Ein bisschen neidisch auf: Pamela Anderson

NYC Marathon Alec Baldwin from Marc Beroza on Vimeo.

Es gibt nicht viele Dinge, die ich Pamela Anderson nachmachen möchte. Ich strebe keine Rolle in einer seichten Rettungsschwimmerserie an, will mit Sicherheit nicht das Big-Brother-Haus, habe keinen Bedarf an kurzlebigen destruktiven Ehen mit Rockstars, und einen akuten Bedarf an Brustimplatanten habe ich auch nicht.

Aber eine Sache hätte ich ihr gerne nachgetan: gestern den New-York-City-Marathon zu laufen. Gerade in diesem ersten Jahr nach dem Hurrikan, der erstmal den Marathon in seiner Geschichte stoppte, und nach dem Attentat von Boston wohnt dem Ganzen ein besonderer Zauber inne. Zwar gab es viel Kritik, aber mit garantierten Startplätzen für alle letztjährigen Teilnehmer und anderem Engagement für die Opfer dürfte der Lauf in den Herzen der New Yorker immer noch seinen besonderen Platz haben.

Nächstes Jahr werden es zehn Jahre sein, dass ich diesen Lauf gemacht habe. Dass ich seit kurzem wieder laufe, um mehr zu erreichen als nur anzukommen, hat auch mit dem Wunsch zu tun, nicht nur irgendeinen Marathon, sonder nach Möglichkeit genau diesen Marathon noch einmal zu machen. Die Faszination für diese Stadt hat mich nie losgelassen, und jedes Jahr im November schaue ich wehmütig zurück.

Dieser Lauf ist etwas besonderes, und auch wenn ich ihn machen will: in einem Punkt möchte ich es Pamela Anderson mit einer Finisherzeit von 5:41 nicht nachtun. Eine Rakete werde ich nie werden, aber unter 5 Stunden sollten hoffentlich drin sein, wenn ich mich im Gegensatz zum letzten Mal (Finisherzeit 6:11 Stunden) ordentlich darauf vorbereite.

Also trainiere ich auf dieses Ziel zu, verliere Gewicht. Und hoffe, denn mehr als dies kann ich kaum.

Wer nicht Tausende von Euro an Spendengeldern zu wohltätigen Zwecken oder für einen Reiseagenturplatz übrig hat, wer nicht ein Spitzenläufer ist, wer nicht die jetzt auslaufenden Optionen von mindestens 15-malige Teilnahme oder dreifaches Pech bei der Ergatterung eines Platzes in Folge für sich in Anspruch nehmen kann, wer nicht massenhaft Läufe in New York macht und mal als Freiwilliger bei einem hilft, dem bleibt kaum mehr übrig, als ein Los in der Lotterie zu kaufen. Diese ist mittlerweile dreigeteilt: ein Drittel der Plätze geht in den Großraum New York, ein Drittel in den Rest der USA, ein Drittel in den Rest der Welt. Dementsprechend mager sind die Chancen.

Ich werde mir mein Los kaufen und gespannt den Mai 2014 abwarten. Vielleicht wird meines gezogen und ich bin dabei. Wenn nicht, werde ich woanders laufen – und ein Los für 2015 kaufen.

Faces at the Finish

Auch auf die Gefahr hin, zu nerven: die New York Times hat Marathonläufer direkt nach dem Ziel fotografiert. Unter ihnen ist auch der schwedische Spitzenläufer Anders Szalkai, der auch als Trainer tätig ist. Ein interessanter Blick auf Menschen aus aller Welt, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

[via Maratonbloggen]

Es war einmal vor 6 Jahren

In der Sekunde der Veröffentlichung dieses Artikel startet beim Fort Wadsworth auf Staten Island in New York City der diesjährige New York City Marathon. Melancholisch habe ich mich schon vor 4 Jahren einmal an diesen Lauf erinnert, damals mit vielen Fotos.

