Der Durchschnittsschwede erhält von seinem Staat drei Insignien, ohne die die Existenz in diesem Land vollkommen sinnlos erscheinen würde:
- Einen Pass, damit er reisen darf
- Eine sogenannte Personnummer, damit er überall leicht zu registrieren ist und seine Steuern bezahlen kann
- Eine ID-kort (also ID-Karte), die zwar kein vollwertiger Personalausweis ist, aber in allen Lebenslagen vorgezeigt werden muss
Letzteres ist eine Groteske des schwedischen Systems. Offiziell braucht niemand eine ID, aber bei einer Bank, im Krankenhaus, manchmal aber auch bei H&M heisst es ohne oft „nichts geht mehr“. Überredungskünste sind gefragt, aber oft hilft auch das nicht. Die ID selbst hingegen taugt sonst zu wenig. Man kann mit ihr nicht reisen, und als Online-Identifikation ist sie nur in bestimmten Fällen zu gebrauchen. Entscheidend ist nur, dass die ID nachweisen kann, dass man Inhaber einer bestimmten Personnummer ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass nur wenige Stellen eine brauchbare ID ausgeben. Dies sind der Kassaservice (eine Art Postbank) und einige normale Banken. Seit Anfang 2005 gibt auch die Polizei richtige Personalausweise aus – allerdings mit mässigem Erfolg, denn die Bevölkerung nimmt sie nur wenig an, auch wenn mit ihr sogar reisen könnte. Hin und wieder hält auch der schwedische Führerschein als Ausweis.
Ebenfalls seit 2005 haben sich die Banken aus dem ID-Geschäft etwas zurückgezogen. Für Ausländer wie mich bleibt daher nur der Kassaservice, der sehr talentiert darin ist, Gründe zu finden, warum keine ID bekommen sollte.
Bis Ende letzten Jahres brauchte man nämlich
- Ein Passfoto nach schwedischen Standards (frontal aufgenommen und mit weissem Hintergrund)
- Seinen eigenen Pass
- Einen Personbevis (Datenausdruck der Steuerbehörde)
- Einen Referenzschweden, d.h. jemanden, der in Schweden gemeldet ist und zur Antragstellung mitkam, um zu bezeugen, dass man auch wirklich der ist, der man vorgibt zu sein. Dieser wiederum muss auch eine gültige ID haben und einen Personbevis mitbringen.
Es ist leicht zu sehen, dass man bei diesen strengen Regeln schon erhebliche Schwierigkeiten bekommt – man stelle sich vor, man ist neu in der Stadt und kennt noch niemanden. Ich habe jedenfalls drei Versuche gebraucht, mir eine ID ausstellen zu lassen, bis es dann endlich klappte.
Anscheinend hat es aber trotzdem jemand geschafft, sich darüber illegal eine ID zu beschaffen – derjenige muss ein Naturtalent sein.
Seit 1. Januar 2007 gibt es daher eine verschärfte Regelung: der Referenzschwede muss entweder Ehepartner oder Verwandter sein. Seither ist es de Facto unmöglich für Ausländer, sich eine ID zu besorgen. Einziges Schlupfloch ist allenfalls, sich eine Arbeit zu suchen (sofern man keine hat), mit dem Arbeitsvertrag zu einer Bank zu gehen, die noch IDs ausstellt, und dort ein Konto zu eröffnen, um Anspruch auf eine ID zu bekommen. Oder eben einen Schweden zu heiraten.
Andernfalls heisst es für den ID-losen: Stress im Krankenhaus, Stress bei Einkäufen, Stress bei der Bank.
Alleine in meinem Bekanntenkreis kenne ich zwei Leute, denen der Weg zu einer ID versperrt ist.
Erfreulich ist daher, dass „The Local„, eine englischsprachige Online-Zeitung aus Schweden, dieses Thema aufgegriffen und schon drei Artikel hierzu veröffentlicht hat. Zuerst einen Blogeintrag mit Erfahrungen aus erster Hand, dann eine Reaktion eines Abgeordneten der liberalen Volkspartei und schliesslichen einen kleinen Featureartikel mit direkten Anfragen an den Kassaservice.
Das wäre eine nette Aufgabe für die neue Regierung: etwas aufzuräumen in diesem unnötigen Durcheinander.