Ein Tunnel unter dem Belt

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, aber in dem Fall pfeife ich gerne mit: das dänische Parlament hat sich zum Bau der festen Querung des Fehmarnbelts entschlossen. Als letzte Hürde steht dem nur noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung entgegen, an der das Ganze aber wohl kaum noch scheitern wird.

Das heißt de facto, dass man ca. ab 2020 auf direktem Wege und ohne Fähre von Schweden nach Deutschland (und natürlich auch umgekehrt) durchfahren kann, ohne die 160 km Umweg über Flensburg nehmen zu müssen. Ich finde das gut, auch wenn natürlich in den Sternen steht, wo ich in 10 Jahren sein werde und ob ich dann noch etwas davon habe.

Ich sehe ehrlich gesagt auch nicht ganz,was gegen die Querung spricht. Die potenziellen Umweltprobleme, die bei einer Brücke befürchtet werden, sind mit einem Tunnel praktisch alle vom Tisch. Die Argumentation in der Richtung, dass so etwas gar nicht gebraucht würde, halte ich für wenig stichhaltig. Zwar werden hierdurch keine zwei Großräume verbunden, wie das bei der Öresundbrücke der Fall ist, aber es stellt eine signifikante Verbesserung der Verkehrsanbindung ganz Skandinaviens dar – der Einzugsbereich umfasst gut 15 Mio. Menschen, und es erscheint mir kaum denkbar, dass dies keinen Effekt haben würde.

Die meisten Gegner scheinen auf Fehmarn zu leben und fürchten um das Wohlergehen der Insel. Man kann es irgendwo verstehen, denn die bestehende Fährverbindung ist von großer Bedeutung für die dortige Wirtschaft. Die meisten Argumente verfangen bei mir aber kaum.

Bislang verläuft eine sicherlich auch nicht wenig befahrene Bundesstraße über die Insel. Im Sommer stauen sich die Autos über lange Strecken vor der Fähre. Inwiefern hier eine vierspurige Autobahn viel schlechter sein soll, sehe ich nicht so ganz. Die Autos sind in 10 Minuten über die Insel und wieder weg. Wenn das Verkehrsaufkommen gleich bleibt, ist das dann etwa schlimmer als endlose Schlangen?

Handfester ist da schon das Argument, dass Arbeitsplätze verlorengehen könnten. Das ist nicht von der Hand zu weisen, denn auf der Fähre arbeiten eine Menge Menschen. Allerdings hätte man die Einführung von Autos auch mit dem Argument untergraben können, dass die Kutscher hierdurch arbeitslos werden. Man muss den Nutzen schon abwägen. Angesichts der Tatsache, dass die Zurücklegung einer Strecke von 18 Kilometern derzeit über 40 Minuten dauert, sehe ich durchaus einen erheblichen Nutzen.

Ein klassisches Argument in der Sache ist, dass die Fähre die perfekte Gelegenheit zur Pause ist. Das ist sicherlich richtig. Ich will niemandem zu nahe treten, aber Urlauber sind bei der ganzen Sache nicht vorrangig. Bei der Broschüre zur Öresundbrücke widmet man dem Tourismus nur zwei Seiten, und da geht es vorwiegend um regionalen Tourismus zwischen Schweden und Dänemark. Bei der Fehmarnbeltquerung geht es in erster Linie um den Frachtverkehr, denn mit übermäßigem Pendleraufkommen ist nicht zu rechnen. Ich bezweifle etwas, dass die Lkw-Fahrer sonderlich viel von der Pause an Bord haben. Die Pause ist kurz, und es ist keineswegs garantiert, dass sie zu einem günstigen Zeitpunkt kommt. Eine Raststätte ist weitaus flexibler, und die 20 km Streckenersparnis fallen nun wirklich nicht sonderlich ins Gewicht. Zudem existiert auch nach über zehn Jahren Öresundbrücke immer noch die Fährenverbindung Helsingör-Helsingborg. Beide werden mit Erfolg betrieben, und etwas Konkurrenz im Fehmarnbelt kann wirklich nicht schaden. Die Preis beträgt mittlerweile 60 € für eine Strecke. Auf dem Öresund zahlt man für dieselbe Strecke 40 €. Die Fähre kann als Konkurrenz ja bestehen bleiben, und der Rest fügt sich.

Daher sehe ich mit freudiger Erwartung dem Bau entgegen – und nach dessem Abschluss auf „nur“ noch 16,5 Stunden Autofahrt in die alte Heimat.

Eine interessante Beobachtung zu der Sache ist übrigens, dass die Meldung in den schwedischen Nachrichten kaum vorkommt. Nur lokale Nachrichten in Südschweden haben vorab etwas berichtet. Ein schwedischsprachiger Artikel über das Ergebnis ist mir bislang noch nicht untergekommen.

