Mia und ihre Schwestern – Inga Lindström in Hochform

Also mal ernsthaft: für die Verhältnisse von Inga Lindström handelte es sich beim heutigen Herzschmerz-ZDF-Film um hochwertige Kost. Da werden echte Beziehungsprobleme erörtert, anstatt den alten einfach für den einzig richtigen in den Wind zu schießen. Und das, obwohl der Film von 2009 ist, als die Geschichten doch anscheinend noch viel seichter waren als ohnehin schon.

Ja, ich habe es mir einmal wieder angetan: Pseudo-Schwedin Inga Lindström schrieb ein Schmonzette, die in Pseudo-Schweden spielt. Der Film heißt „Mia und ihre Schwestern“ und ist angeblich „nach der gleichnamigen Erzählung“. Das ist natürlich Schmarrn, denn die „Erzählung“ existiert in erster Linie als Drehbuch. Dass daraus auch mal gedruckte Schmöker werden, ist ein Nebenprodukt.

Wie der Titel nahe legt, geht es um Mia und ihre ausgesprochen gut aussehenden zwei Schwestern. Diese haben auch eine Mutter, die passenderweise von Gaby Dohm gespielt wird. Die konnte auch schon früher die starke Mutter spielen, aber das war im Gegensatz hierzu große Fernsehunterhaltung (ich gestehe: da mag ich falsch liegen, denn meine Erinnerungen an die Schwarzwaldklinik sind doch sehr vage).

Jede der vier hat ein mehr oder weniger gravierendes Problem. Die Mutter hat sich im fortgeschrittenen Alter mit dem Klassikmusikproduzenten Franz verlobt, der es wagt, nicht aus Schweden zu kommen, sondern extrem subversiv bei der Konkurrenz in Oslo wohnt. Sie traut sich aber nicht so recht, das ihrer Familie zu sagen. Agneta ist wegen nicht weiter spezifizierten Symptomen bei einem Arzt. Gott allein weiß, wie sie es hinbekommen hat, am Telefon nicht abgewimmelt („Nehmen sie etwas Paracetamol und legen sie sich hin“) zu werden. Der Arzt hat ein unglaubwürdig schickes und großes Büro, das er in dem Fall dazu verwenden darf, Agneta mitzuteilen, dass sie schwanger ist. Das passt ihr so gar nicht, denn mit einem Kind hatte sie angesichts vermuteter Unfruchtbarkeit nicht mehr gerechnet. Sie möchte nicht alleinerziehend sein und der Vater ist verheiratet.

Anna ist die zweite Schwester. Sie ist mit dem unverschämt gut aussehenden Jan verheiratet, der so unschuldig neckisch um seine Schwägerinnen herumscharwenzelt, dass man Böses vermuten müsste, wenn er nicht so ein sympathischer Kerl wäre.

Und dann gibt es da noch Mia, die Fotografin ist und eigentlich schon immer in Jan verliebt. Was zu weiteren Komplikationen führt, da Anna ihren Mann kürzlich betrogen hat. Die beiden haben sich auseinander gelebt, und da kann man auch schon mal die Schwester anschauen, denkt sich Jan – bleibt schließlich in die Familie. Wirklich schlecht kommt dabei aber keiner weg, auch wenn das jetzt erstmal so klingt. Ein Wochenende bei der Mutter sortiert das alles schön.

Den Rest des Herzschmerzes erspare ich dem geneigten Leser: Agneta behält das Kind trotz der Probleme, Anna und Jan trennen sich wegen intensiver Auseinandergelebtheit, und Mia probiert es mit Jan. Die Mutter zieht ganz unverschämt vom Naturidyll in die böse böse Großstadt (in dem Fall ausnahmsweise Oslo), und Agneta will ihr Kind in dem Haus aufziehen. Der Eierkuchen muss dieses Mal wegbleiben, aber alle arrangieren sich am Ende.

Wie gesagt ist alles ganz in Ordnung, wenn man die Maßstäbe entsprechend ansetzt.

Man sehe mir meine Pedanterie nach, aber es ist wieder einmal witzig, wenn man als Einwohner der Region sieht, wie die Örtlichkeiten in vollkommen absurder Anordnung lustig aneinandergebastelt werden, wie schon bei der überschallschnellen Prinzessin geschehen. Das dürfte sogar dem aufmerksamen Stockholmtouristen auffallen.

