Der Schwede, das unbekannte Wesen

Interkulturelle Verhaltensratgeber sind mir zumindest in Bezug auf Schweden immer etwas suspekt, denn die Unterschiede werden gerne größer gemacht als sie sind. Das mag aber auch daher rühren, dass ich nach fast 5 Jahren hier solche Dinge nur noch bedingt wahrnehme.

Interessant fand ich dieses Fundstück doch. Da schreibt das Handelsblatt für deutsche Geschäftsleute, wie man sich in Schweden geschäftlich verhält. Superkurzfassung: Zurückhaltend und seriös agieren – und immer brav „Tack för senast“ (Danke für das letzte Mal) sagen. Außer beim ersten Mal natürlich.

Viele Dinge, die da drinstehen, decken sich auch mit meinen Erfahrungen. Dass hier nicht nur der Schwede allgemein beschrieben wird, sondern eine ganz besondere Zielgruppe, sieht man jedoch erst am Ende. Dort heißt es allen Ernstes

Es kann durchaus vorkommen, dass Geschäftspartner mit gleichgerichteten Freizeitinteressen (stark verbreitet sind in Schweden die Hobbys Golf, Tennis, Segeln, Elchjagd und Sportfischen) zum persönlichen Kennenlernen in privater Umgebung zu diesen Aktivitäten eingeladen werden.

Der normale Schwede jagt also Elche und spielt Tennis. Aha. Vielleicht trifft das nur auf geschäftspartnernde Schweden zu. Das kann sein. Meine Vermutung geht aber eher dahin, dass hier tendenziell Schweden porträtiert werden, die äußerst erfolgreich bei der Geschäftspartnerei sind und sich deswegen einen bescheidenen Familienwagen (z.B. Porsche Cayenne) und ein kleines Häuschen in Saltsjöbaden leisten können. Mit Meerblick, versteht sich.

Ich finde dieses Bild etwas bedauerlich, denn die Elchjagd greift mal wieder voll in die Klischeekiste und bildet einen Teil der Gesellschaft ab, der eben nicht so egalitär ist, wie das in dem Artikel eingangs erwähnt wird.

Wieviel Wahres daran ist, vermag ich aber auch nicht zu beurteilen. Ich kenne keine Schweden, der eines der genannten Hobbies hat. Doch repräsentativ ist das keineswegs. Dass neben unserem alten Wohngebiet ein kleiner Golfplatz war, kann Zufall sein – oder eben ein Zeichen für die Golfbegeistertheit der Schweden, die mir bislang nicht so gegenwärtig war.

6 Gedanken zu „Der Schwede, das unbekannte Wesen“

  1. Der Handesblatt ist eine Wirtschaftszeitung. Das passt dann schon noch rein. Gut, die nehmen sich nur einen kleinen Teil der vielfältigen Realität, aber die Zeitung bedient ihr Klientel entsprechend. Oder soll als Hobby etwa Shisha rauchen aufgeführt werden? Schweden machen gerne exotische Sachen, wie sie auch gerne an exotische Ort reisen.

  2. Schon klar – das dachte ich mir auch und sollte eigentlich auch so erscheinen.

    Ich hätte nur angenommen, dass die auch von Mittelständlern reden, die vielleicht nicht unbedingt solchen Klischee- und Snob-Hobbies nachgehen.

  3. Hallo hansbaer,
    ich kenne recht viele Schweden, die Golf oder Tennis spielen oder gerne segeln (mir fehlt das „träna“ bei SATS auf der Liste). Ich glaube nicht, dass die Auswahl der Sportarten so sehr vom Einkommen oder sozialen Standard abhängt sondern sehe eher eine Verbindung zur starken sozialen Normierung. Schweden tun für gewöhnlich was die Nachbarn tun und deshalb stürzt man sich wie die Lemminge auf alles was angesagt ist. Und so lesen sie immer die gleichen Bücher (Snabba Cash, Män som hatar kvinnor…), haben die gleichen Filme im Kino gesehen (Avatar…), haben die gleichen Handys (Iphone), trinken am Wochenende die am Freitag morgen im Radio verlesenen Weine und tragen die gleichen Klamotten (Canada Goose).
    Mir etwas zu langweilig.
    Gruss
    Raffe

  4. Zumindest was die Kleidung angeht: wenigstens haben die Stil, sprich sieht gut aus.

    Und was den Rest angeht: geht weniger um eine soziale Normierung, sondern vielmehr „wenn der andere, dem ich vertraue, es gut findet, wird es für mich auch gut sein“.

    Beim iPhone ist es nicht nur, weil die Schweden schicke und einfach und zu handhabende Geräte mögen, sondern wie schon oben erwähnt, man fragt sich im Freundeskreis rum und die sagen einem dann (hoffentlich) was wirklich Sache ist. Und darauf vertraut man dann halt.

    Geht also weniger darum, dass man dasselbe haben muss, sondern vielmehr in Richtung von sich vertrauen und auch ein Stück, weil die Leute eben ähnlich ticken.

  5. In Schweden sind wir bisher mit dem Auto (nur) bis Stockholm gekommen: Und ja, die hohe Golfplatzdichte ist uns beim ersten Mal schon aufgefallen. Allein was von der Autobahn aus zu sehen war. 😉

    LG, Tiger

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