Schweden im Podcast: Vasa, nochmal Vasa und eine Republikanerin plädiert

Ich höre immer noch fleißig Podcasts in der letzten Zeit aufmerksam beobachtet und stelle wieder einmal eine interessante Häufung von schwedischen Themen fest, die auch für Deutsche interessant sein können.

  • Zunächst mal diesen Podcast des schwedischen Rundfunks. Natürlich sind dort schwedische Themen nicht wirklich überraschend, aber dieses Mal geht es um das bekannte Schiff Vasa, zu dem es dann doch etwas mehr zu erzählen gibt, als man im Vasamuseum erfährt. Konkret geht es um zwei Schatzsucher, die schon in den 1920er Jahren auf der Suche nach der Vasa waren. Interessant ist auch das Porträt des Vasa-Entdeckers Anders Franzén, der dort als nicht ganz einfacher Charakter erscheint.
  • Das Deutschlandradio beschäftigt sich auch mit der Vasa, allerdings mehr mit dem Problem ihrer Erhaltung, Seit sie nämlich aus dem Wasser ist, muss man sie auch konservieren.
  • Die BBC hat im Vorfeld einer gewissen Hochzeit neulich ein Art zweiteilige Debatte gemacht: in der ersten Folge darf ein Republikaner erklären, warum er Monarchie für keine gute Idee hält. In der zweiten Folge dann das Umgekehrte. Das Schöne an diesen BBC-Sendungen ist, dass sie nicht einen ihrer Journalisten als Vertreter einer Position hinstellen, sondern Leute, die im Normalfall gar nicht beim Radio arbeiten. In diesem Fall führt Mona Abou-Jeib Broshammar durch das Programm, die Generalsekretärin der republikanischen Vereinigung in Schweden. Es sind auch einige Interviews zu hören, u.a. mit dem Vorsitzenden der Linkspartei, Lars Ohly. Gerade letzteres zeigt für mich ein bisschen, dass Republikanismus in Schweden immer noch etwas am Rande steht, auch wenn er schwer im Kommen ist. Es ist schon ein bisschen ein Kuriosum, dass gerade ein Land wie Schweden, das Gleichberechtigung aller zu einem seiner höchsten Ziele auserkoren hat, noch einen Monarchen als Staatsoberhaupt hat. Ich gehe allerdings davon aus, dass ich die Republikwerdung Schwedens noch erleben werde. Die Argumente der Sendung werden zum Glück nicht in wildem Bekehrungseifer vorgebracht, was es sehr angenehm zum Anhören macht. Nebenbei werden auch einige Dinge angemerkt, die sehr interessant sind – z.B. dass der König per Definition keine Verbrechen begehen kann, weil er über dem Gesetz steht.

Palme-Nachschlag

Meine Beiträge zum 25. Jahrestag der Ermordung des damaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme waren natürlich nicht die einzigen zum Thema.

Daher noch einige Hinweise auf weitere interessante Fundstücke, die mir untergekommen sind:

  • Der Deutschlandfunk berichtet in seinem Hintergrund gewohnt fundiert und unaufgeregt über das Thema. Besonders erfreulich finde ich, dass sie sich nicht auf eine These stürzen, sondern verschiedene Aspekte streifen.
  • Genau letzteres kann man über zwei weitere Beiträge nicht sagen. Einer wurde mir dankenswerterweise über die Kommentare zugetragen: der Artikel „Mordsmäßiges Schweigen“ von Henrik Andersson, der im Tagesspiegel veröffentlicht wurde. Nachdem der Autor konstatiert, dass immer wieder dubiose Theorien zum Mord auftauchen, präsentiert er direkt seine eigene, die selbstverständlich nicht dubios ist. Andere Kandidaten werden mit schnellen Bemerkungen zur Seite gewischt, und stellenweise grenzt das Ganze an Verschwörungstheorie.
  • Ähnlich gingen vor 10 Jahren die Macher des Films „Mord in Stockholm“ vor. Da läuft es auch so heraus, dass es doch glasklar sei, wer Palme ermordet habe. Die Sendung lief auf BR Alpha am 27. Februar, aber ist online anscheinend nicht verfügbar.
  • Bayern 2 hingegen weist darauf hin, dass Palme doch tatsächlich vor seiner Ermordung ein Leben geführt hat, über das es auch etwas zu erzählen gibt. Es ist ein schönes Palme-Porträt geworden mit einigen schönen Abschnitten, in denen er sein mit großem Wortschatz ausgestattetes, fast fehlerfreies, aber stark schwedisch eingefärbtes Deutsch spricht.

Was von der Grippe(impfung) blieb

Vor gut 7 Monaten schrieb ich einen Artikel über die Schweinegrippeimpfung und über das wissenschaftlich halbgare Geschwätz, das über sie verbreitet wurde.

Nachdem sich der Staub gelegt hat und der Planet nach wie vor alle 24 Stunden um seine Achse rotiert, ist es möglich, zumindest in Ansätzen eine Art Zusammenfassung zu schreiben. Denn mittlerweile liegt der Abschlussbericht der schwedischen Arzneimittelbehörde vor – und da Schweden das Land ist, das wohl am konsequentesten geimpft hat, sind diese einen Blick wert. Über diesen Bericht würde freilich so gut wie gar nichts geschrieben, weil man damit kein Aufsehen erregen kann.