So wohnt Jan mit Frau und Kind im schicken, neuen und sehr umweltfreundlichen Hammarby Sjöstad, wo sie ihr Auto direkt am Wasser parken. Das kann man durchaus, vorausgesetzt, man ist bereit, ca. 150 € in der Woche für Knöllchen zu zahlen. Von dort aus geht es los zur Kanzlei der Eltern, und in der nächsten Szene fahren sie von Skeppsholmen herunter. Die Familienkutsche muss ein Amphibienfahrzeug sein.

Um das zu illustrieren:

Knifflige Aufgabe: man fahre von Hammarby Sjöstad (rechts unten) nach Blasieholmen und benutze hierzu die Brücke zu Skeppsholmen, und zwar in Richtung Blasieholmen. (Bild: OpenStreetMap, CC-BY-SA 2.5)

Anderes ist hingegen erstaunlich plausibel. So muss man, um zu dem Haus der Mutter zu kommen, erst Drottningholm passieren und dann eine Autofähre nehmen. Eine solche Fähre gibt es sogar, und sie fährt tatsächlich wie im Film behauptet um 8:30 Uhr – soviel Realitätsnähe ist vermutlich Zufall. Das Haus – die Bezeichnung Palast im schlanken 1,5 Mio. Euro-Preissegment trifft es wohl eher – muss daher eigentlich auf der Insel Adelsö stehen. Was hingegen gar nicht dazu passt, ist Mias Ausflug in den „Hafen“. Dieser scheint in Trosa zu sein, was 80 km entfernt ist.

Aber wer will denn über solchen Unsinn nachdenken, wenn Stadt und Land so schön sind?

6 Gedanken zu „Mia und ihre Schwestern – Inga Lindström in Hochform“

  1. Wieder sehr gut beobachtet. Ich würde für diese Schmonzetten, auch wenn sie in STHLM und Umgebung spielen, keine Sekunde verschenken, aber es ist immer wieder amüsant, deine Beiträge darüber zu lesen.

    1. Danke. Ich sehe es eher als Amüsement. Das Ganze ist so surreal, dass man sich gar nicht die Mühe zu machen braucht, sich empathisch in die Protagonisten hinein zu versetzen. Stattdessen kann man sich voll darauf konzentrieren, wo das Ganze spielt und welches Bild da von meinem Lebensmittelpunkt präsentiert wird.

  2. Ich hab da ne Frage. Weiss jemand zufällig was das für ein Schloss ist und wo das steht, dass da im Film als „Familienschloss“ vorkommt ?
    Ist das in Schweden? Oder gar in Deutschland ?

    Danke zum Voraus für den Tipp

    Gruss aus der Schweiz

    patrick

    1. Ich kann es nicht definitiv sagen. Es ist in jedem Fall in Schweden. Auch wenn an den Filmen sonst nichts schwedisch ist: gedreht wird anscheinend in Schweden.

      Sollte es da sein, wo der Film suggeriert, wäre es auf Adelsön:
      https://maps.google.com/?ll=59.369768,17.520962&spn=0.073292,0.222988&t=h&z=13

      Es gibt dort aber nicht viele Anwesen, die in Frage kommen können. Wahrscheinlich ist, dass es sich um ein Anwesen in der Region um Nyköping handelt. Da dreht das ZDF ganz gerne diese Filme.

  3. Hallo!

    Wirklich lustig, wie Sie versuchen, Inga Lindström als 100% real anstatt fiktiv zu betrachten. Mein Tipp: einfach nicht anschauen, wenn es so blöd ist ;). Wer auf „echten“ Wegen wandeln will, kann sich ja Mankell-Filme aus Ystad anschauen, da kann man exakt auf dem Stadtplan mitverfolgen, wo das spielt.

    Das ist aber nicht der Punkt bei IL. Es geht um das Gesamtkonzept, und dass kommt, wenn man ehrlich wäre, gut rüber. Ob man nun die Stories mag oder nicht. Ist doch eigentlich auch für den Film total irrelevant, ob es eine Fähre von Hammarby nach Skeppsholmen gibt. Stockholm kommt doch deswegen nicht schlecht rüber, oder? Und die Anzahl Inga Lindström-Fans, die verzweifelt genau diese Fähre suchen, ist wohl auch überschaubar.

