Budgetpromenaden

Eine interessante politische Tradition in Schweden ist Budgetpromenaden, der „Haushaltsspaziergang“. Jedes Mal, wenn die amtierende Regierung ihren Haushalt vorliegt, geht der Finanzminister vom Finanzministerium aus die Drottninggatan hinunter zum Reichstag. Meist ist es ein Bündel Papiere, das hübsch mit einer blau-gelben Schleife zusammengebunden ist. In der Vergangenheit gab man sich modern mit CD-ROM oder USB-Sticks statt Papier. Ab 2006 kehrte die damals neue bürgerliche Regierung zum Papier zurück.

Die neue Finanzministerin Magdalena Andersson von den Sozialdemokraten scheint dabei geblieben zu sein, als sie heute ihren ersten Spaziergang unternahm:

Ungewöhnlich war eher, dass es sehr eng zu ging und anscheinend auch ein Fotograf zu Boden fiel.

Ich glaube allerdings nicht, dass das mit der Spannung zu tun hat, die mit diesem Haushalt verbunden ist. Er ist nicht nur der erste der neuen Regierung. Er wurde auch von der Linkspartei mit abgesegnet, obwohl diese nicht an der Regierung beteiligt ist. Die drei Parteien (Sozialdemokraten, Umweltpartei die Grünen, Linkspartei) sind jedoch weit von einer eigenen Mehrheit entfernt.

Die braucht man in Schweden streng genommen auch nicht unbedingt. Es genügt, wenn es keinen anderen Vorschlag gibt, für den mehr stimmen. Sollten die rechtspopulistischen Schwedendemokraten also einen gemeinsamen Oppositionsvorschlag unterstützen, hätte die Regierung also ein Problem. Genauer gesagt wäre sie dann erledigt, und es käme schon im Dezember zu Neuwahlen.

Das erscheint nicht übermäßig wahrscheinlich. Auch haben sich in den letzten Tagen schon erste Risse in der vormaligen Regierungskoalitionen aufgetan, als der ehemalige Bildungsminister Jan Björklund von der liberalen Volkspartei den Schwarzen Peter für die Niederlage der vorigen Regierung gleich mal dem größten Koalitionspartner, den Moderaten, zuschob.

Die kleine Plakateschau: Folkpartiet

Die heiße Wahlkampfzeit bricht an, und ein untrügliches Zeichen hierfür ist das Sprießen der Plakate allerorten. Ab heute darf sogar schon gewählt werden, was die Wahl bequemer machen soll, aber mangels Briefwahlmöglichkeit auch den Zugang zur Urne sichern soll. Gezählt wird freilich erst am 19. September.

Bis dahin wird munter versprochen und vorgeschlagen. Besagte Plakate sind ein Ausdruck davon. Man unterstellt ihnen gerne (und zurecht), sie würden nur hohle Allgemeinplätze verbreiten. Dennoch habe ich einige fotografiert und werde sie hier zeigen, denn ich wage die These, dass sie trotzdem etwas über die Macher und deren Motive aussagen.

Werbung der Folkpartiet in T-Centralen

Dieses verunglückte Foto zeigt zwei U-Bahn-Plakate, die als Vorzeigeminister Jan Björklund (Bildung) und Nyamko Sabuni (Integration) zeigen. Er sagt „Die Zukunft beginnt im Klassenzimmer“, sie sagt „Die schwedische Sprache. Der Schlüssel zur Integration“. Das sind natürlich Sprüche, die man sich auch auf einen Topflappen häkeln könnte. Dass man ausgerechnet die beiden so prominent platziert, hat aber einen anderen Grund: sie sind prominent. Viele Minister hat die Partei nämlich nicht, und insbesondere Björklund als Parteichef zu präsentieren hat Bedeutung. Schließlich läuft gerade eine große Schulreform, und er hat sich als Advokat von härteren Anforderungen an die Schüler hervorgetan – was mir nebenbei bemerkt als erstrebenswert erscheint.

Auch sonst könnte man den Eindruck haben, die Folkparti fahre vor allem einen Personality-Wahlkampf:

Jan Björklund auf einem Auto, das (hoffentlich) nicht sein Wahlkampfbus ist

Das ist aber nicht der Fall. Von den 20 Wahlplakaten zeigen nur 7 einen Politiker, darunter 3 Björklund.

Männern können es. Gleichstellungsbonus für Eltern, die (die Elternzeit) gleich aufteilen.

Dieses Plakat gehört dabei aber noch zu den konkreteren. Die meisten gehen aber in die Richtung „mehr Jobs, mehr Firmen, mehr mehr – und Zukunft ist gut für uns alle“.

Zwei Dinge stechen aber aus meiner Sicht besonders hervor.

Zum Einen ist es Marit Paulsen, die sich mutig hinstellt und sagt

Kernkraft. Für das Klima. (Quelle: folkpartiet.se)

Dass eine Partei mit einem Bekenntnis zur Atomkraft Werbung macht, ist beachtlich. Woanders wäre das politischer Selbstmord, aber angesichts dessen, dass die Kernkraft mittlerweile wieder von einer Mehrheit der Schweden befürwortet wird und das liberale Wählerpotenzial, in dem Partei fischt, eher wenig grün ist, kann das vielleicht Stimmen ziehen. Man kann es vermutlich auch als Positionierung gegenüber den Moderaterna sehen, denn die Christdemokraten und das Zentrum dürften zu den eher kernkraftskeptischen Teilen der Regierung gerechnet werden.

Die andere auffällige Sache ist ein klares Bekenntnis zum Euro. Nichts neues, denn die Partei war schon immer eher eurofreundlich – aber er ist kein heißes Wahlkampfthema, und derzeit (noch) kein Thema, mit dem man viel gewinnen könnte.