State of the Wahlkampf

Mein Ergebnis beim Test von Dagens Nyheter (Ausriss: dn.se)

Der Sommer geht langsam zu Ende und der Wahlkampf beginnt.

Bislang nimmt sich das alles noch recht brav aus, was auch nicht verwundert, denn das schwedische Sommerloch ist im Vergleich zum deutschen ein Krater.

Meine Hauszeitung Dagens Nyheter hatte in den letzten Wochen eine Serie über die Maßnahmen der bürgerlichen Regierung, die seit 2006 an der Macht ist. Der Eindruck daraus war, dass die meisten vorher versprochenen Maßnahmen auch durchgeführt wurden. Das wäre auch so meiner gewesen. Man kann dieser Regierung bestimmt einiges vorwerfen, aber man muss ihr lassen, dass sie ziemlich genau das gemacht hat, was vorher versprochen wurde. Und das Ganze – Frau Merkel aufgepasst! – weitgehend geräuschlos mit sage und schreibe vier Parteien in der Koalition.

Einen Skandal hatte der Wahlkampf aber auch schon. Arbeitsmarktsminister Sven Otto Littorin hat hingeworfen – zunächst hieß es, aus persönlichen Gründen, was auch nicht überraschend war, da er sich gerade in einem Sorgerechtsstreit befidnet. Dann kam aber ans Licht, dass ihm vorgeworfen werde, er habe die Dienste einer Prostituierten in Anspruch genommen. Freier machen sich in Schweden aber strafbar. Also war dies der Auslöser, der ihn zum Rückzug bewegte. Premierminister Fredrik Reinfeldt gab zunächst vor, davon nichts gewusst zu haben, musste dann aber einräumen, dass es doch so gewesen sein. Das kostete Vertrauen.

Auf den zweiten Blick war die ganze Affäre aber auch ein Skandal der Zeitung Aftonbladet. Deren Reporter hat mit der besagten Dame ihre Kontaktlisten durchgesehen, wo eine Nummer auftauchte, die zu besagtem Zeitpunkt einmal Littorin gehört haben soll. Das war es dann aber schon. Es gibt keine weiteren Beweise, keine weiteren Ermittlungen. Erst ließ Aftonbladet vermelden, man wisse etwas, aber wolle lieber nicht zuviel sagen, um es dann kurz darauf doch zu tun. Es folgten journalistisch und ethisch fragwürdige Winkelzüge. Die Prostituierte bleibt bislang anonym, und so steht Wort gegen Wort. Littorin gab dann der DN ein (schriftliches) Exklusivinterview, das Aftonbladet wohl gerne gehabt hätte, aber nicht bekam. Das alles sei ein Alptraum. Er sei zu Unrecht angeklagt und könne sich nicht wehren.
Aftonbladet hat vorgeführt, wie man mit zunächst gestreuten Gerüchten gefolgt von unbewiesenen Behauptungen einen Minister vernichten kann, ohne dass hierfür irgendein rechtsstaatliches Organ einen Finger rühren muss. Denn das vermeintliche Verbrechen soll sich vor vier Jahren zugetragen haben und ist mittlerweile verjährt. Zu einem Verfahren ist es daher nur in einer Hinsicht gekommen: die Justizkanzlerin überprüfte Anzeigen gegen Aftonbladet, die von einige Privatpersonen eingereicht worden waren, und lehnte sie ab.

So ist die Angelegenheit eingeschlafen – und das ist auch ganz gut so, denn rechtsstaatlich nicht überprüfbare, auf dünnem Beweismaterial aufgebaute Vorwürfe gegen einen Minister haben mit der Arbeit der Regierung nichts zu tun. Und genau diese soll bei einer Wahl bewertet werden.

Die ersten Umfragen nach dem Sommer zeigen daher wenig erstaunlich wieder eine Führung der Regierung.

