Pokal geholt

Arne, Andreas und Fabian mit Pokal

Unglaublich erfolgreich: Andreas (links), Arne (rechts) und ich (irgendwo anders) nach dem Halbmarathon (Foto: Arne)

Der Moment kommt nahezu jedes Mal, und die Moral sinkt. Man stellt sich die Frage „wieso mache ich das eigentlich?“ Die Antwort liegt im Metaphysischen. Es tut weh, macht öfters keinen Spaß, aber sobald man fertig ist, macht man sich Gedanken darüber, welche Schandtaten denn nun als nächstes kommen könnten.

Die Rede ist vom Laufen. Seit ich mich im Jahre 2002 in den Norderstedter Stadtlauf hineingeredet hatte und die 5 km mit Anstrengung, aber einigermaßen würdig überstand, ist das Band geknüpft. Jedes Jahr ein Halbmarathon ist seit 2004 Pflicht, egal, wie mies ich vorbereitet bin. Dieses Jahr ist keine Ausnahme.

Ich gebe ja zu, dass ich ein Faible für ungewöhnliche Aktionen habe. Anders ist kaum zu erklären, dass ich 2004 miserabel vorbereitet nach New York flog, um einen Marathon in der unterirdischen Zeit von 6:11 Stunden zu absolvieren. Dennoch war ich stolz, und ich glaube, das darf man nach 42,195 km auch sein.

Jener Stolz gebietet aber auch. Letztes Jahr ging ich nach Krankheit und Antibiotika im Blut beim S:t Eriksloppet an den Start, um einen Halbmarathon zu absolvieren. Es wurden katastrophale 2:40 Stunden. Dieses Jahr sollte es daher besser werden. Beim diesjährigen S:t Eriksloppet konnte ich mich aus der Affäre ziehen, weil ich arbeiten musste. Ein Alternativplan musste her, und der war bald gefunden. Ein Halbmarathon im Ausland sollte es werden, aber natürlich nicht zu weit weg. Das nächste Ausland von hier aus gesehen ist nicht etwa Norwegen. Es ist Finnland, genauer gesagt Åland, gesprochen Oland.

Es handelt sich dabei um ein Kuriosum der Weltgeschichte. Ähnlich den Färöern (wenn ein solcher Vergleich erlaubt ist) sind die Åland-Inseln von verschiedenen Mächten hin- und her gereicht worden. Gesprochen wird dort aber seit jeher Schwedisch. Nachdem Schweden Finnland an die Russen verloren hatten, wurde auch Åland russisch und blieb dies lange Zeit. Dementsprechend fiel es dann an Finnland, als dieses unabhängig wurde. Dem Zeitgeist gemäß fühlten die Åländer sich dort aber weniger heimisch, weil sie nunmal nicht finnisch sprachen und daher lieber zu Schweden gehören wollten. Nach einigen Wirrungen landete die Sache vor dem Völkerbund, der daraufhin die wohl so ziemlich einzige dauerhaft bestehende Entscheidung seiner kurzen und unglücklichen Geschichte traf. Kurz: Åland blieb bei Finnland, erhielt aber weitgehende Autonomie und wurde demilitarisiert. Dabei ist es auch geblieben, und der Schutz der schwedischen Sprache ist den Åländern heilig. Ein Sonderrecht in der EU macht die Inseln aber noch anderweitig zu etwas besonderem. Die Zoll- und Steuerbestimmungen der EU gelten hier nicht in vollem Umfang, was bedingt, dass auf Schiffen von und nach Åland weiterhin Alkohol und andere Dinge steuerfrei verkauft werden dürfen. So ist es nicht verwunderlich, dass jede Ostseefähre dort einen Zwischenstopp einlegt und sogar Fahrten nach Åland nur zu dem Zweck durchgeführt werden, um die Reisenden mit Alkohol zu versorgen.

