Reisegeschichten

Finnland Reaktor

Der Forschungsreaktor an der Otaniemi in Helsinki

Der größte Feind des Bloggers sind mangelnde Inspiration und zu wenig Zeit. Beides hat mich in den letzten Wochen zu einem gewissen Grade getroffen. Jetzt zu Weihnachten kann ich daher Beiträge vom Stapel lassen, die ohnehin schon ewig halbfertig herumliegen.

Seit ein paar Monaten beschäftige ich mich nämlich an der Uni mit einem Bereich, den ich vorher nur im Rahmen meiner Masterarbeit gestreift habe: Kernenergie. Es gibt ein Programm hierzu an der KTH, und auch andere Physikstudenten können die Kurse belegen.
Es ist schwer, bei dieser Umgebung einigermaßen Distanz zu dem Thema zu bewahren, insbesondere bei den sehr interessanten Studienbesuchen. Man ist nämlich permanent von Leuten umgeben, die 200%ig von der Kernkraft überzeugt sind. Immerhin noch ziemlich sicher sind sich natürlich alle, dass die Politik irgendwann grünes Licht für Atomkraft geben wird, wenn die Energie knapp wird. Das wage ich allerdings zu bezweifeln, denn die Atomenergie macht so oder so nur einen Bruchteil der Weltenergieproduktion aus, und auch das Uran ist nicht in beliebigen Mengen zu günstigen Preisen abbaubar.

Auf der anderen Seite ist mir mittlerweile auch klar, dass das gerne entstehende Bild, die Kernkraft wäre schon alleine deswegen gefährlich, weil man wie ein kleines Kind mit der Kerze damit spielte und sich dann nachher wundert, wenn man sich verbrannt hat, falsch ist. Dann wäre es nämlich so, dass man nicht wüsste, warum Tschernobyl passierte. Das Gegenteil ist aber der Fall – man kennt jedes Detail des GAUs. Die im Reaktor stattfindenden Prozesse sind bekannt. Der Kern des Risikos liegt eigentlich mehr darin, dass Situationen auftreten, die man vorher nie bedacht hat, so geschehen in Forsmark im Sommer 2006. Für so etwas gibt es allerdings eine Abteilung, die die ganze Zeit nur daran arbeitet, solche Probleme aufzudecken. Abgesehen davon: in einem modernen Reaktor wurde selbst ein GAU nicht zu einem Absprengen des Daches wie in Tschernobyl führen. Ehrlich gesagt machen mir die im Polarmeer versenkten sowjetischen Atom-U-Boote mehr Sorgen als unsere Kernkraftwerke.

Tscherenkow-Licht

Tscherenkow-Licht um den Reaktor

Aber zurück zu den Studienbesuchen. Der erste führte uns nach Finnland, zu einem Forschungsreaktor bei Helsinki. Dieser ist natürlich nicht zur Stromerzeugung gedacht – er brächte es ohnehin nur auf wenige Megawatt. Vielmehr produziert man damit Isotope, die man eben nur auf künstlichem Wege erhalten kann. Auch die Analyse von Bodenproben kann gemacht werden, da bestimmte Stoffe unter Neutronenbeschuss in einen anderen umgewandelt werden, der dann radioaktiv ist. Auf diese Art erhält man Informationen zur Zusammensetzung der Proben. Seit einigen Jahren gibt es zudem eine experimentelle Strahlentherapie. Patienten, denen eigentlich sonst kein Ausweg mehr bleibt, können sich dort ihren Tumor bestrahlen lassen in der Hoffnung, dass das etwas hilft – und nicht selten tut es das auch.

Der Reaktor ist ziemlich klein – Man könnte fast mit beiden Armen darum fassen. Auf Nachfrage wurde mir erklärt, dass ein GAU gar nicht vorstellbar ist, weil die geringe Menge Brennmaterial gar nicht genügend Leistung für eine Schmelze aufbringen kann. Interessanterweise wird das alte Brennmaterial in dem Reaktor auch gar nicht entfernt, sondern im Reaktor belassen. Erst wenn alle verfügbaren Plätze mit Brennstäben belegt sind, entfernt man die alten – was aber auch nach über 40 Jahren Betrieb noch nicht notwendig war.

Der spektakulärste Teil unserer Versuche war sicherlich, als wir den Reaktor auf voller Leistung laufen ließen und wir nach dem Tscherenkow-Licht Ausschau hielten. Dieses entsteht, wenn Teilchen in einem Medium schneller sind als Licht. Im Vakuum ist das natürlich nicht möglich, weil dort ist das Licht natürlich schneller als alles andere. In Wasser hingegen ist Licht langsamer, und ein energiereiches Teilchen kann dann das Licht schonmal überholen. In diesem Fall kommt es zu dem berühmten blauen Glühen, welches man auch schon auf dem Foto sieht.

Forsmark 3

Forsmark 3 – neuester Reaktor Schwedens

Im Gegensatz zu unserem zweiten Studienbesuch durfte man in Finnland nämlich auch Fotos machen. Im Reaktor Forsmark etwas nördlich von Stockholm ist das nämlich nicht erlaubt – verständlicherweise.
Man hatte dort ein auf uns zugeschnittenes Programm zusammengestellt, denn vereinfachte technische Erklärungen über die Funktion eines Reaktors wären bei uns wohl fehl am Platze gewesen. Nach einigen prinzipiell interessanten, aber ehrlich gesagt wenig souverän vorgetragenen Präsentationen, fuhren wir dann zum Reaktor Forsmark 3, dem neuesten in Schweden. Das obige Bild entstand dann, bevor wir hineingingen. Wenn man es nüchtern betrachtet, gab es nicht viel zu sehen. Zuerst durften wir einen Blick in die Halle mit dem Wasserpool werfen, der sich oberhalb des Reaktors befindet. Wir standen dabei allerdings auf einem Beobachtungsstand und betrachteten die Halle durch ein Fenster. Das Wasser ist hochrein und man sah den Reaktordeckel schimmern. Als zweite Station durften wir durch eine extrem dicke Scheibe die Turbinenhalle sehen. Die Scheibe war natürlich zum Strahlenschutz da, hatte aber leider den Nebeneffekt, dass sie nicht farbneutral war. Man erklärte uns, dass man sich in der Halle auf gar keinen Fall mehr als ein paar Minuten aufhalten dürfe, solange der Reaktor in Betrieb ist. Alles in allem sahen wir also nur zwei große Hallen durch Glasscheiben.
Freilich fiel das nicht sonderlich auf, denn die ganze Prozedur mit Sicherheitsüberprüfung am Eingang und Überziehen von Kitteln und Socken täuschten natürlich darüber hinweg. Die Krönung war der Ausgang, wo gleich zweimal gemessen wurde, ob wir strahlenbelastet sind. Die Apparate haben Sprachausgabe, wahlweise sogar in deutsch. Angesichts redender Dosimeter vergaß man natürlich gleich, dass man eigentlich gar nicht so viel von dem Kraftwerk gesehen hat. Interessant war es aber auf alle Fälle.

Dieser Beitrag heißt aber nicht nur deswegen „Reisegeschichten“ – zu meinem Geburtstag waren meine Freundin und ich nämlich in Riga. Der Kahn war schon etwas betagt und der Seegang heftig, aber die Stadt schön. Bei Gelegenheit werde ich mal ein kleines Panorama hier zeigen.

Die bislang letzte Reise war natürlich die nach Deutschland mit dem Auto – aber das hatten wir hier ja schon.