Es weihnachtet mächtig

Man kann es nicht mehr verleugnen. Weihnachten ist da.

Neulich ist es mir in Göteborg besonders aufgefallen, aber jetzt ist es unübersehbar. Gestern abend waren wir beim Julbord, dem schwedischen Weihnachtsbüffet – ein Anlass für ungehemmte Völlerei, die pro Person selbst im billigsten Fall mit 60 € zu Buche schlägt. Wir waren im Waxholm Hotell, nachdem unsere ursprüngliche Wahl wegen Mangel an Gästen absagen musste. Und es war großartig: gutes Essen, und draußen im Schneegestöber der Blick auf die Festung von Vaxholm.

Heute also der Weihnachtsmarkt im Skansen, Stockholms bekannten Freilichtmuseum. Da bin ich zwar praktisch jedes Jahr, aber bislang noch nie im Schnee – um dieses Jahreszeit hat es in Stockholm selten welchen. Wenig überraschend: der Bredablick-Turm wird renoviert – wie immer seit ca. 2001. Ansonsten alles wie gehabt, v.a. sehr lecker, wenn auch teuer.

Weihnachten in Schweden

Kaum zu glauben, aber in 30 Stunden sitze ich schon im Flieger nach Deutschland.

Einige Highlights der Weihnachtszeit:

  • Interessanterweise habe ich das Lied „Last Christmas“ noch nicht in voller Länge gehört.
  • Die Stadt Gävle, ca. 150 km nördlich von Stockholm, stellt jedes Jahr einen grossen Weihnachtsbock aus Stroh auf. Der Bock ist ein schwedischer Brauch, aber einen Bock der Grösse gibt es wohl nur in Gävle. Diese Tradition besteht in der Stadt nun schon seit 40 Jahren, und fast genauso traditionell ist es, dass fiese Brandstifter das Strohtier anzünden wollen. In dem daraus entstandenen Kampf zwischen Stadtverwaltung und Brandstiftern liegen letztere leicht vorne: 22 mal in den 40 Jahren brannte der Bock ab. Dieses Jahr waren sie aber (bislang) erfolglos, was aber auch daran liegt, dass die Stadt eine norwegische Firma beauftragt hat, den Bock vor einem Brand zu schützen. Nun ist er feuerfest beschichtet. Ein erster Attentsversuch ist bereits fehlgeschlagen.
  • Sankta Lucia, das Lichterfest am 13. Dezember, gehört natürlich zu schwedischer Weihnacht dazu. Die U-Bahn-Zeitung „Stockholm City“ liess aus 10 Kandidatinnen eine wählen, die dann „Stockholms Lucia“ werden sollte. Als Chefredakteur würde ich mich ziemlich ärgern, denn auch nach 4 Wochen eifrigen Trommelns in der Zeitung kamen nicht allzuviele Besucher. Es begann auch wenig beschaulich im Nobelkaufhaus NK, wo die gewählte Lucia sekundiert von 8 ehemaligen Konkurrentinnen vor Publikum sangen. Die armen Mädels mussten lange auf Applaus warten. Danach ging es weiter per Kutsche nach Skansen, wo sich einige hundert Leute den Eintrittspreis von 50 kr (ca. 5 €) abgerungen haben, um ein kleines Chorkonzert anzuhören, das von einem Moderator künstlich in die Länge gezogen wurde. Höhepunkt war der Vertreter der sizilianischen Tourismusindustrie, der die Lucia nach Sizilien einlud. Alles in allem eine PR-Veranstaltung ohne eigenen Charakter. Nächstes Jahr wieder richtiges Lucia-Konzert, würde ich sagen.
  • Christer Fuglesang ist als erster Schwede im All und hat vier Weltraumspaziergänge gemacht. Sein deutscher Kollege fand schwedische Süssigkeiten anscheinend ganz gut – was mit der Elchwurst passiert ist, weiss ich nicht. Es ist jedenfalls sicher, dass Fuglesang wie ein Held empfangen werden wird.
  • Heute abend wird es richtiges schwedisches Weihnachtsessen geben: Julbord – letztes Jahr verpasst, so dass ich dieses Jahr gespannt bin, wie gut das denn ist.
  • Noch vor Jahresende ist meine grosse Politonovela beendet: Anna Sjödin ist zurückgetreten. Im Verband steht man natürlich voll hinter ihr, aber man meinte wohl, dass es so nicht weitergehen könne. Schuld waren natürlich die bösen Medien. Sie bereut nichts, ausser dass sie an dem Abend in besagten Nachtclub ging. Ausserdem habe sie eh nie etwas anderes vorgehabt als SSU-Vorsitzende zu werden. Ja, ja – deine Mudder, sage ich da nur. Man kann jetzt schon Wetten darauf abschliessen, wo sie 2010, wenn über die ganze Sache Gras gewachsen ist, kandidieren wird.
  • Kurioses zum Schluss: in Helsingborg wurde der Journalist Kristian Lundberg gefeuert, weil er eine Buchkritik über einen Roman geschrieben hat, den es gar nicht gibt. Die Autorin in spe Britt Marie Mattsson hat die Pläne für das Buch nämlich nie veröffentlicht. Gut so, würde ich sagen, denn Lundberg hatte schon messerscharf erkannt, dass die Geschichte „vorhersagbar“ und die Charaktere „eindimensional“ sein würden, sofern das Buch denn geschrieben würde. Da hat sich Mattsson ja viel Arbeit erspart.

Weihnachde isch




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Originally uploaded by HansBaer.

In der Kantine lauert die Gefahr – ahnungslose Mittagesser sind bestürzt oder fallen gar in Ohnmacht. Nein, nicht die Salmonellen sind ausgebrochen. Es ist Weihnachten.

Auf subtile Weise hat die Kantine mit der schleichenden Umdekorierung der Räumlichkeiten begonnen. Ab nächster Woche werden heimlich Lebkuchengewürze in die Mahlzeiten gegeben, um eine langsame Gewöhnung an das Unvermeidliche zu erreichen. Auf einem kleinen Tisch wird schon einmal Julbord angeboten – das übliche grosse Weihnachtsessen in Schweden. Zur vermeintlichen Beruhigung sind Kerzen aufgestellt.

Leider kein Einzelfall.

Ende Oktober ereilt uns diese eigentliche fünfte Jahreszeit, die mit den ersten Lebkuchencarepaketen Ende August beginnt und dann ab Mitte November im gezielten Flächenbombardement mit Adventskalendern ihren ersten Höhepunkt erreicht, bevor letztlich ab Dezember abgehetzte Einkaufszombies die Einzelhändler an ihre Kapazitätsgrenzen bringen. Die Welle schwappt durch ganz Europa, und niemand ist vor ihr sicher.

Von drauss, vom Walde komm‘ ich her,…