Gedanken zum Tage

Da die heutigen Themen kaum unter einen Hut zu kriegen sind, reaktiviere ich diese uralte Rubrik:

  • Heute war, wie im letzten Beitrag vergeblich angekündigt (Import funktionierte nicht), die Prideparade in Stockholm. Fast schon traditionell war ich als Busfahrer unterwegs und hatte so meinen Spaß mit umgelegten Fahrstrecken. Spaß kann man wirklich so sehen, denn es ist nicht nur eine angenehme Abweichung vom Alltäglichen, sondern auch eine schöne Gelegenheit, als Dienstleister zu fungieren – die Passagiere sind dankbar für jede Hilfestellung. Nur einer nicht, der nicht nur reichlich betrunken, sondern der Meinung war, seit 30 Minuten sei kein Bus mehr gekommen (was eigentlich angesichts der Straßenverhältnisse nicht sein kann), und dies auch in entsprechendem Ton von sich gab. Dummerweise gilt da für mich die goldene Regel: wer mir blöd kommt, dem komme ich auch blöd. Ohne Ticket ging nichts.
  • Das andere Extrem zu Pride fand in Duisburg statt. Ich hatte das Beben in Hannelores Kraft Stimme ja erst dem Livestream angekreidet, aber die Presse schreibt einhellig, dass sie wirklich den Tränen sehr nahe war. Wie ich auch gelesen habe in meinen heutigen Pausen, waren die öffentlichen Übertragungen der Trauerfeier nicht gut besucht. Vielleicht ist es bezeichnend, im Stillen und privat über eine Tragödie zu trauern, die so öffentlich war und ist.
  • Wie schon beim Liveblogging-Beitrag angemerkt: wirklich funktioniert hat auch dieses System nicht. Ein literarischer Hochgenuss war es sowieso nicht. Das Spiel war auch nicht direkt schön, weil es oft nicht ganz fair zuging. Jedoch ist das Ergebnis berechtigt. Die Südkoreanerinnen haben durch schwere Abwehrfehler jegliche Chancen auf den Sieg verschenkt. Geradezu kurios war das letzte Tor: ein Schuss von Alexandra Popp prallt an der Latte ab und fliegt nach oben. Der Ball verlässt aber nie den Spielraum, was der im Strafraum stehenden koreanischen Abwehrspielerin nicht klar gewesen zu sein scheint. Sie nimmt den Ball einfach in die Hand, was natürlich vollkommen korrekt als Handspiel gewertet wurde, wie auch die Schiedsrichterin nach Absprache mit der Linienrichter so sah. Popp verwandelte den Elfmeter – eine Demütigung für die Koreanerinnen. So bleibt an diesem Punkt des Turniers festzuhalten, dass die Unterschiede doch noch viel größer sind als erwartet. Einzig die Nordkoreanerinnen schienen unserem Team einigermaßen gewachsen zu sein. Deswegen ist schon mehr oder weniger klar, wer morgen Weltmeister wird. Die Nigerianerinnen, die sich schon gegen die USA erst im Elfmeterschießen durchsetzten, gewannen gegen Kolumbien auch nur durch ein glückliches sehr frühes Tor. Da ich das Spiel nicht live werde sehen können, kommt eine Nachlese später.

Damit genug für heute – mehr morgen.

Prideveckan

Die Regenbogenflaggen stehen bereit

Flaggen genießen in Schweden einen besonderen Status. Nicht nur, dass jedes Ferienhaus einen blau-gelben Wimpel hat und sogar die Warnschilder vor engen Kurven diese Farbenkombination haben. Es sind 16 Flaggentage bestimmt, an denen in jedem Jahr die Flagge zu hissen ist. Dazu gehören neben gewissen allgemeinen Feiertagen natürlich die Geburts- und Namenstage des Königs, der Königin und der Kronprinzessin. An Wahltagen ist auch Flaggtag, und weil es so schön ist, ist der 9. Mai – seines Zeichens Europatag – auch ein Flaggtag, an dem aber möglichst die Europaflagge gehisst werden soll. Weil sich das so keiner merken kann, steht in schwedischen Kalendern üblicherweise am entsprechenden Tag eine kleine schwedische Flagge (was auch sonst). Geflaggt werden darf übrigens nur von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Wem das alles befremdlich oder gar theoretisch erscheinen mag – Deutschland hat schließlich auch Flaggtage – dem sei versichert, dass die Beflaggung hier erheblich präsenter ist als in Deutschland.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass an den Flaggtagen alle Busse beflaggt sind (nicht nur hier in Stockholm, sondern anscheinend auch anderswo). Am 9. Mai mit Europaflagge, ansonsten natürlich schwedisch.

Umso überraschender ist es, dass heute nur zwei Fahrgäste danach gefragt, wieso die Busse in Stockholm nun mit Regenbogenflaggen fahren. Der Grund dafür ist das Pridefestival – zwar sind es prinzipiell verschiedene Veranstaltungen, aber man könnte es als schwedische Variante des Christopher Street Day beschreiben. Pride gibt es seit 1998 in Stockholm, und es gibt neben der Parade am letzten Tag (daher auch der Vergleich zum CSD) zahlreiche Veranstaltungen, die über eine ganze Woche verteilt werden.

In diesem Jahr ist die Veranstaltung noch eine Nummer größer, denn es ist gleichzeitig auch Europride, also die europäische Pridewoche, die jedes Jahr ihren Standort wechselt und nun zum zweiten Mal in Stockholm gastiert.

Das zieht allerlei Firmen als Sponsoren ein: Kanal 5 färbt sein Logo im Regenbogen, und in der Einkaufspassage Galeria gibt es neben allerlei Dekoration auch einen pinkfarbenen Informationsschalter. SL hat sich dafür entscheiden, alle Busse die ganze Woche über mit Regenbogenflaggen auszurüsten. Sicherlich keine schlechte Werbemaßnahme, auch wenn man die Frage stellen kann, ob es sich lohnt, hunderte von Flaggen für eine mit einiger Wahrscheinlichkeit einmalige Aktion anzuschaffen. Ein Vorstandsmitglied von SL, wohl nicht vollkommen zufällig auch der Vertreter der Christdemokraten in diesem Gremium, äußerte sich jedenfalls kritisch. Als formalen Grund führt er an, solche Entscheidungen seien eigentlich Sache des Geschäftsführers und nicht des Vorstandes. Außerdem hätten Västerås und Uppsala die Regenbogenflaggen abgelehnt, weil es Praxis sei, eben nur an Flaggentagen die Busse so auszurüsten.

Letzteres Argument hinkt aber etwas – in Västerås können die Reaktionen nämlich nur reserviert sein, denn was im gut 100 km entfernten Stockholm so passiert, dürfte die Menschen nicht unbedingt tangieren.

Ich finde die Idee mit den Flaggen sympathisch – und vielleicht kommen dann noch mehr Leute zu der Veranstaltung. Allerdings stehe ich diesem Hype um die Pridewoche im Allgemeinen recht kritisch gegenüber. Diese Art von Veranstaltung wird nämlich gern von Entschiedungsträgern wie Firmen dazu genutzt, zu zeigen, wie fürchterlich tolerant sie doch sind. Gerade aber diese Klientel nimmt nur zu gerne jede Gelegenheit zur PR wahr, wenn es nach draußen gut aussieht. Über die wirklichen Intentionen und Zustände im Unternehmen erfährt dabei nichts.