Die Zahlen sind nämlich so banal und harmlos, dass dieser ganze Sumpf aus Verschwörungstheorie und Impfgegnerschaft irgendwie ziemlich albern daherkommt.

Hier einige Dinge zusammengefasst:

  • Bis Mitte April 2010 waren rund 5,6 Millionen Dosen in Schweden verabreicht worden, wobei die Regionen Halland und Uppsala in dieser Erfassung fehlen. Auf der allgemeinen Seite ist von 6,1 Millionen Impfungen die Rede. Es dürften also rund zwei Drittel aller Einwohner Schwedens geimpft worden sein.
  • Der Anteil derjenigen unter den Geimpften, die Nebenwirkungen meldeten, pendelte sich knapp unter 0,5 Promille ein. Insgesamt wurden ca. 2150 Meldungen eingeschickt, die 3500 Reaktionen beschrieben.
  • 659 allergische Reaktionen traten auf, darunter 163 als ernsthaft eingestufte.
  • 769 neurologische Reaktionen traten auf, darunter 187 als ernsthaft eingestufte.
  • Das u.a. von dem Chef des Arznei-Telegramm, Wolfgang Becker-Brüser, in Interviews beschriebene Risiko, man könne an dem Lähmungserscheinungen hervorrufenden Guillain-Barré-Syndrom erkranken, ist ebenso statistisch an der Grenze zur Insignifikanz. Die Befürchtung bezog sich ja darauf, dass nach einer Grippewelle in den USA im Jahr 1976 dieses Syndrom etwas gehäuft bei Geimpften aufgetreten war. Deswegen legt der Bericht auch Augenmerk speziell hierauf. Sein Schluss:

    Es sind insgesamt 13 Berichte über das Guillian-Barré-Syndrom (GBS) eingesandt worden. Das Alter der Patienten variierte von 5 bis 82 Jahren. Sämtliche Fälle wurden von Neurologen beurteilt, und 12 der 13 Fälle hatten dokumentierte diagnostische Resultate, entweder mit CSF-Analyse [Anm.: vermutlich Rückenmarksflüssigkeitsanalyse] oder mit Elektroneurographie, die mit GBS übereinstimmten. […] Nach Untersuchung der berichteten Fälle sowohl in Schweden als auch von anderen Ländern in Europa ist die Schlussfolgerung, dass ein Zusammenhang zwischen den Pandemieimpfungen und GBS nicht ausgeschlossen werden kann, aber es keinen Grund zur Annahme gibt, dass das Risiko für GBS größer ist als bei einer saisonalen Grippeimpfung.

    Um das nochmal zu verdeutlichen: selbst wenn alle Fälle durch die Impfung hervorgerufen worden wären, läge das Risiko, an GBS zu erkranken, immer noch bei ca. 1:470.000. Zum Vergleich: in Deutschland erkrankt im Schnitt ca. einer von 80.000 Einwohnern im Jahr an GBS. Das reguläre Risiko für GBS dürfte also um ein mehrfaches höher liegen als das impfbedingte.

  • Nun zur großen Preisfrage: die Toten – manche Berichte wirkten ja fast so, als sterben durch die Impfung mehr Leute als durch die Grippe selbst. Insgesamt wurden 27 Todesfälle gemeldet, die nach der Impfung auftraten. Nach der Untersuchung dieser Fälle blieben noch vier Verstorbene übrig, bei denen ein Zusammenhang mit der Impfung nicht ausgeschlossen werden kann. Angenommen, diese wären alle impfbedingt, dann starb also einer von 1,5 Millionen Geimpften daran. In anderen Worten: um die Zahl der Schweinegrippentoten zu übersteigen, hätte man mindestens 13 Milliarden Menschen impfen müssen.

Bleibt eigentlich nur ein Fazit: sich gegen Schweinegrippe impfen zu lassen ist weniger gefährlich als eine Straße zu überqueren.

Soweit die medizinischen Risiken.

Bleibt der zweite Teil der Verschwörungstheorie: die Pharmaindustrie, die ihre unnötigen Impfdosen gegen Steuergelder austauschen ließ.

Auch hier bleibe ich dabei: es nachher besser wissen ist immer einfach. Bei SARS und Vogelgrippe, als die Leute umfielen wie die Fliegen, warf man der WHO vor, zu zögerlich gehandelt zu haben. Dieses Mal haben sie also überreagiert, was sich natürlich besonders leicht sagen lässt, wenn die betreffende Krankheit sich nachträglich als relativ harmlos herausstellt.

Ich frage mich, was die betreffenden Leute sagen werden, wenn irgendwann ein Virus kommt, der die Gefährlichkeit von SARS mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit von H1N1 kombiniert. Dann ist vermutlich die Regierung samt Pharmaindustrie daran schuld, dass nicht schnell genug geimpft wurde.

Die zentrale Lehre ist also, dass die WHO erneut ihr Verhalten ändern muss, um beim nächsten Mal weder über- noch unterzureagieren (dazu auch mehr hier). Eine taugliche Impfung steht jedenfalls zur Verfügung – und wenigstens in Schweden weiß man, wie man die Verteilung organisiert, was ich von Deutschland nicht unbedingt behaupten möchte. Dass so eine einmal gebraucht werden könnte und man schon vorgesorgt hat, finde ich eher beruhigend.