Strike reloaded (Busfahrerstreik Tag 11)

Auf dem Weg zum Gewerkschaftstreffen: Die Brücke zwischen Liljeholmen und Hornstull geht hoch, um einem Segelboot Platz zu machen.

Der zweite Streik ist freilich bei weitem nicht mehr so spannend wie der erste. Im Gegenteil – man merkt, dass die Stimmung zu kippen droht. In den Zeitungen liest man nur noch negatives, und selbst die Gewerkschaft hat gemerkt, dass man einen weiteren vollständigen Streik in Stockholm nicht riskieren kann. So werden dieses Mal nur die Innenstadtbusse bestreikt, während die äußeren, zu großen Teilen nicht durch Schienenverkehr angebundenen Orte verschont bleiben.

Beim gestrigen Informationstreffen teilte man uns zwar mit, dass man die Maßnahmen unternehme, um die Arbeitgeber finanziell am meisten zu schädigen, aber auch, um die Allgemeinheit für sich zu haben – letzteres dürfte dabei den Ausschlag geben. Man hat stattdessen den Streik auf andere Landesteile ausgeweitet. Nun wird auch Västerbotten bestreikt, und ab Dienstag wird Skåne folgen. Ab nächste Woche Freitag werden dann die Flygbussarna bestreikt, also die Busse zu den schwedischen Flughäfen, wobei aber gecharterte Busse und die Busse nach Skavsta ausgenommen sind.

In der Versammlung kam auch das schöne Argument auf, die Arbeitgeber würden nur Theater machen wegen der 13 Stunden Rahmenzeit. In Hornsberg, wo ich arbeite, gäbe es ohnehin kaum Dienste, die in die Nähe dieses Limits kommen. Das ist natürlich schon sehr hanebüchen, denn wir sind ja nicht die einzige Busgarage im Land, und gerade im ländlichen Raum, wo die Busse dünner gesät sind und man nicht so flexibel ist wie in der Innenstadt, spielen diese 13 Stunden sehr wohl eine Rolle. Recht haben sie meiner Ansicht aber damit, dass das Angebot der Arbeitgeber, die 13 Stunden Rahmenzeit „im reinen Stadtverkehr“ zu gewähren, nicht wirklich etwas taugt, weil man dann erst einmal feststellen muss, was denn überhaupt „reiner Stadtverkehr“ sein soll.

Ich glaube mittlerweile, dass ich diesen Monatslohn vorerst abschreiben kann, denn bis ich das Streikgeld von der Gewerkschaft erhalte, wird noch einige Zeit vergehen. Zwar bin ich gerne solidarisch, aber ich werde auch nicht mehr jeden Tag Streikwache machen, denn ich habe festgestellt, dass die wenigsten Teilzeitbusfahrer überhaupt in diesem Bereich aktiv sind. Wegen meiner oben beschriebenen kritischen Haltung der ganzen Veranstaltung gegenüber und angesichts dessen, dass ich den Job ohnehin nur als Nebenjob mache, muss ich bestimmt nicht derjenige sein, der als erster mit der roten Fahne voranmarschiert.

Eine Sache noch zum Schluss: die folgende Plakatwerbung erinnerte mich sehr stark an eine Geschichte, die 9Live in letzter Zeit schon mehrfach gebracht hat.

Das für seine ungeheure Seriösität bekannte Fernsehprogramm versprach Zuschauern nämlich wiederholt, dass sie einen Extrapreis erhielten, wenn sie denn an einem bestimmten Tag Geburtstag haben.
Dieser Tag wiederum war der 31. Juni – ein Tag, den man im seit 1582 gültigen gregorianischen Kalender sowie auch in seinem zuvor schon gut 1600 Jahre lang gültigen julianischen Vorgänger vergeblich sucht.
Bei 9Live versprach man Besserung. Der 31. Juni wird nun in Rente geschickt. Vielleicht kommt ja ab sofort der 30. Februar, der 31. April, der 31. September oder der 31. November zum Einsatz. Vielleicht aber auch der 32. Juli, wie oben zu sehen.

Im obigen Plakat geht es aber um etwas seriöseres: Spenden für eine Krebsstiftung – und ich finde, bei solchen altruistischen Dingen sind sogar nichtexistente Kalendertage zulässig.

Alle Räder stehen still… (Busfahrerstreik Tag 0)

…wenn dein starker Arm es will.

Eigentlich hatte ich keinen sonderlichen Wert darauf gelegt und im Kern ist es mir egal, was in den aktuellen Lohnverhandlungen zwischen der Gewerkschaft und den Busgesellschaften abläuft. Dennoch kann man sich einem Streik wohl kaum entziehen, denn die Logistik basiert darauf, dass ein Fahrer spätestens nach 2,5 Stunden abgelöst werden muss. Steht diese Ablösung nicht bereit, bleibt der Bus bis zur nächsten Ablösung an der Haltestelle. Selbst wenn man umdisponiert, bleibt das Chaos nicht aus. Wenige bis gar keine Busse werden fahren. All diejenigen, die trotz Streiks arbeiten möchten, werden also in einige Probleme kommen.

Die Verhandlungen sind nun gescheitert. Hauptknackpunkt ist neben der üblichen Lohnerhöhung auch eine Angleichung der bei Privatfirmen angestellten Busfahrer mit denen im öffentlichen Dienst. Das klingt alles vernünftig, aber wie vernünftig es nun wirklich ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Trotz sozialdemokratischer Prägung habe ich eine sehr gesunde Skepsis gegenüber Gewerkschaftern – ich bin immer etwas reserviert gegenüber solchen überengagierten Leuten, die häufig selbst noch nie in der Branche gearbeitet haben, die sie vermeintlich so gut vertreten.

Etwas nervig finde ich auch, dass es keine Urabstimmung gab. Mich hat niemand gefragt, ob ich streiken möchte, und nun soll ich es einfach so tun.
So wird ab heute nacht 0 Uhr der Streik beginnen. Ich werde mitstreiken, zum Einen aus Solidarität, zum Anderen, weil ich in der Gewerkschaft bin und somit Entschädigung für Lohnausfälle erhalte. Allerdings werde ich mir das in einigen Tagen nochmal überlegen. Ich hatte nämlich auf das Geld gesetzt, um im August in Urlaub fahren zu können. Sollte die Entschädigung lange auf sich warten lassen, muss ich meine Entscheidung eventuell nochmals überdenken. Auch befürchte ich, dass mir obligatorische Zuschläge für Wochenende und Nachtdienste verloren gehen.
Ehrlich gesagt hoffe ich auch, dass in die Verhandlungen schnellstens Bewegung kommt – ich habe keine Lust, nach dem Streik wochenlang schlecht gelaunte Passagiere zu haben.

Auf der anderen Seite habe ich weniger zu tun, denn ich muss nur zwei Stunden pro Arbeitstag Streikwache machen.

Spannenderweise sollte ich bis heute nacht um 1 Uhr arbeiten. Gemäß der festgelegten Regeln wird die letzte Abfahrt vor 0 Uhr bis zur Endstation gefahren. In meinem Fall heißt das, dass ich um 0:05 Uhr der Zentrale mitteille, dass ich ab sofort streike und dann mit dem Bus ins Depot zurückkehre. Alles weitere dann morgen.