Nächster Halt Baku

Der beste Beitrag kam gleich zu Beginn des Abends:

Besser geht’s nicht – Raab ist einfach großartig, und zwar so sehr, dass man über das eher peinliche Englisch hinwegsehen kann. Man merkte auch: das Moderationsteam hat sich aufeinander abgestimmt. Raab schien mir am Donnerstag als überschüssig – Rakers und Engelke hätten die Show auch alleine geschmissen. Gestern war er Gold wert.

Die meisten Beiträge waren ja schon bekannt. Das zweite Halbfinale, welches an dieser Stelle noch nicht behandelt wurde, fand ich im Allgemeinen eher schwach. Während ich im ersten Halbfinale auf Anhieb eine Reihe brauchbarer Titel fand, fiel mir das beim zweiten schwer.

Auch die Titel der Big Five plätscherten größtenteils an mir vorbei. Mit dem italienischen Titel konnte ich nicht so wahnsinnig viel anfangen, aber dass er etwas ambitionierter ist, merkte man schon. Man musste Italien fast eine Stimme geben, damit sie den Wettbewerb nicht wieder für die nächsten 15 Jahre boykottieren. Beim französischen Titel schien es mir so, dass sich da einer in der Tür geirrt hat. Blue waren im Vorfeld genauso unnötig hochgejubelt wurden wie die gefönten Iren. Und Spanien trat wie immer mit einem netten Titel an, der nachher auf den hinteren Plätzen an.

Und dann Lena.

In Sachen Show war er definitiv einer der besten Titel. Musikalisch nicht der schlechteste. Aber ob man damit nochmal den gesamteuropäischen Nerv treffen kann, war mehr als fraglich.

Saades Titel fand ich von Anfang an ganz ok, aber nicht großartig. Er ist eben zu sehr Euro-Dance-Trash, der einem vom ESC so bekannt vorkommt: dort erfolgreich, aber eben nur dort. Irgendwie passend dazu ist das Ergebnis.

Mir schien kaum vorstellbar, dass der Titel so einschlagen würde, aber als der Sieg möglich schien, hoffte ich natürlich darauf. Im Globen den ESC zu haben wäre schon cool. Trotzdem: es wäre schade irgendwo, wenn man ausgerechnet mit einem Beitrag gewonnen hätte, dem einfach irgendwo das Format fehlte.

Letzten Endes also Aserbaidschan, was bemerkenswerterweise einer meiner Favoriten war. Aber: mit Finnland und Schweiz lag ich vollkommen daneben. Finnland hatte auch den Nachteil des frühen Startplatzes. Für die Schweiz gilt das freilich nicht. Ich hatte nicht gedacht, dass dieses nette Lied mit der ebenso netten Sängerin derart abgestraft wird. Es zeigt sich wieder einmal, dass die Halbfinals hervorragende Vorsortierer sind: der Schweizer Beitrag hatte es mit nur einem Punkt Vorsprung ins Finale geschafft.

Deutschland braucht sich nicht zu schämen: ein passabler 10. Platz und eine gute Show.

Nächstes Jahr also Baku, und das ist das einzig bittere daran: Aserbaidschan ist ein autoritär regierter Staat und damit nicht viel besser als Weißrussland. Man wird damit einem höchst fragwürdigen Regime eine Bühne bieten.
Ich finde, man (d.h. Deutschland oder Schweden) sollte deshalb nächstes Jahr wieder gewinnen, damit der Wettbewerb nicht in falsche Hände gerät 🙂

ESC 2011: Halbfinale 1

Ich beginne diesen Beitrag standesgemäß:

Man mag vom Eurovision Song Contest halten, was man will: es ist eine der meistbeachteten Veranstaltungen der Welt.

Ich gebe gerne zu, dass ich ihn jedes Jahr schaue. Meine Europabegeisterung lässt die Albernheit der ganzen Angelegenheit zurücktreten.

Auch wenn ich gestern nicht mitwählen durfte, so wollte ich doch einmal erleben, wie das nun mit Engelke, Raab und Rakers ist. Die Anfangsgags waren ESC-gewohnt zum Fremdschämen, aber Judith Rakers letztendlich im Green Room gut platziert. Und die Einlage von Anke Engelke und Stefan Raab, die die ESC-Teilnehmer diesen Kracher singen ließen, war dann doch ganz witzig:

Die Show gerissen hat freilich Anke Engelke, die nicht nur die zwei relevanten Fremdsprachen besser spricht als es Raab es jemals auch nur mit einer könnte. Es war fast schade, dass ihre Tanz- und Playbackeinlagen zu jedem der 10 Gewinnertitel nur kurz eingeblendet wurden.

Die Musik war wie immer mit vielen Belanglosigkeiten gespickt, die es zum Glück größtenteils nicht ins Finale geschafft haben.

Obskure Dinge waren kaum dabei, aber man darf sich schon fragen, ob die Portugiesen ernsthaft damit rechneten, mit diesem Song ins Finale einzuziehen:

Kein Land ist derart notorisch erfolglos wie Portugal: 44 Teilnahmen und das höchste der Gefühle waren ein 6. Platz. Aber man wird doch wohl nicht ernsthaft erwarten, mit einem auf portugiesisch vorgetragenen Satirepolitsong weiterzukommen.

Auf der anderen Seite ziehen auch immer Lieder ins Finale ein, wo ich nur den Kopf schütteln kann. Wieso beispielsweise Griechenland und Litauen weiterkamen, ist mir ein Rätsel.

Meine vier Favoriten waren übrigens:

  • Finnland: Paradise Oskars liebenswürdig-ironische Weltverbesserungsliedchen hat fast schon Ohrwurmqualitäten. Er kam auch prompt weiter, ist im Finale aber auf Startplatz 1 gesetzt, was seine Chancen natürlich verringert.
  • Schweiz: Auch ein beschwingt süßes Lied, das es genau deswegen ganz weit bringen könnte und auch ins Finale einzog.
  • Aserbaidschan: eine nette Bombast-Ballade, die es ebenso ins Finale geschafft hat.
  • San Marino: Die Sängerin war zwar bis vor kurzem wohl noch nie in dem Land, aber das ist ihr in dem Fall wohl auch nicht vorzuwerfen. Jedenfalls haben sie keine allzu schlechte Wahl getroffen. Den Titel fand ich ganz nett, aber mehr auch nicht. Er schaffte es auch nicht ins Finale.

Sehr beunruhigend finde ich, dass sich mein Geschmack offenbar zumindest in erheblichen Teilen mit dem der Allgemeinheit deckt. Das war bislang nie so und ist hoffentlich kein Zeichen meines fortschreitenden Alters.

Etwas peinlich war der Tonausfall während der Übertragung – das schwedische Fernsehen hatte ca. ein Drittel der Show gar keine Verbindung zu den Kommentatoren und behalf sich am Ende mit Telefonen. Das dürfte vor allem nicht ganz das sein, was die Europäer von den Deutschen erwarten. Gerüchteweise sollen Züge in Deutschland pünktlich sein.

Ich freue mich jedenfalls schon auf das morgige zweite Halbfinale. Dann hoffentlich mit Ton, und vielleicht schafft es Eric Saade sogar ins Finale.