Cat Stevens in Stockholm

Das Schöne daran, in einer Hauptstadt zu leben, ist, dass so gut wie jeder interessante internationale Gast hier Halt macht. Man braucht eigentlich nur mit wachen Augen durch die Straßen zu gehen und wird früher oder später ein Plakat entdecken, das ein vielversprechendes Event anpreist. Ich wäre neulich z.B. gerne zu den Söhnen Mannheims gegangen. Nicht weil ich sie besonders mag, aber wann verirren sich schon einmal mittelmäßig bekannte deutsche Künstler nach Schweden?

An internationaler Bekanntheit dürfte es Cat Stevens freilich nicht mangeln. Aber diese kommt frei Haus mit dem Wissen, dass er seit 30 Jahren Yusuf Islam heißt und sich mehr der religiösen Erleuchtung als der Musik widmet. Daher zögerte ich nicht, als ich die Anzeige für sein Konzert auf einer Werbefläche eines Parkscheinautomaten sah: da muss ich hin.

Plätze waren nicht leicht zu bekommen, was aber nicht zuletzt an der grottenschlechten Platzsuchesoftware von Ticnet liegt. So wurden es sündhaft teure Tickets mit guter Sicht am linken Rand.

Stimme: immer noch so gut – Konzept: vielleicht nicht ganz so

Der Mann ist zwar gealtert – 62 ist er mittlerweile, und er wirkt mit Sicherheit keinen Tag jünger – aber seine Stimme ist so gut wie vor 35 Jahren. Das Konzept des Konzerts war allenfalls etwas durcheinander: erst begann er autobiographisch über seine Anfänge zu erzählen. Dabei erwähnte er auch zur Freude des Publikums, dass er in Gävle einmal zur Schule ging – seine Mutter war Schwedin – aber leider kaum noch schwedisch spricht. Er streute aber immer wieder kleine Fetzen schwedisch ein. Er wechselte thematisch dann zu einem Musical, das er anscheinend gerade schreibt und neue wie alte Lieder kombiniert. Die Bühne füllte sich nach und nach, beginnend mit seinem alten Weggefährten Alun Davies. Zur Pause standen 8 Musiker auf der Bühne.

Bis dahin waren von den richtig bekannten Titeln nur „Matthew & Son“ und „The First Cut is the deepest“ gekommen – er stachelte das Publikum etwas an, indem er auf die Titel „Moonshadow“ und „Father & Son“ hin leitete, sie anspielte und dann abrupt sagte, dass er das für später aufhob. Zwischendrin begannen schon einige Zuschauer nach bekannten Titeln zu rufen, worauf Yusuf sie zu vertrösten suchte.

Das Musical wurde in Teilen präsentiert, aber es blieb bei einer Art Vorschau. Es folgte eine 30-minütige Pause, nach der ich eigentlich einen Gassenhauer nach dem anderen erwartete.

Das Warten auf „Wild World“

Daraus wurde leider erstmal nichts. Für meinen Geschmack dauerte das zu lange – aber es ist auch irgendwo verständlich, denn wie jeder Altkünstler hat Stevens das Problem, dass alle nur kommen, um die bekannten Uralthits zu hören. Zwar verfügt Cat Stevens über ein beachtliches Œuvre, aber die bekannten Titel füllen eben keinen Abend. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, er hätte wie in der ersten Hälfte mehr Hits eingestreut. Indem er die Spannung bis zum Schluss aufhob, war das Publikum dann aber auch schlagartig begeistert, als er „Morning Has Broken“ spielte, gefolgt von „Wild World“ – da standen die Leute schon – und „Father & Son“. Die Zugabe enthielt dann auch noch „Moonshadow“ und „Peace Train“.

Das stark durchwachsene Fazit von Anders Dahlbom von Expressen würde ich jedenfalls nicht teilen. Man kriegte im Endeffekt das, für das man bezahlt hatte, wenn auch etwas später als erwartet. Die Rezension in DN war auch freundlicher, ist aber leider nicht online.

Da ich mich vor dem Konzert damit nicht beschäftigt hatte, erfuhr ich erst jetzt, dass es sich um das erste Konzert der ersten Europa-Turnee seit 30 Jahren handelt. Ab Morgen ist er übrigens in Deutschland, später auch noch in Rotterdam, Paris, Wien und Brüssel. Das sollte man nicht verpassen – es könnte das letzte Mal sein.

Nachtrag: Die Rezension von Dagens Nyheter ist mittlerweile auch online.

Weihnachten in Schweden

Kaum zu glauben, aber in 30 Stunden sitze ich schon im Flieger nach Deutschland.

Einige Highlights der Weihnachtszeit:

