Als ehemaliger TITANIC-Abonnent versorge ich mich heute über das Netz mit Satire. Dazu dient mir natürlich nicht zuletzt die Homepage des Magazins.
Neuerdings hat die Seite auch gewissermassen noch einen Ableger, nämlich die SPAM-Seite von SPIEGEL Online, wofür sich der ehemalige TITANIC-Chefredakteur Martin Sonneborn verantwortlich zeigt.
In letzter Zeit beobachte ich bei mir aber eine gewisse Müdigkeit gegenüber des Humors dort. Es scheint mir, dass die Redakteure die immer gleichen und mittlerweile recht ausgelutschten Stilmittel anwenden. Besonders fällt mir auf:
- Man versucht eine Pointe einzubauen, indem man in einer Klammer einen vorher nicht dagewesenen Bezug herzustellen versucht. Aktuelles Beispiel: in SPAM wird eine Online-Umfrage mit der Frage
Welche Länder sollen Ihrer Meinung nach noch mehr Truppen nach Afghanistan schicken?
gemacht. Unter den Antworten befindet sich
Deutschland jedenfalls nicht, wir haben schon genug geleistet (20. Jahrhundert)!
Ist das komisch? Beim ersten Mal vielleicht ja, aber nach dem 30. Mal wirkt es doch sehr bemüht. Ähnliches Beispiel vom 13.11.2006 aus der TITANIC
Daum: Absage an Telekom
(…) Daum betonte aber auch, daß die Telekom ihm eine Herzensangelegenheit sei. Schließlich sei er mit einem Telefon großgeworden und habe mit dem Internetanschluß der Telekom unvergeßliche Erfolge gefeiert (Kokain-Großbestellung 1999). (…)
- In diesem Zusammenhang werden gerne ungebräuchliche Abkürzungen verwendet. Beispielsweise „i.e.“, das der Anglophile als Entsprechung zu „d.h.“ kennen dürfte. Mit derlei Kunstgriffen mag zwar eine gewisse Intellektualität entstehen, die die Macher sicherlich haben – aber für mich ist da eher die Frage, ob man sich dabei nicht zuweit von den zu parodierenden Medien entfernt, denn sowas dürfte auch in DIE ZEIT oder der FAZ selten anzutreffen sein.
- Die immer wieder angebrachten Anspielung auf den Zigaretten- und Alkoholkonsum der Redaktion sind auch nicht gerade neu.
- Der SPAM-Rubrik sieht man leider viel zu sehr an, von wem sie gemacht ist. Dass man die entrüstete Kritik einiger Leser an den Beiträgen in voller Länge einbringt, steht zwar in der guten Tradition „TITANIC-Leser stellen sich vor“, ist aber nicht einmal halb so amüsant, und die Kritik leider auch ziemlich berechtigt. Richtig gute Lacher waren bisher jedenfalls die Ausnahme. Kurze Stücke mit häufig mässigen Pointen dominieren das Bild. Sich über Hinterbänkler im Bundestag lustig zu machen oder vermeintliche Heimatkunde zu betreiben geht leider auch am Ziel vorbei, wenn man es mit brillianten Aktionen wie den Einsätzen als falsches Wahlkampfteam für die SPD oder die FDP vergleicht. Dass derartige Perlen der TITANIC-Vergangenheit nun recycelt werden, ist zwar gut gemeint, aber dass man einen schon ziemlich angestaubten Anti-Nazi-Werbespot wieder bringt oder ohne jeglichen aktuellen Bezug darüber berichtet, wie man einmal Eckart von Klaeden auf dem Höhepunkt der CDU-Spendenaffäre vor 7 Jahren hereinlegte, zeugt vielmehr von der Misere des ganzen Angebots.
So brilliant das TITANIC-Magazin oft ist – SPAM sollte ein getrenntes Angebot sein und statt drei mässigen Beiträgen lieber zwei gute veröffentlichen. Die tagesaktuellen Comics sind auf alle Fälle mal ein Ansatz.
Die neue Seite des TITANIC-Magazins ist in vieler Hinsicht auch besser als die alte. Aber auch könnte man Qualität durch Quantität ersetzen. Die exzellente Rubrik „Vom Fachmann für Kenner“ ist etwas, was ich mir täglich wünschen würde.
Es lohnt sich in dem Fall auch mal ein Blick über den Teich. Dort produziert The Onion eine tagesaktuelle Satire-Zeitung mit garantiert erfundenen Meldungen. Das ist in vieler Hinsicht besser als Satire auf die Internet-Nachrichtenseiten als SPAM.
Da lache ich mich zwar nicht tot, aber die Nachrichtensatire ist treffend und erweckt auf den ersten Blick den Anschein richtiger Nachrichten. The Onion bezeichnet sich ja auch als „America’s finest news source“. Dorthin muss SPAM mit seinem erfundenen Bundespräsident Bob Schneider erst noch kommen.