7 Gedanken zu „Ein Tunnel unter dem Belt“

  1. Es ist wieder mal erstaunlich, wie sehr in Deutschland wieder mal ein eigentlich tolles Projekt zerredet wird, obwohl Deutschland ausser einigen Infrastrukturmassnahmen fast keine Kosten entstehen. Im Gegenteil gehe ich davon aus, dass eine schnellere und billigere Verbindung auch den ein oder anderen Tagesurlauber aus Dänemark auf die deutsche Seite lockt, nicht zuletzt wegen der deutlich niedrigeren Preise. Da der Tunnel auch eine zweigleisige Zugstrecke beinhaltet, bleibt weiterhin zu hoffen, dass auch in Deutschland doch noch etwas Geld in den Ausbau der bisher nicht einmal elektrifizierten, eingleisigen Strecke gesteckt wird und somit die Fahrzeit von Hamburg nach Kopenhagen deutlich unter 5 Stunden sinkt.

    1. Ja, die gefundene Lösung ist ein Paradebeispiel für die Mutlosigkeit der deutschen Politik. Bei dem Wikipedia-Artikel zum Thema wollte jemand allen Ernstes unter den Gegenargumenten anführen, dass die Einnahmen dann ja alle nach Dänemark gingen – nichts zahlen, aber mitkassieren wollen. Wenn die Deutsche Bahn das auf die Reihe kriegt, wäre die Strecke sogar in gut 2 Stunden zu schaffen. Dazu dürfte man aber nicht an jeder Milchkanne anhalten und muss die Strecke hinreichend ausbauen. Das ist aber vermutlich zuviel Herausforderung in 9 Jahren.

  2. Ja, klar, Lübeck, Oldenburg, und nicht zu vergessen der Abstecher in das Gleisdreieck nach Burg auf Fehmarn als Kompensation für die ausbleibenden Touristen.

  3. Die Schnellfähren, die in 45 min Fehmarn mit Lolland verbinden strahlen den Charme schwimmender Frittenbuden in Kombination mit stinkender toiletten aus. Ich kann es nicht erwarten, wieder an Land zu gehen und empfinde den Bootsaufenthalt als reine Qual. Ich werde froh sein, wenn ich die Boote nicht mehr benutzen muß.

    Die deutsche Haltung zum projekt ist an vielen Stellen und auch hier kommentiert worden. Deutschland ist ein Transitland, aber den Transit im Norden zu erleichtern und dafür zu zahlen, das kommt dann doch nicht in Frage. ich erwarte nichts von der deutschen Politik – Weitsicht und Klugheit am wenigsten.

    Die Vogelfluglinie ist eigentlich die klassische transportlinie, ganz im gegenteil zum großen Belt. Man hätte die Vogelfluglinie schon vor zehn Jahren ausbauen und noch früher mit Planungen beginnen sollen. Vor allen Dingen könnte man wieder Nachtzüge von Norwegen und Schweden nach Hamburg einrichten, die mit der Eröffnung der öresundsbrücke und Abbau der Rangiermöglichkeiten in Rödbyhamn
    weggefallen waren. Desweiteren ist es für die Umwelt schonender, die Transitgüterzüge nicht über Jütland zu schicken, sondern direkt durchfahren zu lassen. Beides wären richtige Vorteile.

  4. Hm ok dann werde ich hier mal der Einzige sein der sich nicht richtig freuen kann an diesem Tunnel. Zum einen muß ich gestehen, daß mich bei einer so lange Tunnelfahrt unter Wasser ein ungutes Gefühl beschleicht.
    Besonders wenn LKW’s neben mir langbrummen und der Fahrer mal kurz meint einzunicken.
    Auf Autobahen ofters erlebt, da hat man aber genügend Fluchtmöglichkeiten und muss nicht Angst vor einem Flammen und Rauchinferno haben.
    Das ist natürlich alles subjektiv und ich muss da ja nicht durchfahren.
    Die A1 Verlängerung bis Fehmann könnte auch ohne Tunnel gebaut werden, die ist schon lange fällig.

    1. Ich traue den Dänen mal zu, dass sie anständig für die Sicherheit sorgen. Ob Fähre oder Brücke hier sicherer sind, ziehe ich auch etwas in Zweifel. Übermüdete Fahrer können auch beim Rangieren auf der Fähre schwere Fehler begehen oder im Sekundenschlaf Autos von der Brücke schieben. Eigentlich sollte es mit den gültigen Regeln auch keine übermüdeten Fahrer geben, aber das ist natürlich ein nie zu erreichendes Optimum.

      Ich fände es in jedem Fall gut, wenn die Fähre bleibt. Der Grund für die horrenden Preise im Belt liegt ja nicht zuletzt an der nicht vorhandenen Konkurrenz. Am Öresund haben Fähre und Brücke ja anscheinend ein gutes Gleichgewicht gefunden.

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