85 Jahre Palme

Vor wenigen Tagen wäre Olof Palme 85 Jahre alt geworden – wenn er nicht 1986 ermordet worden wäre. Zu diesem Anlass brachte eine meiner Lieblingsradiosendungen, WDR Zeitzeichen, ein Porträt des Politikers, das erfreulicherweise nicht nur auf seinen tragischen Tod eingeht, sondern auch auf das Leben davor.

Hier kann man es per Mediathek abrufen, hier direkt.

Palme-Nachschlag

Meine Beiträge zum 25. Jahrestag der Ermordung des damaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme waren natürlich nicht die einzigen zum Thema.

Daher noch einige Hinweise auf weitere interessante Fundstücke, die mir untergekommen sind:

  • Der Deutschlandfunk berichtet in seinem Hintergrund gewohnt fundiert und unaufgeregt über das Thema. Besonders erfreulich finde ich, dass sie sich nicht auf eine These stürzen, sondern verschiedene Aspekte streifen.
  • Genau letzteres kann man über zwei weitere Beiträge nicht sagen. Einer wurde mir dankenswerterweise über die Kommentare zugetragen: der Artikel „Mordsmäßiges Schweigen“ von Henrik Andersson, der im Tagesspiegel veröffentlicht wurde. Nachdem der Autor konstatiert, dass immer wieder dubiose Theorien zum Mord auftauchen, präsentiert er direkt seine eigene, die selbstverständlich nicht dubios ist. Andere Kandidaten werden mit schnellen Bemerkungen zur Seite gewischt, und stellenweise grenzt das Ganze an Verschwörungstheorie.
  • Ähnlich gingen vor 10 Jahren die Macher des Films „Mord in Stockholm“ vor. Da läuft es auch so heraus, dass es doch glasklar sei, wer Palme ermordet habe. Die Sendung lief auf BR Alpha am 27. Februar, aber ist online anscheinend nicht verfügbar.
  • Bayern 2 hingegen weist darauf hin, dass Palme doch tatsächlich vor seiner Ermordung ein Leben geführt hat, über das es auch etwas zu erzählen gibt. Es ist ein schönes Palme-Porträt geworden mit einigen schönen Abschnitten, in denen er sein mit großem Wortschatz ausgestattetes, fast fehlerfreies, aber stark schwedisch eingefärbtes Deutsch spricht.

Ein Tag bei der Palme-Mordkommission

Heute wurde mir dankenswerterweise dieses Video über die alltägliche Arbeit der Palme-Mordkommission zugetragen. Nicht alles ist gut übersetzbar und einige Details setzen das schwedische Allgemeinwissen zum Palme-Mord voraus, aber ich habe zur besseren Verständlichkeit ein paar Untertitel eingefügt.

Das Schlimme ist: dieses Video ist vermutlich gar nicht mal so weit weg von der Realität.

Das Svenska Dagbladet hat übrigens viele Menschen befragen lassen und hat sie (wortwörtlich) gefragt, ob sie glauben, dass „jemals irgendjemand wegen des Palmemordes verurteilt werden“ wird. Vielleicht war es diese sehr allgemeine Fragestellung, dass beachtliche 5% mit Ja geantwortet haben. Ich hätte eher gedacht, dass niemand mehr ernsthaft daran glaubt.

Mord verjährt auch in Schweden nicht (mehr)

Es ist eine Binsenweisheit, die sich ins deutsche Bewusstsein eingefressen hat: ein Mord verjährt nie.

Dabei war das keineswegs immer so. Bis 1965 gab es eine Verjährungsfrist von 20 Jahren. Da man den 8. Mai 1945 als frühestmögliches Datum für die Verfolgung von Nazi-Verbrechen nahm, drohte sie auszulaufen. Diese Verbrechen ungesühnt lassen wollte man aber nicht. Das Anfangsdatum wurde zunächst auf 31. Dezember 1949 versetzt, was also eine Verlängerung bis 1969 bedeutete. Dann wurde die Frist auf 30 Jahre angehoben, und 1979 wurde die Verjährung endgültig abgeschafft. Heute ist dies praktisch unumstritten.
Sinnigerweise sind es die Neonazis, die jeden August mit Spruchbannern „Mord verjährt nicht“ durch die Lande ziehen, um zu proklamieren, dass man ihren verblichenen Helden Rudolf Heß ermordet haben soll – was freilich auf einer nur sehr dürftig mit Fakten untermauerten Verschwörungstheorie fußt.