Dieses spezielle Stückchen Europa schien also prädestiniert für einen Lauf der besonderen Art. Wie passend, dass es dort auch einen Lauf gibt, nämlich den Åland-Marathon, der dieses Jahr zum 26. Mal stattfand. Die Läuferzahl stagniert trotz zunehmend professioneller Durchführung bei rund 500, was einen etwas einsamen Lauf versprach. Die Strecke schien auch wenig spektakulär zu sein, weil sie einfach ein Stück aus Ålands Hauptstadt Mariehman heraus ging und dann wieder hinein. Aber es war Åland, was diese Schwächen natürlich etwas ausglich.

Interessant wurde es erst richtig durch ein Angebot der Fährline Eckerö-Linjen. Das „Marathonpaket“ enthielt die Fährfahrt (inkl. Auto), Hotelübernachtung, ein Pastadinner und die Startgebühr. Das alles für rund 70 €, und da wir letztendlich zu dritt waren, wurde es sogar noch etwas billiger.

Meine beiden Mitstreiter waren Arne, der extra aus Norderstedt angereist kam, und Andreas, den ich erst im Sommer zum Laufen überredet hatte.

Da fuhren wir nun insgesamt 170 km nach Mariehamn, holten unsere Startnummern ab und checkten ein. Die Umstellung auf Winterzeit kam uns in dem Fall entgegen, denn Finnland ist eine Stunde voraus, und damit hätten wir noch früher am Start sein müssen als ohnehin schon.

Startzeit war 8:45 Uhr, und die ersten Kilometer gingen ganz gut. Andreas, der immer wieder bekundet hatte, dass er gar nicht glaube, überhaupt 21 km laufen zu können, war nach ein paar Minuten irgendwo vor Arne und mir verschwunden. Nach 5 km setzte sich auch Arne langsam von mir ab. Kurz nach dämmerte es mir, dass das einfach auch nicht mein Tag war. Zwei Wochen zuvor hatte ich noch eine halbwegs passable Zeit in Hässelby hingelegt. Nun schienen schon die ersten 10 km hart zu werden. Ich lief aber bis zur Hälfte durch.

Honorarkonsul

Sieht wie eine Botschaft aus, ist aber keine. Das deutsche Honorarkonsulat auf Åland

An den Versorgungsstationen gab man uns Sportdrinks und Wasser in einer Temperatur zu trinken, dass ich erst annehmen musste, das Zeug sei ewig abgestanden. Wie sich später heruasstellte, war es vorher wohl einfach abgekocht worden. Bei dem doch etwas ekligen Wetter (8°C, feucht, windig) war man anscheinend um unsere Gesundheit besorgt. Mir wäre etwas kühler jedenfalls lieber gewesen.

Die Strecke war noch viel langweiliger als befürchtet. Auf Åland gibt es vier nationale Fernstraßen („landsväg“), logischerweise mit den Nummern 1 bis 4. Auf der Nummer 1 waren wir am Abend zuvor von Eckerö nach Mariehamn gefahren. „Landsväg“ ist auch insofern bezeichnend, als die Straße derzeit erneuert wird und man deswegen zeitweise über Schotter fährt. Schon auf der Hinfahrt waren uns die Marathon-Kilometer-Schildchen am Rand aufgefallen. Nun stellte sich heraus, dass man bei der Streckengestaltung noch weniger Kreativität investiert hatte, als wir erwarteten. Die Halbmarathonstrecke begann in Mariehamn, ging 10 km auf der 1 Richtung Eckerö und dann wieder zurück. Die Marathonstrecke war das gleiche, nur eben mit 20 km. Als Freund des Rundkurses fand ich das natürlich weniger begeisternd. Es hatte vor allem den Effekt, dass in Mariehamn keiner Notiz davon nahm und somit auch kaum Zuschauer da waren. Man bekam etwas åländische Natur zu sehen, aber da es windig war und Mariehamn die einzige große Ansiedlung ist, kann man das kaum als Besonderheit bezeichnen. Da wäre zumindest eine Schleife durch Mariehamn wünschenswert gewesen. Einen kleinen Vorteil hatte die Strecke jedoch: Man sah, wieviele vor einem kamen, und auch, wie viele nach einem kamen.

