ÖPNV-Wunderland

Neue Kampagne Media Markt (1)

Die neue Media Markt-Kampagne – Übersetzung eigentlich unnötig

SL, seines Zeichens Nahverkehrsverbund für ganz Stockholms Län, ist in vieler Hinsicht einzigartig.

Er ist beispielsweise ein Kabinett der Absurditäten. Obwohl die Züge der U-Bahn hochmodern sind und so langsam wohl auch der allseits verhasste Nahverkehrszug Pendeltåg unter neuer Führung ab und an pünktlich kommt, leistet man sich allerhand Anachronistisches. Vor allem gibt es keine Fahrkartenautomaten – ja, diese nicht gerade moderne Einrichtung hat Stockholm noch nicht erreicht. Den Verkauf von Einzelkarten nehmen dann Leute in den Kabinen am Stationseingang vor. Zwar will ich meine Partei hier nicht anschwärzen, aber mir kommt es manchmal so vor, als seien diese Arbeitsplätze das Ergebnis einer verzerrten sozialdemokratischen Philantropie. Denn man scheint bewusst einiges in Kauf zu nehmen, um diese Jobs zu erhalten – koste es, was es wolle, im wahrsten Sinne des Wortes.
Wenn beispielsweise ein solcher Fahrkartenverkäufer Pause macht – und das kommt meiner Einschätzung nach ziemlich oft vor – dann kann jeder die Sperre vor ihm ganz offiziell passieren, ohne ein Ticket kaufen zu müssen. Es ist die amtliche Absegnung der Schwarzfahrerei. Ohne zu übertreiben kostet so eine 10minütige Pause den SL mehr, als dieser Mitarbeiter in der Stunde verdient. Hinzu kommt, dass diese Leute auch nicht gerade ein Beitrag zum Service sind. Drückt irgendein Idiot am Wochenende auf den „Nödstopp“ der Rolltreppen, so bequemt sich dieser nicht etwa mit dem entsprechenden Schlüssel hin und wirft das Gerät wieder ein an. Nein, notfalls steht sie es bis Montagmorgen.
Ebenso seelenruhig schauen sie auch zu, wenn Schwarzfahrer die elektronischen Sperren überspringen. Noch schlimmer ist es, wo es solche Sperren gar nicht gibt und sie die Fahrkartenkontrolle direkt übernehmen. Schwarzfahren kann man hier eigentlich immer, wenn man sich nicht allzu blöd anstellt.

.SE Reklam Pamuk

Die Domainendung .se ist in Schweden nicht allzu beliebt – .nu und .com werden nämlich sehr gerne genutzt. Daher macht man jetzt Werbung für .se-Domains und nimmt dazu auch gerne den aktuellen Literaturnobelpreisträger zu Hilfe. Ich nehme allerdings nicht an, dass der diese Woche Busse fahren wird.

Sicherlich kann man ihnen die letzteren beiden Dinge im Interesse ihrer eigenen Sicherheit nicht wirklich vorwerfen. Dennoch stellt man sich die Frage, was diese Menschen mehr tun als ein Fahrkartenautomat mit Abstempelfunktion. Man kann bei ihnen ja nicht mal alle Fahrkartensorten erwerben. Ausser 10er-, 20er- und Einzeltickets gibt es bei ihnen nämlich nichts zu kaufen – den Verkauf von Dauerkarten aller Art übernehmen Kioske.
Es gibt übrigens einen Pilotversuch für die Einführung von Fahrkartenautomaten – diese verkaufen aber nur Dauerkarten.

Der Gipfel der Absurdität kommt in der aktuellen Debatte um die Busfahrer. Die wurden in der letzten Zeit nämlich des Öfteren ausgeraubt, was schon einmal kurzzeitig zu der Massnahme führte, dass sie keine Karten mehr verkaufen durften, um keine Geldbestände an Bord zu haben. Ab 1.1.2007 ist das nun auch der Dauerzustand: Karten gibt es an Bord nicht mehr. Ein paar hellen Köpfen bei SL und den regionalen Behörden ist nun dann auch schon gedämmert, dass man dann ja nirgendwo mehr Karten kaufen kann, es sei denn, ein Kiosk ist unmittelbarer Nähe der Haltestelle.

