Eine Frage, drei Monate und keine Antwort

Nach meinem ärgerlichen Strafzettel neulich habe ich letztendlich bezahlt – es blieb mir kaum etwas anderes übrig.

Ich wollte es aber etwas genauer wissen, und stellte noch eine Frage:

[…] Mein Einspruch wurde abgelehnt […] und die Begründung beinhaltet:

Diese Genehmigung muss sich im Fahrzeug befinden und laut den Vorschriften gut sichtbar und voll von außen lesbar in der Windschutzscheibe platziert sein.

Ich frage mich, wo diese Vorschriften zu finden sind. Auf eurer Homepage gibt es nur das Gesetz, aber dort steht nichts von Windschutzscheibe und Lesbarkeit.

Wenn ich schon aufgrund eines fragwürdigen Gesetzes und irgendwelcher Vorschriften dazu verdonnert werde, einen überteuerten Strafzettel zu bezahlen, dann will ich diese Vorschriften gefälligst sehen. Das muss in einem Rechtsstaat so sein.

Das ist aber offenkundig zu hoch für meine Sachbearbeiterin Ewa H bei Q-Park. Die Antwort auf meine Frage, die ich vor fast 3 Monaten gestellt habe, lautet:

Wegen deiner Einwände gegen unseren früheren Beschluss wird mitgeteilt, dass es an diesem keine Änderung geben wird, weil keine neuen Angaben gemacht wurden, die eine Änderung rechtfertigen würden.

Sie hat meine Mail offenkundig nicht gelesen. Ich habe ja gar nichts eingewendet. Ich hatte nur eine Frage.

Wer eine Genehmigung hat, muss sich informieren, was für die Genehmigung gilt. In diesem Fall […] Windschutzscheibe […]

Um das mal zusammenzufassen: auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz gibt es Vorschriften, über die man sich informieren muss. Die Vorschriften kann die Parkfirma aber offenkundig nicht vorlegen.

Die Angelegenheit wird hiermit als bezahlt und abgeschlossen betrachtet.
Wir bitten um Entschuldigung für die lange Bearbeitungszeit.

Ja, du mich auch.

Ich habe mich neulich mit einem Freund, der Jurist ist, über das Thema unterhalten. Interessanterweise gibt es in Schweden kein Verfassungsgericht. Es gibt also keine Möglichkeit, ein Gesetz für ungültig erklären zu lassen, weil es fundamentalere Grundsätze verletzt. Was der Reichstag beschließt, gilt.

Ein Gesetz wie das in Schweden gültige wäre in Deutschland vermutlich undenkbar, weil es zum einen erlaubt, dass jedes Vergehen mit voller Härte bestraft wird, was den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit außer Acht lässt. Zum anderen würde es vermutlich schon daran scheitern, dass hier Richter und Staatsanwalt in einer Person vereinigt sind.

In Schweden kann man hier aber nichts machen. Anscheinend werden solche Fälle meist darüber geknackt, dass man versucht, das Gesetz vor Gericht als nicht anwendbar einstufen zu lassen.

Witzigerweise wäre das hier sogar vielleicht möglich. Denn anhand von nicht zugänglichen und vielleicht nicht existenten Vorschriften kann man schlecht zu Strafzahlungen verurteilt werden.

Aber ich werde nicht Don Quichote spielen. Keine Zeit, kein Geld und vor allem keine Lust. Da wird sich wohl ein anderer Rächer der Knöllchen finden müssen.

Da das Geld aber bezahlt ist, werde ich die Gelegenheit nutzen, ein bisschen unverschämt noch etwas nachzubohren. Jede Arbeitsstunde, die ich diesem Laden abringen kann, ist es wert.

Parkplatzkrieg die zweite

Schweden eilt ja der Ruf voraus, ein sozialdemokratisches Paradies zu sein, ja sogar ein bisschen sozialistisch angehaucht. Das mag auf manche Bereiche zutreffen, aber schon lange vor der jetzigen Regierung wurden einige Bereiche in den freien Markt verabschiedet, die meines Erachtens nicht unbedingt dorthin gehören. Vor allem, wenn es um die Abgabe von Hoheitsrechten geht, bin ich skeptisch.