Den Plan, diesen Lauf noch einmal zu machen, habe ich jedes Jahr, und ebenso oft wird daraus nichts, meist aus schlechter Fitness heraus, oft aber auch angesichts anderer persönlicher Verpflichtungen. Auch 2011 wäre ich gerne mal wieder am Start. Ob daraus etwas wird? Man wird sehen…

Angesichts dieses Jubiläums ist mir aber ein Schriftstück eingekommen, das ich damals noch von New York aus an Freunde und Kollegen versandte. Da dieses Blog „erst“ seit 2005 existiert, wurde es hier natürlich nie publiziert. Es wäre aber schade darum, es einfach im Mailarchiv einstauben zu lassen. Daher ist es hier ungekürzt und unkorrigiert:

Montag:
Nach ca. 18 Stunden Reise komme ich wohlbehalten in New York an. Meine
Gastgeberin ist zwar etwas verspaetet, aber ansonsten geht alles glatt.
Sie kuendigt mir an, dass das Haus, in dem sie wohnt, etwas
heruntergekommen ist. Das stimmt zwar irgendwo, aber das Zimmer ist
trotzdem in Ordnung. Aus einer deutschen Sichtweise heraus mag man sich
zwar an abblaetternder Farbe oder weggebrochenen Kacheln stoeren, aber
ich glaube, Amerikaner kuemmert sowas nicht uebermaessig. Den Rest des
Abends verbringe ich mit einer Odyssee durch New York. Die
Briefwahlunterlagen meiner Gastgeberin kamen naemlich erst am Tag vor
der Wahl (!!!), und um ihr einen sechsstuendigen Trip nach New Hampshire
am Wahltag zu ersparen, versuchen wir, den Wahlschein noch per
Expresspost unterzubringen. Nach zwei Stunden und schaetzungsweise 10 km
Laufen durch Brooklyn und Manhattan ist es geschafft – FedEx machts
moeglich. Nach insgesamt 25 Stunden falle ich ins Bett.

Dienstag:
Jet-Lag sei Dank wache ich frueh auf. Es ist Wahltag und ich mache mich
nach Manhattan auf. Die New York Post hat auf dem Titel die Schlagzeile
„D-Day“ – als Titelmotiv Bush mit Daumen nach oben. Ueber die Botschaft
laesst sich streiten. Ich besuche das Gebaeude der Vereinten Nationen
und mache eine Fuehrung mit. Der Sicherheitsrat und die Vollversammlung
sind mindestens genauso lange nicht mehr renoviert worden wie mein
Zimmer. Abends gehe ich zum Rockefeller Plaza (an diesem Abend traegt er
den bezeichnenden Titel Democracy Plaza), wo NBC sein Wahlstudio
aufgebaut hat. Ich kaufe ein paar bushfeindliche Sticker und lasse mir
einen Kerry-Sticker geben. Mein Gewissen plagt mich doch wegen dieser
Wahlbeeinflussung meinerseits, aber letztendlich bestaerkt mich ein
Gespraech mit einem Mitglied von „Grandmothers against the War“. Den
Wahlabend verbringe ich mit Brierley (meine Gastgeberin), ihrer Freundin
Laura und ihrem Mitbewohner Brooks vor dem Fernseher. Der Rotwein, den
wir trinken, kann nur bedingt ueber den nicht allzu rosigen Verlauf der
Wahl hinwegtaeuschen. Als Bush noch eine Stimme fehlt, loest sich die
Runde nach und nach auf.

Mittwoch:
Ich beschliesse, durch Brooklyn zu joggen. Waehrenddessen hoere ich NPR
(staatlicher Rundfunk in den USA) mit allerlei Expertengespraeche. Im
Wesentlichen sind sich alle einige, dass sie nichts wissen. Trotz dieser
blendenden Aussichten schaffe ich 13,69 km – also fast ein Drittel der
Marathonstrecke. Als Bush um 11 Uhr letztendlich auch noch Nevada
gewinnt, ist das Thema endgueltig erledigt. Ich gehe erstmal meine
Startunterlagen abholen. Die ganze Sache findet im Javits Center statt,
einer Art Messe. Die Dimensionen der Veranstaltung sind gewaltig. Die
Warteschlange fuer die kommenden Tage ist schon aufgebaut, und ich
kriege nach der Anmeldung erstmal ein fettes Paket. Darin enthalten:
Probepaeckchen Barilla-Pasta, Erdnuesse, 2 T-Shirts (eins fuer den
internationalen Freundschaftslauf am Samstag, eins fuer den Marathon am
Sonntag), Marathon-Magazin, Einladung zum Marathon-Dinner am Samstag und
noch ein paar andere Kleinigkeiten. Nach der Anmeldung gibt es einen
Merchandising-Shop mit allein einem halbe Dutzend offiziellen Shirts,
dazu noch die halbe Asics-Produktpalette mit NYC Marathon Aufdruck. Nach
Verlassen des Shops lacht mir ein schwarz-gelber Smart mit Boeblinger
Kennzeichen entgegen. Nebenan ist der Stand von Brightroom, der Firma,
die die offiziellen Fotos des Marathons macht. Fuer schlappe 250 $ kann
man hier das Komplettpaket erwerben, darin enthalten eine persoenliche
DVD mit Filmszenen, auf denen man sich selbst laufen sieht. Ich
verschiebe die Entscheidung, was ich kaufen werde. Es ist schon peinlich
genug, dass der Firmenvertreter am Stand schon nach einem halben Satz
kapiert hat, woher ich komme, und auf deutsch weitermacht. Ich besorge
mir noch Infomaterial vom Berlin Marathon. Abends zahle ich
Wucherpreise, um oben auf dem Empire State Building die beste Aussicht
auf Manhattan zu geniessen.