Nach einer kurzen Pause beim Umkehrpunkt lief ich weiter, und es ging prächtig. Bei Kilometer 14 kam aber langsam der Einbruch. Ich machte wieder Pausen, und diese wurden von mal zu mal länger. Bei Kilometer 17 überholte mich gar der erste vom Marathon, der 15 Minuten vor uns gestartet war. Da dieser aber den Lauf mit rund 10 Minuten Abstand gewann, landete ich zum Glück nicht gleich in der Spitzengruppe des Marathons. Bei mir Kilometer 20 waren meine Beine dann schon enorm schwer. Mir kamen die ersten vom Peugeot „Fun Run“ entgegen, der wohl um 11 Uhr gestartet worden war. Letztendlich war ich nach 2:28 Stunden im Ziel. Nicht ganz so mies wie im Vorjahr, aber von gut kann keine Rede sein.

Strahlender Sieger: Andreas

Überraschender Pokalgewinner in der Klasse der Damen: Andreas.

Da wir schon um 12 Uhr auschecken mussten (ein kleiner Nachteil des Marathonpakets), nahm ich schnell meine schöne auf Holz befestigte Medaille (sehr nett) und ging zurück ins Hotel. Dort fand ich Andreas freudestrahlend mit einem Pokal vor. Er konnte die Behauptung, gewonnen zu haben, nicht lange aufrechterhalten. Wie sich herausstellte, hatte eine Arbeitskollegin, ihres Zeichens eine der besten Läuferinnen Schwedens, ihm den abgetreten, weil sie nur Gesamtvieter geworden war und damit mit dem ersten Platz der Damen nicht so ganz zufrieden sein konnte. Diese Probleme möchte ich mal haben.

Andreas‘ Ergebnis war nichtsdestotrotz beeindruckend: 1:47 Stunden, und damit 7 Minuten besser als meine persönliche Bestzeit. Arne hatte es in 2:15 Stunden geschafft.

Nach dem Auschecken tat uns alles weh. Wir waren müde und mussten irgendwie noch die kommenden Stunden in Mariehamn füllen, da es erst am Abend nach Schweden zurück ging. Trotzdem: wir hatten eine Menge Spaß und waren uns auch einig, dass wir das gerne wieder machen würden.

Ich für mich selbst habe beschlossen, dass 2008 mein nächstes Marathonjahr werden wird. Zwar ist 2007 mit insgesamt 7 Läufen (die „Tömilen“ kommt noch) eines meiner laufreicheren Jahre, aber die Ergebnisse können mich kaum zufriedenstellen. Nächstes Jahr sind also mindestens ein Marathon und ein Halbmarathon fällig.

Wieder werde ich mich quälen und frage, warum ich das eigentlich mache. Aber so ist das nunmal als Läufer.

Langsam

Gestern abend war wieder einmal Midnattsloppet, der äußerst beliebte 10km-Lauf durch Södermalm, Stockholm südlicher Hauptinsel. Die doch schon ziemlich saftigen Anmeldegebühren von knapp 40 € haben 18000 Läufer nicht davon abgehalten, sich anzumelden.

Mich auch nicht.

Weil ich busfahrbedingt noch etwas mit der Anmeldung gewartet habe, bekam ich nur noch einen Platz in der Gruppe 5, die geschwindigkeitsmäßig nicht weit vor Walkern rangiert. Laut Broschüre sollte man 61-70 Minuten brauchen, um hier richtig zu sein. Ich wage zu behaupten, dass dies aber auf viele nicht so ganz zutraf. Bei dem Lauf bewerben sich offenkundig auch viele, die sich es dann doch nicht zutrauen und absagen – anders ist kaum zu erklären, wieso sich rund 18000 Läufer angemeldet haben, in den Ergebnislisten aber nur weniger als 14000 stehen.