Die privatisierte Polizei

Ein Beispiel ist die blühende Branche der Sicherheitsunternehmen. Man hat das Gefühl, diese bewachten jede Hundehütte dieses Landes. Nicht dass Schweden sonderlich gefährlich wäre, aber das hält nicht davon ab, an jeder Haustür ein Codeschloss anzubringen. Eine Standardfrage bei vielen Lieferungen ist, ob es denn einen Türcode gebe. Die Sicherheitsleute sind oft mit einer Plakette ausgestattet, die ihnen so etwas wie einen offiziellen Status gibt. Es entsteht der Eindruck, es handele sich um eine Art privatisierte Hilfspolizei. Nun sollen sie sogar polizeiähnliche Uniformen bekommen, was anscheinend sogar gut gefunden wird.

Ein anderer Bereich sind die Parkplätze des Landes. Diese wurden praktisch vollständig in die Hände von Privatfirmen gelegt, die seither ihr Geschäft damit machen, Parksünder sofort zu stellen. Das gelingt ihnen auch äußerst oft. Als wir einmal Besuch von Freunden hatten, wurde ihnen schon wenige Minuten nach Ablauf ihres Parkscheins das Knöllchen an die Scheibe geheftet.

Und ein solches ist nicht billig: unter 300 kr, also gut 30 €, geht nichts.

Ein Déjà Vu

Vor fast genau 5 Jahren hatte ich einmal einen Disput mit einer Parkfirma, die horrende Summen für das Parken auf einer Müllhalde haben wollte. Ich kam damals davon.

Danach sieht es dieses Mal leider nicht aus. Vor knapp 3 Wochen parkte ich auf dem Weg zur Arbeit als Busfahrer auf dem Firmenparkplatz. Meine Parkgenehmigung liegt immer irgendwo auf dem Armaturenbrett, aber ich vergaß, sie so herauszulegen, dass sie gut in der Windschutzscheibe zu sehen ist. Bei meiner Rückkehr erwartete mich ein gelber Streifen mit einem Bußgeld von 550 kr, also rund 60 €.

Ich ging natürlich in Widerspruch, denn ich war schließlich berechtigt, dort zu stehen.

Heute kam nun die Antwort:

Laut der Beschilderung wird eine gültige Parkgenehmigung für das Abstellen auf dem Platz benötigt. Diese Genehmigung soll sich im Fahrzeug befinden und laut den Vorschriften während der ganzen Parkzeit gut sichtbar und von außen voll lesbar an Windschutzscheibe platziert sein. Laut unserem Personal wurde die Kontrollabgabe [Anm. das ist die euphemistische Bezeichnung für dieses Bußgeld] verhängt, weil keine solche Genehmigung gut sichtbar zur Kontrolle platziert war.

Das ist bedauerlich, dass deine Genehmigung bei der Kontrolle nicht sichtbar war. Dass du im Nachhinein eine gültige Genehmigung vorweisen kannst, ist jedoch kein Grund, die Angelegenheit abzuschreiben.

Es bleibt also bei den 550 kr.

Strafe und Verhältnismäßigkeit

Es ist nicht so, dass ich gar kein Bußgeld bezahlen wollte. Ein Fehler kann bestraft werden, denn durch ihn ist der Firma schließlich ein Aufwand angefallen. Jedoch steht der Betrag in keinem Verhältnis dazu. Um mal etwas Küchenrechtsphilosophie auszupacken: der Zweck eines Verbotes ist, im Interesse der Allgemeinheit unerwünschtes Verhalten zu verhindern. Man belegt es mit einer Strafe, um es durchzusetzen, sei es durch vorangehende Abschreckung oder nachfolgender Ahndung, um Wiederholungen zu verhinden und Buße zu erreichen.