Donnerstag:
Die New York Post titelt heute „Don’t dare let us down“ – soviel zum
Thema neutraler Journalismus.
Ueber den Tag selbst rede ich lieber gar nicht. Die ganze Woche war das
Wetter spitze, fast schon sommerlich, aber an dem Tag regnete es wie
Sau. Meine Goretex-Jacke hielt zudem nicht, was sie eigentlich
verspricht – ich war vollkommen durchnaesst. Abends gingen wir ins Kino
und schatuen einen tschechischen Film mit Untertitel.

Freitag:
Chinatown, Downtown Manhattan – sehr beeindruckend. Ground Zero entpuppt
sich (im Grunde wenig ueberraschend) als riesige Baustelle. Extrem
geschmacklos ist allerdings, dass man im Minutentakt von irgendwelchen
Leuten angesprochen wird, ob man nicht 9/11-Souvenirs (Buecher und
Bilder) kaufen moechte.
Auf einen Besuch der Freiheitsstatue verzichte ich angesichts der
Schlange. Stattdessen fahre ich mit der kostenlosen Faehre nach Staten
Island. Die Aussicht ist toll und ich sehe andere Touristen mit den
Taschen, die bei der Marathonanmeldung ausgegeben werden. Abends gehe
ich nochmal zur Marathon-Expo, um mir ein paar Merchandising-Sachen zu
holen. Ich ordere zudem das Paket B – Bilder von mir beim Laufen sowohl
auf CD als auch auf Fotopapier. Preis: schlappe 100 $

Samstag:
Am Morgen findet der International Friendship Run statt, zu dem alle
internationalen Lauefer eingeladen sind. Nach der Verleihung eines
Preises an irgendjemanden, der sich besonders um den NYC Marathon
verdient gemacht hat (keine Ahnung, wer), geht es los – Start ist am
United Nations Plaza (direkt vor dem UN Gebaeude). In der Menge sind
Flaggen aller Herren Laender vertreten (darum gehts ja schliesslich),
u.a. auch eine badische. Neben einer bayerischen Flaggen sehe ich auch
ein Karstadt-Schild irgendwo – vielleicht ein paar verzweifelte
Mitarbeiter. Die Strecke fuehrt durch die Haeserschluchten Manhattans,
u.a. am Chrysler Building vorbei. Es ist schon beeindruckend, denn die
New Yorker sind darauf nicht wirklich vorbereitet und schauen nur etwas
verduzt. Ein paar versuchen zaghaft, die Strasse zu ueberqueren, was bei
ca. 10000 Laeufern aber etwas schwierig ist. Besonders beeindrucken ist
natuerlich die Umgebung, den auf den Strassen, wo der Lauf stattfindet,
ist normalerweise starker Verkehr. Kurz vor dem Ziel sprechen mich
Deutsche an, woher ich komme. Es stellt sich heraus, dass sie aus
Rastatt kommen. Sache‘ gibts, die gibts gar net. Nach 4 Meilen (6,4 km)
Stop-And-Go (Laufen konnte man das wirklich nicht nnen) erreichen wir
das Ziel. Wir erhalten Fruehstueckspakete und Wasser. Der Rest des Tages
besteht im Wesentlichen aus Nahrungsaufnahme fuer den Marathon. Zum
Brunch gehen wir in ein suedafrikanisches Restaurant, wo ein Freund von
Brierley obskure Geschichten ueber Affen erzaehlt, die er auf seiner
Reise durch Kambodscha gesehen hat. Am Abend will ich zum Marathon Eve
Dinner. Die Warteschlange ist stolze 3 Blocks lang. Nach 30 Minuten
Wartezeit bin ich aber drin und es gibt ordentlich Pasta, sponsored by
Barilla. Am Ausgang gibt es dann noch eine Tuete mit Eis und
Muesliriegeln. Ich sollte hier vielleicht noch erwaehnen, welche
gigantische Organisation an diesem Marathon haengt. 60
Vollzeit-Mitarbeiter arbeiten das ganze Jahr fuer dieses Event. Der
Gesamtumsatz des Spektakels belaeuft sich auf 15.000.000 $ – eine ganze
Menge fuer 35000 Leute, die durch die Gegend laufen. Neben Anzeigen in
den grossen Zeitungen ist die ganze Stadt samt U-Bahn plakatiert und im
Fernsehen wird jeden Tag darueber berichtet. Dazu kommen die ganzen
Sponsoren – neben Barilla sind u.a. Danone (hier Dannon), Gatorade und
Poland Springs (Mineralwasser aus Maine) vertreten. UPS sorgt fuer den
Transport des Gepaecks und MTA (Nahverkehrsverbund von NYC) fuer den
Bustransfer zum Start.