SIFO-Umfrage für August 2010 (Ausriss: svd.se)

Für die Sozialdemokraten ist das eine ernste Lage. In dem obigen Diagramm sind sie mit 30,6% verzeichnet. Die Moderaterna sollen demnach 32,6% erhalten. Andere Umfragen sehen nicht viel anders aus. Wenn das Ergebnis der Wahl wirklich so ausfallen wird, dann verlieren die Sozialdemokraten nicht einfach noch eine Wahl. Der Nimbus der Staatspartei, die Schweden über Jahrzehnte so geprägt hat wie keine andere, wäre dahin. Es wäre das erste Mal seit September 1914, dass eine andere Partei mehr Stimmen erhält als die Sozialdemokraten, und das schwächste Wahlergebnis seit März 1914. Da ist schon fraglich, ob sich Mona Sahlin als Parteichefin wird halten können. Mein Eindruck ist, dass sie als Person nicht allzu großes Vertrauen genießt.

Über die Ursachen vermag ich nur zu spekulieren. Die letzten vier Jahre mit bürgerlicher Regierung taugen anscheinend nicht zur Abschreckung. Das verwundert nicht: Schweden hat die Krise ganz passabel gemeistert, soziale Kahlschläge sind ausgeblieben, und die Privatisierung verschiedener Bereiche wie z.B. dem Apothekenwesen scheint nicht an den Sympathien zu nagen. Ehemalige politische Harakiri-Themen wie die Fortführung der Kernkraft haben auch keine Sprengkraft mehr.
Der linken Seite scheint mir hier ein Konzept zu fehlen, das den Regierungsbonus überwinden kann.

Interessanterweise könnte es trotz allem nicht für eine Mehrheit der bürgerlichen Allianz reichen. Die rechtsradikalen Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten), die sich rechtskonservativ-bieder wie dereinst in Deutschland die Republikaner geben, werden mit einiger Wahrscheinlichkeit die Vier-Prozent-Hürde meistern und dann möglicherweise einen Patt auslösen. Es steht zu befürchten, dass sie dann doch in die Regierungsarbeit eingebunden werden. Eine wenig ansprechende Aussicht.

Snakes on the road

Ich stehe ja nicht so gerne um 5:30 Uhr auf – aber was tut man nicht alles, um Bus zu fahren. Um 7:30 Uhr dann Fahrstunde. Spektakuläre Ereignisse: eine Schlange mitten auf der Straße am Norrtull, was so zu den meistbefahrensten Straßen der Stadt gehört. Außerdem hupte mich ein LKW-Fahrer an, weil ich mich etwas ungeschickt in einem zweispurigen Kreisverkehr anstellte. Nichtsdestotrotz war es ganz ok, und ich bin auch nur gegen eine Straßenkante gefahren. Meine Fahrlehrerin war zudem nicht so glücklich über meine leichte Spiegelguckfaulheit in Kurven und beim Anfahren. Ich gelobe Besserung.

Dann ging es weiter zur Impfung. Kein billiger Spaß, denn ich war in den letzten Monaten mehrfach dort und bin jetzt gegen FSME, Hepatitis, Polio, Diphterie und Tetanus geimpft. Demnächst kann ich auch fliegen.

Amüsant fand ich diese Geschichte im SPIEGEL. Hier in Schweden gab es nämlich kürzlich ein Skandälchen, dass der Arbeitsminister Sven Otto Littorin einen Master of Business Administration in seinem Lebenslauf stehen hat, der von einer sehr fragwürdigen Hochschule kommt. Littorin beteuerte, dass er da wirklich fernstudiert habe, entfernte den Eintrag im Lebenslauf letztendlich doch, auch weil der Master in Schweden ohnehin nicht anerkannt wäre. Ich frage mich, wieso er sich die Mühe macht – bei den Diploma Makers hätte er für viel weniger Aufwand das gleiche bekommen. Ich würde mir ja auch gerne zum Jux einen falschen Doktor bestellen, aber 199$ ist mir dann doch zuviel. Vielleicht kommt ja irgendein findiger Webdienst auf die Idee, das Diplom gleich zum Download anzubieten. Das macht die Sache bestimmt noch viel billiger.

Der Titel dieses Eintrags ist übrigens eine schlechte Anspielung auf „Snakes on a plane“, was mich wiederum daran erinnert, dass ich gestern abend „United 93“ gesehen habe. Ich kann mich an keinen Film erinnern, der mich so in emotionale Spannung versetzt hat wie dieser – nicht wegen großen Gefühle und Pathos, sondern der Authentizität, mit der die Ereignisse des 11. September 2001 dort dargestellt werden. Sehr empfehlenswert auf alle Fälle.