Tja, da war ich mal wieder etwas zu schnell.
Für neue Leser kurz einmal die Zusammenfassung: Anna Sjödin, ihres Zeichens Vorsitzende der schwedischen Jusos, war Anfang dieses Jahres in einer Stockholmer Disko. Am nächsten Morgen trat sie mit blauen Flecken im Gesicht vor die Presse und sagte, der Türsteher hätte sie zusammengeschlagen. Der wiederum sagte, Sjödin hätte ihn rassistisch beleidigt, wäre sturzbetrunken gewesen und hätte mit der Schlägerei angefangen. Sjödin verlor den Prozess in allen Anklagepunkten und muss nun um ihre politische Zukunft, die in ihrem Amt in der Regel recht rosig ist, bangen. Einen Rücktritt lehnt sie jedenfalls ab. Sie ging in Berufung, aber nahm eine Auszeit, um das weitere Verfahren abzuwarten. In der Zwischenzeit hat sie dann auch noch ihren Führerschein wegen Raserei verloren. Heute morgen wurde ihr Einspruch gegen das Urteil abgewiesen, und ihr Rücktritt wäre zu erwarten gewesen.
Doch sie gibt nicht auf. Auch wenn sie langsam aber sicher untragbar werden dürfte, spekuliert sie wohl auf ein Photo-Finish zu ihren Gunsten und darauf, dass das alle vergessen haben, bis die Sozis 2010, vielleicht (oder besser gesagt wahrscheinlich) erst 2014 wieder die Macht übernehmen. Also geht sie zum höchsten Gericht Schwedens. Mein Tipp für wettfreudige Zeitgenossen: ich würde auf den Türsteher setzen.
So bleibt mir diese grosse Politonovela in meinem Blog erhalten. Ich gehe allerdings nicht mehr von einem Happy-End für die Hauptdarstellerin aus.
Eine andere grosse Story ist die Suche nach einem Parteivorsitzenden. In Deutschland hat ja Franz Müntefering einmal gesagt, SPD-Vorsitzender sei das zweitschönste Amt nach dem Papst – zumindest, solange man keine Nervensäge wie Andrea Nahles im Nacken hat. Der Vorsitz der schwedischen Sozialdemokraten scheint weniger begehrt zu sein.
Drei heisse Kandidaten, im Sinne der allgegenwärtigen Gleichstellung hier alle weiblich, sind im Rennen:
- Margot Wallström, EU-Kommissarin für Schweden in Brüssel
- Carin Jämtin, Oppositionschefin im Stockholmer Stadtrat
- Mona Sahlin, die schon alles mögliche war – jüngste Abgeordnete des Reichstags, Arbeitsministerin. Sie wäre 1995 fast Vorsitzende geworden, wenn sie nicht in der so genannten Tobleroneaffäre des Missbrauchs von Dienstkreditkarten und -wagen überführt worden wäre.
Alle wollen anscheinend Wallström und Jämtin. Erstere sagt schon seit Monaten beharrlich nein und will in Brüssel bleiben. Jämtin hat nun auch gesagt, dass sie ihre Zukunft in Stockholm sieht.
Ehrlich gesagt kommt mir das alles so vor, als wollten sie das Amt vielleicht schon, aber nicht in der derzeitigen Situation. Es könnte nämlich passieren, dass sie ihren Posten wegen irgendwelcher Komplikationen des Schlags oben genannter Tobleroneaffäre räumen müssen, bevor die Sozialdemokraten wieder an die Macht kommen. Man muss wohl auch wissen, wann man ins Spiel einsteigt.