Die Strafe muss dem Vergehen angemessen sein.
Der Zweck dieser Parkregelung ist, nur denen Zugang zum Parkplatz zu gewähren, die eine Berechtigung haben. Eine Parkgenehmigung zu besitzen und diese nicht ordnungsgemäß zu zeigen ist jedoch ein anderes, weniger schweres Vergehen als Parken ohne jegliche Berechtigung.

Welchen Sinn hat es also, in diesem Fall mich genauso zu bestrafen wie einen, der dort einfach falschparkt?

Ganz einfach: keinen außer der Gewinnsteigerung der Firma. Der Auftraggeber, also mein Arbeitgeber, hat schließlich kein Interesse daran, die eigenen Mitarbeiter verknacken zu lassen.
Die beschönigende Bezeichnung „Kontrollabgabe“ (kontrollavgift) verschleiert zudem, dass es sich um eine Strafe handelt. Vermutlich würde die betreffende Firma Q-Park argumentieren, dass es sich nicht um eine Strafe handelt, sondern um eine Abgabe zur Durchführung der Kontrollen – wobei man sich dann fragen müsste, wieso nur diejenigen, die dort nicht parken dürfen, zahlen müssen. Ein fragwürdiges Konstrukt ist das Ganze schon alleine deswegen, weil die eintreibende Firma gleichzeitig auch die Berufungsinstanz ist, in deren Interesse es natürlich nicht liegt, auch die Position des Delinquenten nachzuvollziehen.

Wie geht es weiter?

De facto bleibt für mich das Problem, dass ich mehr als die Hälfte des entsprechenden Tageslohns dafür abgeben muss – und dass ich, wenn überhaupt, nur unter erheblichem Risiko und geringen Erfolgsaussichten die Sache gerichtlich klären lassen kann. Ein Prozesshansel nennt man sowas, wenn der Streitaufwand den Streitwert um ein Vielfaches übersteigt.

Das oben zitierte Schreiben ist natürlich eine Standardvorlage. Diese Art von Einspruch kriegen die wahrscheinlich pro Tag im Dutzend. Und einige sind wohl so verärgert, dass die Bearbeiter lieber anonym bleiben: das Schreiben ist mit „Ewa H“ unterzeichnet.

Was tun? Ein neuerlicher Einspruch ist vermutlich zwecklos, wobei ein Versuch kaum schaden kann. Herunterhandeln ist besser als in voller Höhe zu bezahlen. Ich ziehe sogar eine Art von zivilem Ungehorsam in Betracht. Ich könnte beispielsweise etwas weniger bezahlen und abwarten, ob sie den letzten Kronen wirklich hinterherrennen wollen. Die Frage ist natürlich, wieviel ich dabei riskiere, denn die Schufa-Abfrage ist in Schweden so üblich wie die Frage nach dem Wetter.

Fürs erste habe ich aber den naheliegenderen Weg gewählt und meinen Chef bei Busslink kontaktiert – wie meine Erfahrungen vor 5 Jahren zeigten, sind die Forderungen nämlich schnell hinfällig, wenn der Auftraggeber nicht möchte, dass das Geld eingetrieben wird.

Nachtrag 13:30 Uhr: Q-Park hat auf seiner Homepage netterweise das Gesetz, nach dem dieses Bußgeld erhoben wird. Die Bezeichnung „Kontrollavgift“ stammt also vom Gesetzgeber. Laut diesem darf das Bußgeld die entsprechenden kommunalen Tarife nicht überschreiten. Ich tippe mal darauf, dass dieser Tarif genau 550 kr beträgt.

Die im Schreiben genannten Vorschriften zur Platzierung der Parkgenehmigung suche ich jedoch vergebens. Ggf. werde ich mal nachfragen, wer diese gemacht hat und wo sie einzusehen sind. Am Parkplatz selbst steht nämlich nur „P-tillstånd erfordras“ (Parkgenehmigung erforderlich) oder ähnliches, nicht jedoch die genauen Konditionen.