Zwar bin ich Gegner von Geschwindigkeitsarroganz, aber wenn sogar ein mäßig trainierter Mensch wie ich nach 30 Minuten praktisch nur noch von Läufern der Gruppe 4 umgeben ist (die schließlich fünf Minuten vorher gestartet waren), spricht das für sich.
Zunächst hatte ich den Eindruck, ich könnte sogar meine Zeit von 2005 unterbieten (54:02), und meine Uhr machte mir sogar etwas Hoffnung. Der erste Dämpfer kam nach 5 Kilometern, wo schon 28 Minuten vergangen waren – da man beim Start ausgebremst wird, konnte man so wenigstens eine Endzeit von 56 Minuten annehmen. Allerdings hatte ich dabei vergessen, dass der zweite Teil erheblich steilere Abschnitte hat. So sank mein Geschwindigkeitsschnitt wohl nicht zuletzt deswegen ab. Am Ende waren es 59:22 Minuten – meine schlechtesten 10 km bislang.

Dennoch ist der Lauf ein Erlebnis, und ich kann als positiven Aspekt auch mitnehmen, dass der zunächst skeptische Andreas nicht nur überragende 49:02 Minuten gelaufen ist, sondern auch hellauf begeistert war.

Es spornt mich auch an, besser zu werden, denn dieser Tage habe ich mich für einen Halbmarathon beim Åland-Marathon angemeldet, der Ende Oktober stattfindet. Arne und Andreas sind mit von der Partie. Der ganze Spaß ist nicht übermä0ßig teuer: rund 70 € für Fährüberfahrt mit Auto inklusive Startgebühr, Hotelübernachtung und Pastadinner.

Der Halbmarathon ist natürlich nicht nur härter, sondern findet auf für mich unbekanntem Terrain statt. Die Strecke auf Åland wirkt zumindest auf der Karte recht uninteressant, da man einfach nach 10 km umkehrt und zurückläuft. Außerdem ist die Konkurrenz dünn: im letzten Jahr liefen gerade einmal 257 Leute den Marathon und 200 den Halbmarathon. Da kann es ein bisschen einsam werden unterwegs, auch weil man auf großartige Zuschauerunterstützung kaum hoffen kann. In diesem Jahr ist auch nicht mehr Besucherandrang zu erwarten, denn es handelt sich um die 26. Ausgabe des Laufs, so dass man die geringen Teilnehmerzahlen nicht auf eine organisatorische Anlaufzeit schieben kann. Allerdings muss angemerket werden, dass sich die Läuferzahlen seit 2003 mehr als verdoppelt haben.

Ein weiterer Höhepunkt könnte der Hässelbyloppet Mitte Oktober sein – den bin ich ja schon 2005 recht erfolgreich gelaufen.

Rekordverdächtig

Laufen ist manchmal wie ein guter Freund – unbarmherzig ehrlich, wenn es darauf ankommt. Lebensberatung kann dieser Sport nicht geben, aber man merkt wirklich intensivst, wenn der Körper nicht im besten Zustand ist.

Der heutige Tag wird in meine persönliche Läufergeschichte eingehen als die schlechtesten 21,1 km, die ich jemals abgeliefert habe. Das vermag ich schon nach 3 absolvierten Halbmarathons definitiv zu sagen.

Normalerweise bin ich ja ein kleiner Uhr-Fetischist. Zumindest kilometerweise will ich wissen, wie es steht. Und meist steht es so einigermaßen. Heute hingegen habe ich sogar vergessen, beim Zieleinlauf auf Stop zu drücken. Wozu auch?

Ein kurzer Blick in die Geschichte: 2004 nahm ich als Test für meinen finisherzeitmäßig letztlich bescheidenen ersten (und bislang einzigen) Marathon in New York am Baden-Marathon teil und absolvierte einen Halbmarathon. Schnell war ich zwar nicht, aber die Strecke ging trotz mäßigen Schuhwerks vorbei – lediglich riesengroße Blasen kündeten von der Meisterleistung. 2:13 Stunden habe ich damals gebraucht. Letztes Jahr dann verbesserte ich das deutlich: 1:54 Stunden beim S:t Eriksloppet hier in Stockholm. Ich hatte meinen historischen Fitnesshöchsstand erreicht.