  • Interessanterweise habe ich das Lied „Last Christmas“ noch nicht in voller Länge gehört.
  • Die Stadt Gävle, ca. 150 km nördlich von Stockholm, stellt jedes Jahr einen grossen Weihnachtsbock aus Stroh auf. Der Bock ist ein schwedischer Brauch, aber einen Bock der Grösse gibt es wohl nur in Gävle. Diese Tradition besteht in der Stadt nun schon seit 40 Jahren, und fast genauso traditionell ist es, dass fiese Brandstifter das Strohtier anzünden wollen. In dem daraus entstandenen Kampf zwischen Stadtverwaltung und Brandstiftern liegen letztere leicht vorne: 22 mal in den 40 Jahren brannte der Bock ab. Dieses Jahr waren sie aber (bislang) erfolglos, was aber auch daran liegt, dass die Stadt eine norwegische Firma beauftragt hat, den Bock vor einem Brand zu schützen. Nun ist er feuerfest beschichtet. Ein erster Attentsversuch ist bereits fehlgeschlagen.
  • Sankta Lucia, das Lichterfest am 13. Dezember, gehört natürlich zu schwedischer Weihnacht dazu. Die U-Bahn-Zeitung „Stockholm City“ liess aus 10 Kandidatinnen eine wählen, die dann „Stockholms Lucia“ werden sollte. Als Chefredakteur würde ich mich ziemlich ärgern, denn auch nach 4 Wochen eifrigen Trommelns in der Zeitung kamen nicht allzuviele Besucher. Es begann auch wenig beschaulich im Nobelkaufhaus NK, wo die gewählte Lucia sekundiert von 8 ehemaligen Konkurrentinnen vor Publikum sangen. Die armen Mädels mussten lange auf Applaus warten. Danach ging es weiter per Kutsche nach Skansen, wo sich einige hundert Leute den Eintrittspreis von 50 kr (ca. 5 €) abgerungen haben, um ein kleines Chorkonzert anzuhören, das von einem Moderator künstlich in die Länge gezogen wurde. Höhepunkt war der Vertreter der sizilianischen Tourismusindustrie, der die Lucia nach Sizilien einlud. Alles in allem eine PR-Veranstaltung ohne eigenen Charakter. Nächstes Jahr wieder richtiges Lucia-Konzert, würde ich sagen.
  • Christer Fuglesang ist als erster Schwede im All und hat vier Weltraumspaziergänge gemacht. Sein deutscher Kollege fand schwedische Süssigkeiten anscheinend ganz gut – was mit der Elchwurst passiert ist, weiss ich nicht. Es ist jedenfalls sicher, dass Fuglesang wie ein Held empfangen werden wird.
  • Heute abend wird es richtiges schwedisches Weihnachtsessen geben: Julbord – letztes Jahr verpasst, so dass ich dieses Jahr gespannt bin, wie gut das denn ist.
  • Noch vor Jahresende ist meine grosse Politonovela beendet: Anna Sjödin ist zurückgetreten. Im Verband steht man natürlich voll hinter ihr, aber man meinte wohl, dass es so nicht weitergehen könne. Schuld waren natürlich die bösen Medien. Sie bereut nichts, ausser dass sie an dem Abend in besagten Nachtclub ging. Ausserdem habe sie eh nie etwas anderes vorgehabt als SSU-Vorsitzende zu werden. Ja, ja – deine Mudder, sage ich da nur. Man kann jetzt schon Wetten darauf abschliessen, wo sie 2010, wenn über die ganze Sache Gras gewachsen ist, kandidieren wird.
  • Kurioses zum Schluss: in Helsingborg wurde der Journalist Kristian Lundberg gefeuert, weil er eine Buchkritik über einen Roman geschrieben hat, den es gar nicht gibt. Die Autorin in spe Britt Marie Mattsson hat die Pläne für das Buch nämlich nie veröffentlicht. Gut so, würde ich sagen, denn Lundberg hatte schon messerscharf erkannt, dass die Geschichte „vorhersagbar“ und die Charaktere „eindimensional“ sein würden, sofern das Buch denn geschrieben würde. Da hat sich Mattsson ja viel Arbeit erspart.

The Ultimate Nobel Experience Reloaded (8)

Da ich seit gestern Besuch von Thilo Jahn, einem Kollegen von DASDING, habe, fallen die Beiträge nun etwas knapper aus.

Mittwoch war ich doch noch in Gävle, und ich kann sagen: Gävle stinkt! Wieso und alle weiteren brandheissen Details gibt es in Kürze.

Heute dafür aber wieder eine Folge meiner beliebten Serie zum Nobelpreis. Das Foto zeigt den Saal in der Schwedischen Akademie, wo alljährlich der Preisträger des Literaturpreises verkündet wird. Aufgenommen bei der Bekanntgabe 2005.

Es gibt aber auch topaktuelle Neuigkeiten zum Thema:

[NOBELLOTTERIET] Du har tyvärr inte vunnit!!

Hej Fabian Seitz
Nobellotteriet beklagar!!

Lottdragningen är utförd och Du är en av de som inte haft turen på sin sida
Försök gärna igen nästa år!

Med vänliga hälsningar
Övermarskalkarna på SSCO

Das Ganze übersetzt:

Betreff: [NOBELLOTTERIE] Du hast leider nicht gewonnen!!

Hallo Fabian Seitz
Die Nobellotterie bedauert!!

Die Losziehung ist beendet und Du bist einer von denen, die nicht das Glück auf ihrer Seite gehabt haben.
Versuche es gerne nächstes Jahr wieder!

Mit freundlichen Grüssen,

Övermarskalkarna bei SSCO

Das war mir zwar auch klar, weil sonst eine Gewinnermail schon lange eingetrudelt wäre, aber bei einer Gewinnchance von unter 10 % kann man natürlich auch nicht erwarten, zweimal in Folge zu gewinnen.

The Ultimate Nobel Experience Reloaded (7)

Weil ich heut den Tag damit verbracht habe, nichts von Quantenmechanik zu verstehen, gibt es nun eine neue Folge meiner beliebten Reihe zum Nobelpreis. Dieses Mal ein Stück aus dem letzten Jahr, und zwar von der Bekanntgabe des Literaturnobelpreises.

Übrigens ist mir aufgefallen, dass meine Beiträge oft ziemlich schlampige Tipp- und Grammatikfehler aufweisen. Ich habe daraufhin meinem Lektorat gekündigt. Man muss sich ja nicht alles gefallen lassen.

Morgen werde ich dorthin gehen, wo nur wenige Menschen zuvor gewesen sind: zum Klärwerk in Gävle. Was ich da will, ist kein nordkoreanisches Staatsgeheimnis. Vielmehr befindet sich dort eine der Messstation von FOI, wo ich dann auch noch etwas Daten sammeln werden. Zu weiteren nuklearen Ereignissen in Kürze mehr.