Manchmal scheint es mir nicht verwunderlich, dass die Monatskarte über 60 € kostet.

Für manche Dinge kann der SL aber wenig. Als im Frühjahr der Versuch zur Gedrängesteuer („Trängselskatt“) genannten Stadtmaut für Stockholm lief, wurden die Einnahmen daraus direkt in den öffentlichen Nahverkehr gepumpt. Heraus kamen u.a. eine Menge Buslinien, die zur Kenntlichmachung mit einem X versehen wurden. Das erweiterte Budget für 2006 konnte wegen des Machtwechsels nicht mehr gesichert werden. Dementsprechend fallen die X-Linien von 151X bis 815X dem Rotstift zum Opfer. Die kürzen Intervalle der U-Bahn bleiben aber glücklicherweise erhalten – wenn sie denn nicht von technischen Problemen geplagt ist.

Die neue Regierung hat auch schon erste Massnahmen beschlossen. So soll im nächsten Jahr eine verbilligte Monatskarte für Studenten eingeführt werden (endlich!). Dafür wird aber die reguläre Karte teurer und das Zonensystem für die Tarife der Einzelfahrkarten wird auch wieder eingeführt.

Richtig weit vorne ist SL in Sachen Umwelt. Sie machen derzeit Werbung mit dem hier:

SL Biogas (1)

SL Biogas (2)

Darauf bedankt sich SL bei all denjenigen, die kürzlich Sushi, Köttbullar usw. gegessen haben. Der Grund: aus den Abwässern Stockholms wird Biogas gewonnen, mit dem die Biogasbusse fahren.
Na dann Guten Appetit!

PS: Der Anlass dieses Artikels ist meine heutige Busfahrt hierher, auf der ich diese Fotos geschossen habe.

Pissed off

Wie schlecht gute Abende enden können. Heute (bzw. jetzt schon gestern) besuchte ich zusammen mit Michael, einem Studenten aus Wien, der seit kurzem hier wohnt, zwei Filme des Stockholm Filmfestival. Zum Einen „Wal-Mart: The High Cost of Low Price„, eine kritische Dokumentation über Wal-Marts Geschäftsverhalten. Zum Anderen „Clerks II„, die passable Fortsetzung des legendären Film „Clerks“.

Weniger toll, was danach kam – erst quatscht uns ein Deutscher blöd im McDonald’s mit Referenz auf den „schwäbischen Dialekt“ an. Auf sowas reagiere ich mächtig allergisch, insbesondere wenn es in einem derart abfälligen Ton daher kommt. Danach sind wir weiter in einen überfüllten Irish Pub in Södermalm, aus dem wir gleich wieder raus sind. Beim Rausgehen greift mir ein offensichtlich Alkoholisierter an den Hintern. Ich berichtete das dem Türsteher, der das mit einem lakonischen „Good for you“ quittierte. Naja, ich kann ja auch verstehen, dass er nicht so enthusiastisch zulangte wie Babak Jamei Anfang des Jahres. Allerdings habe ich auch keinen Zweifel daran, dass er umso beherzter eingegriffen hätte, wenn ich dem Idioten im Pub sein Getränk ins Gesicht geschüttet oder einfach einen Schwinger verpasst hätte. An manchen Tagen sollte ich vielleicht doch agressiver sein, auch wenn ich dafür selbst was einstecken müsste. Auch schön dann in der U-Bahn: wegen irgendwelcher Störungen um Gamla Stan herum kamen die U-Bahnen in seltsamen Abfolgen. Nach rund 30 Minuten hatte ich endlich eine U-Bahn. In der Zwischenzeit durfte ich beobachten, wie jemand auf den Boden gefallene Chips aufhob und aß – widerlich. Mir geht das dauernde Herumgespucke in der U-Bahn schon auf die Nerven, aber sowas ist dann doch noch eine Nummer ekliger irgendwie.

Versöhnliches Ende: ich konnte das letzte Stück mit dem Bus fahren.