Eine Form, an die ich seither nicht mehr anknüpfen konnte. Wegen Gewichtszunahme, aber auch wegen mangelnden Trainings. Ich habe in den letzten Monaten meist Läufe von 6 bis 8 km absolviert, manchmal mit fiesen Steigungen, aber meist harmlos. Für eine schwedische Meile (10 km) ein halbwegs brauchbares Training, für mehr aber definitiv nicht.
Dennoch beschloss ich spontan, dieses Jahr wieder beim S:t Eriksloppet teilzunehmen. Nach meiner Ohrengeschichte diese Woche bin ich aber seit gestern auf Antibiotika. Dazu kam „Verletzungspech“: die grandiose Aktion mit dem Zeh vor einigen Tagen bewog mich dazu, Training diese Woche sein zu lassen.

Aber es sollte ganz anders kommen. Meine Stimmung hellte sich merklich auf, und die ersten Kilometer machten echt Spaß. Erst gegen 7 Kilometer merkte ich, dass meiner Leistung Grenzen gesetzt sind, aber da meine Tempovorstellungen (ca. 2 Stunden) recht moderat waren, blieb ich noch einigermaßen im Limit. Bei Kilometer 9 dann der erste Einbruch. Ich wurde immer langsamer, das Atmen fiel schwer. Eine Pause zum Luft holen war unvermeidlich.

Das Problem dabei ist, dass ein Hypochonder-Effekt entsteht. Man fragt sich dauernd: „Beeinträchtigen die Antibiotika die Lungenfunktion?“ – und sucht nach Anzeichen davon. Wenn ja, wäre das natürlich fatal gewesen und ich hätte schon kurz darauf einen Sanitäter ansteuern müssen, bevor ich auf der Strecke umkippe. Helden, die das geschafft haben, habe ich heute auch gesehen – einer lag schon bei Kilometer 12.

Der Gedanke, aufzugeben, ist mir allgemein natürlich zuwider. Zumal zuhause ein T-Shirt liegt, das man dann niemals ruhigen Gewissens tragen könnte. Dennoch verfolgte mich die Erwägung dieses Schritts (ich habe noch nie einen öffentlichen Lauf abgebrochen) einige Kilometer. Letztendlich bewegten mich meine beiden Cheerleader Chris und Bine mit ihrer Zuversicht bei Kilometer 12, diese Idee zu verwerfen. Letztendlich waren es ab da nur noch 9 Kilometer – nur.
Das eigentliche Debakel begann bei Kilometer 14. Leichtes Ziehen in der linken Wade, kurz darauf ein kleiner Krampf. Ein paar Muskelstränge kontrahierten, obwohl sie es nicht sollten. Die sichtbare Einbuchtung an der Stelle verdeutlichte, dass sich etwas anbahnte. Ich hatte noch nie einen Krampf beim Laufen. Wenn mich so etwas mal erwischt hat, dann meist nach einer durchzechten Nacht, so dass eine falsche Schlafposition wohl die Durchblutung behinderte. Aber beim Sport? Nie gehabt.
Ich fühlte mich so, wie sich Frank aus „Von Null auf 42“ beim NYC-Marathon gefühlt haben muss. Man kommt wenig bis gar nicht voran, und irgendwann ist man nur noch von Rentnern umgeben. Heute trösteten mich ein paar fast schon gazellenartige (und optisch nicht zu verachtende) Frauen darüber hinweg, dass meine Zeit langsam aber sicher in den Keller rutschte. Es kommt offenbar nicht nur auf die Altersklasse an, wo man im Feld landet.

Der Höhepunkt war bei Kilometer 18 erreicht. Die angepeilten 2 Stunden waren schon verstrichen, und regelmäßig bei jedem Laufversuch machte der Muskel schnell dicht. Die Intervalle wurden kürzer, die Krämpfe stärker. Letztendlich stand ich mehrere Minuten da und wartete, dass sich der Krampf löste. Prophylaktisch zwischenzeitlich zugeführtes Wasser, isotonisches Getränk (lasse ich sonst angewidert stehen) und Bananen hatten offenbar nur bedingt geholfen. Solange ich ging, gab der Muskel Ruhe. Beim permanenten Lauf meldete er sich aber schnell zu Wort, in diesem Fall besonders stark. Ein Mitläufer fortgeschrittenen Alters stellte im Vorbeirennen die sinnige Frage „Är det kramp?“ („Ist das ein Krampf?“), worauf mir nur ein „Ja“ als Antwort einfiel. Was hätte ich sonst auch antworten sollen? Mir ist allerdings schleierhaft, was die Frage sollte. Wenn man derart weit hinten läuft und scheinbar keine gesundheitlichen Probleme hat, riskiert man im Normalfall keine dicke Lippe.