Sonntag:
Der grosse Tag ist da. Zu einer unmenschlichen Zeit von 4:30 Uhr stehe
ich auf und versichere mich, dass ich auch alles dabei habe.
Ich fahre mit der U-Bahn zum Battery Park (Anlegestelle fuer die Faehren
zur Freiheitsstatue) und von dort aus mit dem Bustransfer nach Staten
Island, wo der Start ist. Der NYC Marathon ist naemlich so angelegt,
dass er durch alle 5 Bezirke der Stadt (Staten Island, Brooklyn, Queens,
Manhattan und die Bronx) geht. Am Start gibts erstmal Fruehstueck. Ich
lasse mich vor dem Start fuer meine persoenliche CD fotografiert – wer
weiss schon, was danach kommt. Beim Warten vor den Dixi-Klos unterhalte
ich mit Alan, der aus Arizona kommt und die gleiche tolle GPS-Uhr wie
ich besitzt. Mir faellt langsam die doch stark ueberproportionale
Teilnahme von Hollaendern auf. Insgesamt sind 1998 Deutsche hier, 1992
Franzosen, und stolze 1442 Hollaender. Gemessen an der
Gesamtbevoelkerung also extrem viele. Vielleicht liegt es an der
Topographie des Landes – Bergsteigen scheidet ja als Hobby aus. Vor dem
Start faellt mir ein, dass ich ein wichtiges Utensil vergessen habe –
das DASDING-Schweissband. Asche auf mein Haupt!
10:15 Uhr ist endlich der Start. Da wir nach den Finishzeiten, die wir
bei der Anmeldung angegeben haben, aufgereiht sind, stehe ich ganz
hinten. Der Startschuss ist daher nur als dumpfes Grollen in der Ferne
wahrzunehmen. Ich brauche 26 Minuten, bis ich an die Startlinie komme.
Bis dahin bietet sich ein beeindruckendes Bild: Hunderte von Laeufern
haben bis zur letzten Sekunde ihre Pullover und lange Hosen anbehalten
und sie dann einfach zurueckgelassen. Das Ergebnis ist ein Fest fuer
jeden Altkleiderhaendler. Der Zaun an der Strecke sowie die Wiese, auf
der wir auf den Start warteten, sind uebersaet mit Klamotten. Es gibt 3
Startlinien: Gruen, Blau, und Orange. Ich habe letztere Farbe –
anscheinend auch die unguenstigste, denn als ich auf die
Verrazano-Bruecke komme, ist von den anderen Farben nichts mehr zu
sehen. Die Aussicht ist beeindruckend. Links die Skyline von Manhattan,
rechts der Blick aufs Meer. Nach 2 Meilen erreichen wir Brooklyn und
werden herzlich empfangen. Die ersten 8 Meilen geht der Lauf ganz gut,
danach kriege ich die ersten Probleme. Meine Fuesse schmerzen bald, und
von den Versorgungsstationen an jeder Meile habe ich mich dazu verleiten
lassen, zuviel zu trinken. Schon nach 8,5 Meilen lege ich die erste
Gehphase ein. Eigentlich wollte ich ja die ersten 13 Meilen (d.h.
Halbmarathon) durchlaufen, was ich ja auch schon geschafft habe. Auf der
9. Meile stehen meine persoenlichen Anfeuerer, was nochmal etwas
weiterhilft. Am Halbmarathonpunkt, der sich auf der Bruecke zwischen
Brooklyn und Queens befindet, ist die Luft endgueltig draussen. Ich gehe
fast nur noch und kann mich nur noch zu wenigen hundert Metern Lauf am
Stueck zwingen. So sollte es auch die restliche Strecke bleiben.
Immerhin kann ich der Versuchung widerstehen, stehenzubleiben oder gar
hinzusitzen. Den Vorsprung, den ich auf meine Wunschfinishzeit von 5
Stunden herausgelaufen hatte, schmilzt natuerlich dahin. Der
Hauptnachteil dabei ist neben der Enttaeuschung, dass ich nicht einmal
die Leistung abrufen kann, die ich normalerweise bringen kann, auch,
dass viele Zuschauer nach dem Hauptfeld der Laeufer gegangen sind und
die Kulisse daher weit weniger spektakulaer ist. Wenigstens bekommt man
ein paar lustige Spinner zu sehen, darunter Leute, die in
Elvis-Kostuemen laufen. Ein Brite hat sich gar als imperialer Soldat aus
Star Wars verkleidet. Naja, Briten halt. Was mich auch sehr beruhigt,
ist, dass ich das Ende des Feldes nie sehen kann und dass ich auch bei
weitem nicht der einzige bin, dem es so geht. Immerhin habe ich mir die
Peinlichkeit erspart, mich einem der sogenannten Pace-Teams
anzuschliessen. Die Mitglieder dieser Teams haben ein Schild auf dem
Ruecken, das ihre geplante Finish-Zeit verkuendet, so dass man sich an
ihnen orientieren kann, wenn man die gleiche Zeit erreichen moechte. Als
klar wurde, dass ich bestenfalls innerhalb der 6 Stunden, aber mit
Sicherheit nicht mehr innerhalb der 5 Stunden bleibe, kam ich immer noch
an Pace-Team-Laeufern vorbei, die utopische 4:45 Stunden auf ihrem
Ruecken stehen hatten – das wuerde mich wirklich aergern. Ich sparte mir
gegen Ende alle verbliebene Energie auf, um zumindest Teile des Central
Park noch laufenderweise absolvieren zu koennen. Die Begeisterung der
Leute war dennoch bewunderswert. Auf den letzten Meilen rief einem jeder
Zweite ein „Good Job, you’re almost there!“ zu. Im Central Park dann
traf ich auf einen juedischen Kanadier aus Toronto, mit dem ich mich
u.a. ueber den Nahost-Konflikt unterhielt. Er war verletzt und deswegen
zurueckgefallen – allerdings auch schon sein 15. Marathon. Als ich ihm
sagte, dass das wohl bis auf weiteres mein einziger Marathon bleiben
wuerde, entgegnete er nur „Liar“ – und irgendwie befuerchte ich, dass er
nicht ganz unrecht hat. Ich beschloss, die letzten zwei Meilen zu
laufen, was zumindest ansatzweise gelang. Jedenfalls lief ich ueber die
Ziellinie. Wer will schon gehend die Ziellinie ueberqueren? Die Raenge
waren schon sehr licht, als ich am Ziel ankam. Trotz des bitteren
Beigeschmacks der schlechten Zeit war es aber eine tolle Sache, die
Medaille umgehaengt zu bekommen und die Folie zu erhalten. Auch sehr
bewegend irgendwie, denn ich habe vor rund 4 Jahren mit einem Gewicht
von 115 kg und null Fitness angefangen. Ich erhielt noch ein Paket zur
Staerkung und ging zum Ausgang, wo ich mich hinsetzte und kurz danach
von Brierley abgeholt wurde. Zur U-Bahn konnte ich gerade noch so gehen,
aber von der U-Bahn zu ihrer Wohnung nahmen wir dann doch lieber ein
Taxi. Nach etwas Staerkung und einer Dusche war ich zwar nicht wirklich
muede, aber sinnvoller war es sicher, ins Bett zu gehen – auch wenn ich
dadurch nicht am kollektiven Wehklagen von Brierleys Freunden ueber
Bushs Sieg teilnehmen konnte.