Zu den Filmen: der Stil des Wal-Mart-Films lag mir zwar nicht ganz so, aber die Fakten sind klar und haben sich abgeschwächter Form in Deutschland gezeigt. Wal-Mart ist ein Unternehmen, dem Mitarbeiter, Umfeld und teilweise sogar die Kunden vollkommen egal sind, solange es Profite einbringt. Die im Film gezogenen Schlüsse muss man dennoch kritisch bewerten. Dass Wal-Mart Mitarbeiter im eigenen Laden überwacht, um die gewerkschaftliche Aktivitäten zu unterbinden, ist schon höchst fragwürdig. Aber Wal-Mart vorzuwerfen, dass sie diese Kameras wiederum nicht auf ihren Parkplätzen haben, ist grotesk. Konkret ging es um zahlreiche Verbrechen, die auf den Parkplätzen von Wal-Mart verübt worden sind. Die Liste enthielt aber auch zahlreiche Punkte, die eben nicht direkt mit einem Einkauf bei Wal-Mart in Verbindung gebracht werden können – Morde und Vergewaltigungen können an vielen öffentlichen Plätzen passieren. Die Installation solcher Kameras und das Einstellen von Wachleuten in diesem Kontext ist zwar wünschenswert, aber keineswegs verpflichtend. Andere Märkte in den USA haben solche Einrichtungen sicher auch nicht – und darüber beschwert sich auch keiner. Die Fixierung auf Wal-Mart stellt die Firma auch als einziges großes Evil Empire dar. Ich habe große Zweifel, dass die Konkurrenz wie Kmart deutlich bessere Geschäftsgebahren hat. Was bei der ganzen Sache nur angedeutet wird: das Versagen liegt hier auch in den Gesetzen und vor allem deren Kontrolle. Wenn ein Mitarbeiter regelmäßig unbezahlte Überstunden schiebt und das nie auffällt, ist das auch ein Versagen der Behörden.

„Clerks II“ ist eigentlich ein würdiger Nachfolger. Der Humor ist gewohnt ordinär und flach, die Dialoge glänzen aber oft. Der Ausgang ist leider sehr offensichtlich – viel mehr als beim ersten Film, soweit ich mich erinnere. Dafür wird einem das Ganze mit abwegigen Diskussionen über die Transformers sowie mit einer absurden Tiersex-Show versüßt. An den Szenen wie dem kollektiven Tanz zu „ABC“ von den Jackson Five und den Gastauftritten von Jason Lee sowie Ben Affleck merkt man auch, dass es zum guten Teil darum ging, einfach eine Menge Spaß zusammen zu haben. Und den hatte ich auf alle Fälle.

Vagnbrist

Eigentlich hätte dieser Artikel schon vor Stunden erscheinen sollen. Zu der Zeit saß ich in Kista und wollte mich auf das Großereignis des Dezembers in ganz Schweden einstimmen. Das wurde aber leider nichts, weil Flickr das Bild nicht hochladen wollte. Auch beim Flickr-Betreiber Yahoo leistet man sich wohl ab und zu mal Aussetzer.

Nicht dass technische Probleme etwas vollkommen Unbekanntes wäre dieser Tage. Die Stadt leidet seit Tagen unter massiver „Vagnbrist“ – übersetzt „Wagenmangel“. Das Scheechaos vor kurzem hat derart viele Wagen beschädigt, dass man auf manchen Linien die üblichen Taktzeiten nicht einhalten kann. Erstaunlich ist allerdings, dass diese Phänomen erst seit dem Wochenende so richtig zu Tage tritt, obwohl schon am 3. November die Meldung herausgegeben wurde.

Nun aber zum eigentlichen Hauptthema. Nur noch einen Monat bis zum Lucia-Fest. Kurz der Sachverhalt: in weiße Wänder gekleidete Kinder tragen bei diesem Lichterfest Kerzen und singen Lieder. Ein Mädchen darf dabei die Lucia mit der Lichterkrone sein. In Stockholm gibt es hierzu auch einen großen Umzug – und eines der lokalen U-Bahn-Blätter lässt dazu die offizielle Lucia wählen, die dann auch nach Sizilien fahren darf. Hier kann man die Kandidatinnen begutachten. Auch dieses Mal überrascht mich, dass wenige Blondinen dabei sind. Schon letztes Mal war die Lucia Stockholms eine Brünette. Klischees sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.