Gestern fiel mir ein Podcast von SWR2 Wissen auf, der vor kurzem die Verkehrsentwicklung im Ostseeraum an schönen Beispielen beschrieb.
Eines davon ist die dynamische Entwicklung der Hauptstädte Tallinn und Helsinki, die spätestens seit dem EU- und Schengenbeitritt Estlands durch geringe Entfernung (rund 70 km über das Meer) und ähnliche Sprache sehr nah aneinandergerückt sind. Man spricht mittlerweile schon von Talsinki. Interessant auch, dass dort relativ offen über eine direkte Verbindung der Städte durch einen Tunnel gesprochen wird. Ich halte es allerdings wegen der Abstände und den zu erwartenden exorbitanten Kosten für Träumerei.
Weit realer ist das andere und hier schon öfters diskutierte Beispiel der Fehmarnbeltquerung. Es kommt u.a. der Malte Siegert zu Wort, der das Aktionsbündnis gegen den Bau der Querung anführt. Immerhin begrüßt er, dass nun statt einer Brücke ein Tunnel gebaut werden sollte, wenn auch kein gebohrter Tunnel.
Die restlichen Argumente sind bekannt: ökologische Bedenken wegen des Eingriffs ins Meer und eventuelle Effekte auf den lokalen Tourismus.
Alles sehr hörenswert – ich störte mich aber an einem Argument, das von Karl-Heinz Breitzmann, Direktor am Ostseeinstitut Rostock, ins Feld geführt wird. Breitzmann sagt zunächst:
Man muss also als Ökonom […] eine Nutzen-Kosten-Gegenüberstellung machen. […] Welchen Nutzen würde denn eine solche feste Querung haben im Vergleich zur jetzigen hocheffizienten Lösung? […] wenn man sich einmal […] die hohen Investitionen und auch die nicht unerheblichen Betriebskosten, wenn der Tunnel dann genutzt wird, im Vergleich zur jetzigen Fährlösung ansieht, dann kommt man auf ein sehr ungünstiges Nutzen-Kosten-Verhältnis. Und dann fragt man sich: Haben wir nicht viele andere große Projekte, Verkehrs- und Infrastrukturprojekte im Ostseeraum, die ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis haben?
Direkt im Anschluss sagt der Sprecher:
Projekte wie die Anbindung des Hinterlands im östlichen Teil Europas etwa, die fehlt vor allem in Teilen Russlands und in den baltischen Staaten. Autobahnen nach westlichem Vorbild gibt es dort fast keine, und in Estland beispielsweise ist ein Schienennetz quasi nicht vorhanden.
Das Problem dabei ist, dass ein Zusammenhang entsteht, der meines Erachtens nicht existiert. Der Tunnel wird meines Wissens nämlich zu 100% vom dänischen Staat finanziert, der sein Geld für Dänemark ausgeben will und nicht für Eisenbahnstrecken in Estland.
Das Ganze so hinzustellen, als käme das Geld aus irgendeinem EU-Fördertopf, der sein Geld nach Priorität verteilen soll, ist also irreführend. Wenn das Geld nicht dort ausgegeben würde, dann woanders in Dänemark, aber bestimmt nicht in anderen Teilen des Ostseeraums.