Olof Palme in den 1970er Jahren. Der Mord an ihm wird wohl nie aufgeklärt werden. (Bild: Oiving, CC)

In Schweden, weit weg von solchen Dingen, verjährte Mord seit jeher nach 25 Jahren. Im Normalfall spielt das keine Rolle, denn nach 25 Jahren werden kaum noch Morde aufgeklärt. Aber es gibt einen, der noch immer großes Interesse hervorruft: der Mord an Schwedens Regierungschef Olof Palme am 28. Februar 1986, der an jenem Tag nach einem Kinobesuch von einem Unbekannten niedergeschossen wurde und noch vor Ort verstarb.

Damals ging viel bei der Ermittlung schief, aber wohl nicht nur deswegen ist bis heute nicht klar, wer der Täter war. Die abstrusesten Theorien wurden aufgestellt: die Südafrikaner, die RAF – alle wollen und können es gewesen sein. Erst neulich wollte ein ehemaliger jugoslawischer Geheimdienstmann die Welt wissen lassen, dass natürlich sein Geheimdienst Palme getötet habe. Mit Christer Pettersson, ein schon einmal wegen Totschlags verurteilter Drogenabhängiger, konnte man einen Verdächtigen präsentieren, der aber letztinstanzlich freigesprochen wurde. Er ist bis heute einer der wahrscheinlichsten Kandidaten, schon weil Palmes Witwe ihn identifizierte und es als es recht sicher gilt, dass er in der Umgebung des Kinos war. Aber selbst wenn er es war, wird man es nie klären können: er verstarb 2004.

Damit ist auch das Dilemma dieses Verbrechens schon beschrieben: es ist soviel gesagt, geschrieben und gemutmaßt worden, dass man den Täter nie finden wird.

Normalerweise hätte man sagen können: eine Woche noch, dann sind die 25 Jahre um und das Thema damit gegessen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dann einer vortritt und sagt, wie es wirklich war, ist verschwindend gering. Vor einem Jahr beschloss aber der Schwedische Reichstag, dass alle Morde, die nach dem 1. Juli 1985 begangen wurden, nicht mehr verjähren. Das Gesetz trat am 1. Juli 2010 in Kraft, womit Verbrechen, die eigentlich schon verjährt waren, nicht wieder „entjährt“ werden.

Die Motivation hierzu ist offiziell, dass die internationalen Rechtsnormen sich mit der Zeit gewandelt hätten und deswegen Mord und Völkermord nicht mehr verjähren sollen. Dass damit der Palme-Mord auch nicht mehr verjährt, ist aber wohl kaum Zufall. Eins ist jedenfalls sicher: damit hat man der schwedischen Polizei ein ziemliches Ei gelegt.

Anders ist die kuriose Pressekonferenz, die gestern abgehalten wurde, kaum zu erklären. Die Presse war in voller Stärke angerückt, um genau das zu hören, was sie erwartet hatte: es gibt nichts Neues zum Palme-Mord, aber es wird weiter ermittelt – auf schwedisch nennt sich das sinnigerweise auch noch „förundersökning“ („Voruntersuchung“), was natürlich nach so einer langen Zeit ein schlechter Witz ist.

Sehr amüsant auch die Antwort auf die Frage eines Journalisten, wie alt denn die Ermittler seien. Um die 60 sind sie, und damit alle kurz vor der Pension. Die Ermittlungen gingen natürlich weiter in den Händen von Nachfolgern, wurde sogleich versichert, aber es drängte sich schon der Verdacht auf, dass die Palme-Kommission ein ruhiger Arbeitsplatz für die etwas älteren Semester der Polizei ist. Nicht dass die nichts zu tun hätte: zwei bis drei Hinweise kommen täglich immer noch herein . Aber etwas Neues ist selten dabei, und so kann man die allermeisten sofort zu den Akten legen. Von welcher „Qualität“ die meisten Tipps sind, kann man nicht nur an solchen Räuberpistolen wie dem oben erwähnten jugoslawischen Geheimdienstkomplett ersehen, sondern auch daran, dass in den 25 Jahren nicht weniger als 130 Personen den Mord an Palme gestanden haben. Dummerweise konnte keiner von denen das glaubwürdig vermitteln.

