sollte sich nach diesem Film aber einmal etwas Neues überlegen, denn mit dieser Art Film wird er nicht auf ewig volle Kinosäle haben.
  • Zweiter Film des Tages: „Befreiung“, ein Fünfteiler aus der Sowjetunion, der die zweite Hälfte des Zweiten Weltkriegs darstellt. Neben exzellenten Darstellern für Stalin, Hitler, Churchill und Roosevelt hat er auch eine detailgetreue und dennoch propagandistisch hingebogene Version der Ereignisse zu bieten. So ist Graf von Stauffenberg laut dem Film zwar kein Kommunist, aber hält diese für den Wiederaufbau von Deutschland für notwendig – die in den Mund gelegte Aussage kann natürlich nie widerlegt werden. Die „Anglo-Amerikaner“, wie sie nach offizieller DDR-Sprache hießen, haben ohnehin nur Probleme, während Stalin als schlauer Fuchs genau weiß, was abläuft, und den Krieg praktisch alleine gewinnt. Die Franzosen werden als Weiberhelden dargestellt, die die hübschen Sekretärinnen der Sowjets angraben. Rotarmisten, die nicht heldenmütig sind, finden sich nur vereinzelt und werden zur Strafe entweder erschossen oder degradiert. Als sie dann nach Berlin einmarschieren, versuchen sie auch sogleich, die deutsche Bevölkerung mit Wodka und netten Phrasen aus dem Wörterbuch für sich zu gewinnen. Immerhin wurde die Reaktion der Deutschen als skeptisch zurückhaltend dargestellt, damit die Tatsachen nicht vollkommen verzerrt sind. Alles in allem sehr sehenswert und mit gewaltigem Aufwand gemacht.