Montag:
Ich wache zeitig auf. Meine Fuesse schmerzen kaum noch. Ich beginne,
meine Sachen zu packen, denn heute muss ich zu einer Freundin von
Brierley umziehen, da es dem Hauptmieter des Hauses, in dem Brierley
wohnt, nicht recht ist, dass jemand so lange dort wohnt. Ich mache auch
ein Paket fertig, wo ich alle meine Laufsachen reinpacke. Der Spass
kostet 35 $ und ich werde das Zeug wohl bis Weihnachten nicht
wiedersehen, weil ich mich gegen Luftpost entschieden habe. Mein neues
Zuhause ist Wahnsinn. Von aussen sieht es aus wie in der „Prinz aus
Zamunda“. Nebenan ist eine gammlige Autowerkstatt, auf dem Buergersteig
liegt ueberall Muell und ein Stueck weiter steht auf der Strasse
stilecht ein Auto ohne Raeder. Ganz im Gegensatz zum Inneren des Hauses:
frisch renoviert, schoen moebliert und sogar mit Internetzugang. Die
rund 60 Quadratmeter muss ich mir lediglich mit zwei Katzen teilen. Ich
bin begeistert, wie man sich denken kann.
Ich habe mittlerweile auch meine Ergebnisse angeschaut: Demnach bin ich
mit 6:11:13 Stunden auf Platz 35304. Sehr bescheiden, aber immerhin habe
ich noch 1200 laut Liste hinter mir. Es kommt mir vor wie bei meinen
ersten Laeufen, wo hinter mir eigentlich nur noch Rentner waren.