Es sieht so aus, dass die Polizei hier auf lange Zeit ein paar Planstellen für Polizisten einrichten muss, die Freude daran haben, wertlose und skurrile Hinweise zu bearbeiten, aber ohne Ermittlungserfolge leben können. Die entsprechenden Beamten rechnen nach der heutigen Medienaufmerksamkeit schon damit.

Prinzipiell halte ich es für richtig, dass Mord niemals verjährt. Das hier ist einer der Fälle, wo man das Prinzip auch dann noch hochhalten muss, wenn als Kollateralschaden Steuergelder für eine offenkundig aussichtslose Ermittlung ausgegeben werden.

Verlieben, Verloren, Vergessen, Verzeihen

SBAB.SE Besserwisser

Bitte nicht so genau auf die Überschrift achten – sie hat wenig mit dem Text zu tun.
Eigentlich suchte ich nur einen albernen Titel für einen Post über etwas Verlorenes – hier wird derzeit nämlich allerhand verloren. Kürzlich stellte man in der Regierung fest, dass die E-Mails aus der Zeit der Tsunami-Katastrophe 2004 fehlten. So kann wohl vorerst keiner mehr das dürftige Krisenmanagement damals nachvollziehen. Jetzt ist auch noch ein Video der Estonia verschwunden. Wenn die Archivare so weitermachen, freuen wir uns sicher bald über das Verschwinden von Zeugnissen über Tschernobyl, die Kuba-Krise und Stalingrad.

Verloren hat man auch den Überblick im Karolinska-Krankenhaus in Huddinge, etwas südlich von Stockholm. Dort hat man schon zum dritten Mal in diesem Jahr Leichen vertauscht und somit versehentlich den falschen Toten verbrannt. Das ist natürlich bitter und vor allem äusserst peinlich. Sollte ich in absehbarer Zeit ein Testament aufsetzen, wird es eine Klausel enthalten, dass ich nicht dorthin gebracht werden will.

Gefunden wurde hingegen etwas ganz anderes – eine Waffe, und zwar genau die, mit der Olof Palme ermordet worden sein könnte. Die Zeitung Expressen hatte einen Tipp bekommen, dass die Pistole in einem See bei Mockfjärd liegt. Den Ort muss man nicht kennen, schätze ich. Man hatte wohl schon bei den ursprünglichen Ermittlungen nach dem Palme-Mord festgestellt, dass die Zusammensetzung der Kugeln, die Palme töteten, der entsprach, die die Kugeln hatten, die 1983 bei einem Postraub abgefeuert worden waren. Die Waffe sieht auch nicht mehr so wahnsinnig gut aus und es ist daher fraglich, ob überhaupt irgendwelche Schlüsse daraus gezogen werden können. Am meisten begeistert ist Expressen ohnehin davon, dass in der Pistole noch scharfe Kugeln sind. Ich stelle mir natürlich einfach die Frage, was wahrscheinlicher ist: dass jemand erst einen Postraub durchführt, dann die Waffe bis 1986 aufbewahrt, Palme erschiesst und die Waffe anschliessend ausgerechnet in der Nähe des Postraubtatorts entsorgt, wo man sie ohnehin suchen würde, oder dass jemand nach dem Postraub die Waffe in den See geworfen hat und Palme 3 Jahre später von jemand ganz anderem mit einer sehr ähnlichen Pistole und dem selben Kugeltyp umgebracht wurde? Ich bin zwar kein Ballistiker und vielleicht kann man die zweite Variante sicher ausschliessen – aber mal ehrlich: sonderlich logisch klingt die erste Variante nicht. Aber was ist am Palme-Mord schon logisch?

Zu grossen Diskussionen führt ein Vorschlag der Göteborger Reichstagsabgeordneten, man solle doch Frauenparkplätze einführen. Zu obigem verlinkten Artikel sind fast nur negative Stimmen zu hören (wenn man mal von meinem Eintrag absieht). So wie ich die Schweden kenne, würde man das natürlich hochoffiziell einführen und Nichtbeachtung mit mindestens 200 € Strafe belegen. Die Idee, dass man die Leute einfach darauf hinweisen kann, dass es Menschen gibt, die ein erhöhtes Sicherheitsrisiko oder andere Unannehmlichkeiten in einem Parkhaus hinnehmen müssen und man ihnen daher auf gewissen Parkplätzen den Vortritt lässt, scheint wohl eher befremdlich zu sein. Naja, man muss allerdings auch anmerken, dass in Deutschland auch jedes noch so unsinnige Schild kaum angezweifelt und meist auch befolgt wird – man hatte bei uns also leichtes Spiel.