    Auf meine Führungen in Nyköping treffe ich den ganzen Sommer die Zielgruppe dieser Filme, Frauen 55+, und die sind ehrlich gesagt wesentlich pragmatischer als Sie. Die finden das lustig, wenn sie mal ein Haus aus den Filmen sehen, aber ansonsten nehmen sie es so, wie es gemeint ist: als seichte, fiktive, leichte Sonntag-Abendunterhaltung ohne tieferen Anspruch.

    Schönen Gruss aus Nyköping, Sörmland!

    Ute Rüegg

    1. Hallo Ute,

      also wenn das wirklich so rübergekommen ist, dann finde ich das sehr bedauerlich. Dieser und auch schon andere Beiträge zu Inga Lindström davor sollen das Ganze auch etwas auf die Schippe nehmen. Es geht darum, Eigenheiten, Absurditäten und für Ortskundige realsatirische Teile etwas süffisant herauszustellen, und zu kritisieren, wo es nötig ist.

      Ich habe keinen dokumentarischen Anspruch. Es amüsiert mich lediglich, wenn mir alltägliche Details des Stadtbilds in wild zusammengewürfelter Kombination präsentiert werden. Solche Dinge und die Absurditäten machen es für mich überhaupt interessant, so einen Film mal anzusehen.

      Meine Kritik der Filme soll daher auch nicht darauf abzielen. Wir haben als deutschsprachige Kanäle nur ZDF und 3sat, so dass ich ZDF-Fernsehfilme gehäuft sehe. Inga-Lindström-Filme reißen selbst die da sehr niedrige Latte öfters. Die Dialoge sind oft erbärmlich schlecht, die ganze Plotkonstruktion in sich unplausibel oder auf exzessiven Einsatz von Zufällen gebaut. Rosamunde Pilcher oder Katie Fforde scheinen mir da eine erheblich höhere Qualität zu bieten.

      Zudem hat Lindström – im Gegensatz zu den Pilcher-Filmen und anderen – nach meinem Verständnis Schweden zu einer zentralen Komponente der Filme gemacht. Das sagen auch die Produzenten freimütig. Erschwerend kommt da noch hinzu, dass Lindström eine Kunstfigur ist, während Pilcher & Co. wenigstens reale Personen sind. Der Name soll den deutschen Zuschauern vorgaukeln, es handele sich bei ihr tatsächlich um eine schwedische Schriftstellerin.

      Schweden hat ein durchweg positiv besetztes Image, und der umfängliche Gebrauch von Landschaftsbildern in den Filmen zielt genau auf die latente Schweden-Romantik der Deutschen ab. Dem Zuschauer wird suggeriert, dass das Schweden ist, was er da sieht. Ich muss annehmen, dass diese Filme auch das Schwedenbild der Deutschen weiter prägen. Da finde ich es schon bitter, dass es sich eben nur um eine vollkommen fiktive Parallelwelt handelt, in der sich die Schweden selbst kaum wiedererkennen dürften und in der sie auch bestenfalls Statisten sind. Wer so manipulativ das Image eines Landes nutzt, sollte dies nicht ohne Kritik tun dürfen. Wobei auch gesagt werden muss, dass sich meine Kritik fast ausschließlich auf den „künstlerischen“ Teil des Films, also Plot und Darsteller konzentriert, denn das Ambiente kann man schlecht im Detail kritisieren.

      Im Übrigen würde ich auch nicht sagen, dass Stockholm so gut wegkommt in den Filmen. In nicht wenigen Episoden wird Stockholm als negativer Gegenpunkt zum idyllischen Landleben gesetzt, was selbst im Rahmen des Films dank permanent schönen Wetters und prächtigen Second-Unit-Bildern schon als ziemliches Zerrbild daherkommt.

      Deswegen erlaube ich mir auch, die Filme zu kritisieren, wo es mir notwendig erscheint. Diese Rezension hier lässt den Film ja gar nicht schlecht wegkommen: der Plot ist ganz ordentlich konstruiert und der Rest auch ganz passabel. Einen Kommentar zu der Geographie konnte ich mir in dem Fall nicht verkneifen – nicht weil ich (viel) besseres erwarte, sondern weil es mich amüsierte.

      Schöne Grüße

      Fabian

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