Oje

Die SPD käme im Moment auf überragende 21 Prozent. Das ist schon bedrückend, aber irgendwie auch nicht verwunderlich. Im Moment flüchte ich mich lieber in die Quantenmechanik, was mich auch karrieremässig sicher mehr voranbringt.
Morgen ist übrigens Stockholm Marathon. Mit dabei: Andreas, dem ich viel Glück wünsche. Ich selbst werde mit einem neuerlichen Marathon warten müsse – vermutlich wird es also zum 5jährigen Jubiläum meines ersten wieder was.

Reminiszenz

Drei Dinge braucht der Mann: Feuer, Pfeife, Reminiszenz

Die Ärzte (falsch zitiert von der B-Seite der Single „Hurra“, dort wiederum mit einem nicht existenten Fremdwort abgekupfert von einem alten Werbeslogan)

Heute bzw. gestern fiel der Startschuss zu einem der größten Sportereignisse der Welt, dem New York City Marathon. Wer mich kennt, weiß, dass sich mit diesem Ereignis für mich Erinnerungen verbinden, die ich nicht missen möchte.

2004 hatte ich das Vergnügen, zwei Wochen in New York zu verbringen und diesen Lauf zu machen. Über meine bescheidene Zeit von über 6 Stunden würde ich gerne den Mantel des Schweigens breiten, wenn sie nicht ohnehin online abrufbar wäre.

42,195 km lang – im Übrigen ist das und nur das ein Marathon – erlebt man eine der tollsten Städte der Welt, sieht ihre Vielschichtigkeit in den 5 Stadtteilen Staten Island, Brooklyn, Queens, Manhattan und der Bronx (in der Reihenfolge des Durchlaufens).

Für mich beginnt heute der Countdown – der nächste NYC Marathon ist voraussichtlich am 4. November 2007, und ich möchte dabei sein. Vielleicht reicht meine Vorbereitung sogar schon für eine Teilnahme am Stockholm Marathon im Juni. Ich trainiere jedenfalls schon fleißig, wenn auch nur im Fitnessstudio, weil das Wetter Läufe draußen momentan etwas gefährlich macht.

Darum nun ein kleiner Fotorückblick auf den Lauf 2004. In diesem Rahmen möchte ich auch einen Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag an den Mann schicken, der mich vor gut 4 Jahren halbfreiwillig zum Laufen gebracht hat – das Wort halbfreiwillig trifft dabei sowohl auf ihn als auch auf mich zu. Alles Gute Arne!

Der Lauf begann in gewisser Hinsicht schon am Tag davor. Der International Friendship Run am Tag davor leitet traditionell das Marathonwochenende ein.

Er beginnt beim Gebäude der Vereinten Nationen und endet an der Tavern on the Green im Central Park. Dementsprechend läuft man die meiste Zeit durch Midtown Manhattan, was diese frühmorgendliche Impression auch zeigt.