Interessiert übrigens auch, dass unser Bundespräsident angeblich gelegentlich handgreiflich wird: Danke, Stern, für diese unpassende und irritierende Überschrift.

Die Organisation Economist Intelligence Unit hat eine interessante Studie zusammengestellt. Beurteilt wurden 167 Länder danach, wie demokratisch sie sind. Die Skala ging dabei von 1 bis 10. Insgesamt gab es 60 Indikatoren.
In den deutschen Medien hat diese interessante Beurteilung offenbar noch keinen Niederschlag gefunden. Daher hier einige Infos daraus. Eingeteilt wurden die Länder in vier Kategorien:

  • full democracies (vollwertige Demokratien, 28 Länder)
  • flawed democracies (Demokratien mit Defiziten)
  • hybrid regimes (Mischregimes)
  • authoritarian regime (Autoritäre Regimes)

Hier einige Rankingplätze:

  • Platz 1: Schweden (darüber kam ich jetzt auch darauf) räumt mit 9,88 voll ab und liegt damit auch noch knapp vor den anderen skandinavischen Ländern
  • Platz 2: Island
  • Platz 3: Die Niederlande
  • Platz 4: Norwegen
  • Platz 5: Dänemark
  • Platz 17: USA – damit auch noch eine vollwertige Demokratie
  • Platz 18: Tschechien
  • Platz 22: Griechenland
  • Platz 23: Grossbritannien – interessant, dass die Briten gegenüber den Amerikanern schlechter abschneiden, obwohl ihr Parteiensystem deutlich mehr diversifiziert ist. Anscheinend spielte die Parteienstruktur keine allzu grosse Rolle
  • Platz 27: Slowenien
  • Platz 34: Italien – und damit eine Demokratie mit Defiziten. Das Land wurde kürzlich auch von The Economist als „der kranke Mann Europas bezeichnet“.
  • Platz 38: Ungarn – mit einem Score von 7,53 auch nur eine Demokratie mit Defiziten
  • Platz 110: Armenien mit einer Score von 4,33 – den gleichen Wert haben auch Usbekistan, Kenia und Singapur. Es gilt damit als Mischregime. In der Gruppe der Mischregime landeten übrigens auch Russland (wenig überraschend), Georgien (schon etwas mehr überraschend) und die Türkei (sehr überraschend). Vor allem letzteres lässt ein bisschen Zweifel an der Beurteilung der Situation. Die Türkei ist eine klare Demokratie, wenn auch mit erheblichen Defiziten.
  • Platz 129: Aserbaidschan – damit schon klar im Bereich autoritärer Regimes
  • Platz 167: die rote Laterne kriegt Nordkorea – ich beschäftige mich ja seit einiger Zeit mit dem Land und habe ja auch schon darüber geschrieben. Ich bin sicher, dass die Pyongyang Chronicles die ganze Analyse als von den „Faschisten“ in den USA gefälscht abtun würden. Die berichten nämlich heute über die Wahlen am 1. Dezember und dass Nordkorea ja die einzige wirkliche Demokratie sei. Ob die die Studie gelesen haben?

Deutschland konnte ich leider nicht finden.

Es ist gerade kurz nach 13 Uhr und die Abendsonne scheint herein – ja, die Abendsonne. Eine schnelle Messung ergab, dass der Schatten meines 22 cm-Lineals ungefähr einen Meter lang ist. Dies ergibt einen Sonnenstand von ca. 13 Grad – und viel höher steigt sie im Moment auch nicht mehr.

Zu guter Letzt eine Erklärung des Bildes oben – es ist einfach eine Demonstration davon, wie unsere deutsche Sprache auf andere Sprachen wirkt. Im Englischen finden sich so schöne Worte wie „Angst“ und „Blitzkrieg“. Die Schweden haben den „Besserwisser“ übernommen. Es handelt sich übrigens um eine Anzeige eines Kreditgebers für Wohnungskäufer usw.