Drolliger hingegen eine Frau, die bei Kilometer 19 jubelte angesichts der Tatsache, dass sie eben jenen Kilometer 19 überschritten hatte. Kurz darauf fragt mich eine Passantin, was das denn überhaupt für ein Lauf sei. Sie ist offenbar nicht sonderlich gut informiert, und sicher auch keine begeisterte Läuferin.

Chris und Bine hatten stoisch abgewartet und sogar den Streckensprecher bei Kilometer 20 dazu überredet, mich persönlich zu nennen, was ich mit kurzem Winken quittierte. Interessanterweise gab man mir dieses Jahr wieder den Teamnamen Keesves – offenbar ein Relikt aus der letztjährigen Datenbank, denn zu der Zeit verwendete ich den noch.

Die beiden liefen sogar ein Stück mit. Die letzten paar hundert Meter schaffte ich sogar noch laufend. Das endgültige Ergebnis: ungefähr 2:40 Stunden – miserabel wäre ein Euphemismus.
Zu allem Überfluss steht nächsten Samstag der nächste Lauf an. Dann aber über angenehme 5 km. Mehr traue ich mir im Moment auch nicht zu.
Ich sage manchmal, dass ich vor dem letzten Läufer mehr Respekt habe als vor dem ersten – eben weil er es durchgezogen hat. Dennoch bleibt ein bitterer Beigeschmack. Letztendlich hat man versagt, den Schaden lediglich etwas eingedämmt. Mein Herbst- und Wintertrainingsprogramm steht schon in Grundzügen fest.

Als ich in New York auf den letzten Kilometern müde vor mich hintrottete, traf ich einen Kanadier, mit dem ich ins Gespräch kam. Ihn hatte das Verletzungspech direkt im Lauf erwischt und er humpelte etwas. Ich konstatierte kurz darauf, dass das für mich fürs erste der einzige derart lange Lauf bleiben würde. Er antwortet kurz, aber treffend: „Lügner!“

Das Schlimme ist: er hat recht.

(Halb-)Marathon Superstar

Ich sollte dieses Blog in „Albano Watch“ umbenennen. Genügend Stoff zu berichten gäbe es allemal – obwohl oder gerade weil hier ein Haufen Müll rumliegt, treiben sich höchst seltsame Gestalten herum. Gestern gab es folgende Szenerie zu beobachten:

Ein männliches Model zeigte sich in Bademeisterpose auf dem mondänen Schotterhaufen vor der Bahnstrecke – gelegentlich zog er sich sogar um. Schade, dass es keine Frau war. Einen Schnappschuss konnte ich mir dennoch nicht verkneifen. Ich gab allerdings vor, die vorbeifliegenden Heißluftballons zu fotografieren.

Derweil trieb sich weiter vorne ein Mann mit dem Aussehen einer Vogelscheuche herum und sammelte herumliegenden Müll ein. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war er aber kein Mitarbeiter der Parkplatzfirma, die mich mit einem Ticket beglückte, sondern ein Obdachloser. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die werden aus der Innenstadt mittels einer Taktik vertrieben, die auch im Hamburger Hauptbahnhof für erhebliche Veränderungen gesorgt hat: an einigen Geschäften in der Nähe von T-Centralen (Hauptbahnhof für alle Bahnen) wird die Straße mit recht lauter Musik beschallt. Der Effekt ist einfach, dass unerwünschte Menschen auf Dauer davon genervt sind und weiterziehen.

Und nun zu etwas völlig anderem: Samstag.
(Halb-)Marathon Superstar weiterlesen