Da man aufgefordert war, Sachen aus dem eigenen Land mitzubringen, war der Lauf entsprechend bunt. Wer genau hinschaut, wird in der Mitte eine badische Flagge erkennen.

Ich war auch da. Glücklicherweise hatte ich mein Mitternachtslauf-T-Shirt dabei, so dass ich der Aufforderung auch nachkommen konnte. Überraschenderweise wurde ich daraufhin von einigen Rastattern angesprochen.

Die Strecke ist nicht lang, es gibt keine Zeitnahme, und zum Laufen kommt man bei diesen Menschenmengen ohnehin nicht, aber wann hat man schon einmal die Gelegenheit, vor der Grand Central Station mitten auf der Straße zu laufen?

Das erste Foto von mir am Morgen des Marathons. New York hat ein sehr gnädiges Wetter um diese Jahreszeit. 15 °C und trockenes Wetter sind nicht unüblich. Auch dieses Jahr war es wieder trocken. 2004 war der Tag vollkommen klar. Man sieht mich hier auf der Verrazano Bridge von Staten Island nach Brooklyn, dem ersten und zugleich beeindrucksten Stück der Strecke. Links schaut man auf die Skyline von Manhattan, rechts auf den offenen Atlantik. Warum ich hier so überhitzt erscheine, ist mir ein Rätsel. An dieser Stelle war ich kaum 2 km unterwegs.

Deutlich weniger dynamisch erscheine ich hier, auf der Queensboro Bridge, wo der Halbmarathonpunkt ist. Zu der Zeit habe ich schon erste Laufpausen eingelegt. Ein großer Fehler – ich hätte zumindest versuchen sollen, bis zum 30-Kilometer-Punkt durchzuhalten. Die Laufpausen waren auch vollkommen unnötig. Es hatten mich keine Krämpfe oder dergleichen geplagt – irgendwie war einfach nur der Faden gerissen gewesen, als ich das erste Mal gegangen bin.

Gegen Ende des Laufs – die Lichtverhältnisse verraten schon, dass ich ziemlich lange unterwegs war.

Entsprechend gequält lief ich in der Abendsonne. Die Füße taten weh und ich ging viel – dennoch gab es noch viele Leute am Rand, die einem zujubelten. Für die Amerikaner zählt Sportsgeist eine Menge – „You inspire us“ liest man auf den Schildern, und die Leute rufen „You have almost done it“ und „That’s the spirit“. Ich schätze, dass es nur wenige Läufe auf der Welt gibt, wo man derart unterstützt wird.

Am Ziel – nach über 6 Stunden. Es war fast schon dunkel, aber ich hatte es geschafft und wollte es mir auch nicht nehmen lassen, rennend die Ziellinie zu überqueren. Es empfingen mich die Menschen mit den Warmhaltealufolien und dem Spruch „We have been waiting for you all day“ – den hatte er wohl schon hunderte Male zum Besten gegeben, aber es war doch sehr bewegend. Dann bekam man die Medaille umgehängt, und es entstand dieses Foto.

Nach 42,195 Kilometern ist einem eigentlich alles egal – auch wenn man die Augen zu hat.

Meine Beine fühlten sich eigentlich noch ganz ok an. Erst als ich mich niedersetzte und mir die Leckereien aus dem Fresspaket, das es zum Schluss gab, genehmigte, wurde mir klar, dass der Heimweg härter würden werde als so mancher Teil des Laufs. In der Tat humpelte ich zur U-Bahn, und für das letzte Stück nahmen wir sogar ein Taxi – eine kluge Entscheidung.

Heute habe ich übrigens auch erfahren, wie groß die Chancen waren, an diesem Abenteuer teilzunehmen. Jedes Jahr bewerben sich 90.000 Läufer für die Lotterie, und 50.000 dürfen dann teilnehmen, von denen wiederum ca. 38.000 erscheinen. Man kann also von einer Gewinnchance von 55 % ausgehen. Allerdings ist hierbei nicht berücksichtigt, wie da die Verhältnisse zwischen US-Amerikanern und dem Rest der Welt sind. Die werden nämlich unterschiedlich berücksichtigt, wobei Amerikaner doppelt so viele Plätze bekommen wie Ausländer.

Soviel dieser kleine Rückblick – nur noch 363 Tage bis zum nächsten NYC Marathon…